Lehrstuhl für behindertenorientierte Zahnmedizin
Bereits 1987 wurde an der UW/H die Sektion „Special Care“ ins Leben gerufen, sie sich mit der Behandlung von Menschen mit Behinderungen befasst. Seit 2001 bildet die Uni alle angehenden Zahnärzte auch für die Behandlung behinderter Patienten aus.
Bereits 1999 wurde Prof. Dr. Peter Cichon zum bundesweit ersten Professor für die Behandlung von Menschen mit Behinderungen ernannt und hat im gleichen Jahr auch das einzige Lehrbuch zu diesem Thema verfasst. Nun hat der Lehrstuhl eine Stiftungsprofessur daraus gemacht. Möglich macht das die Software AG-Stiftung, die die Finanzierung des Stiftungslehrstuhls für fünf Jahre übernimmt, sowie die Mahle-Stiftung, die als Co-Förderer zunächst für ein Jahr im Boot ist.
„Die zahnärztliche Versorgung von Menschen mit Behinderungen ist in Deutschland immer noch unzureichend“, erläutert Cichon. Gründe seien mangelnde Behandlungskooperation, Angst vor der Behandlung und eine eingeschränkte Zahn- und Mundhygiene. „Einen angemessenen Umgang mit diesen Patienten lernt man normalerweise nicht im Zahnmedizinstudium, daher fühlen sich viele Kollegen überfordert.“
Das Thema beforschen
Durchschnittlich werden an der UW/H jährlich rund 1.800 Patienten mit meist schweren Mehrfachbehinderungen behandelt. „Mit der Einrichtung des neuen Lehrstuhls, der den Namen „Behindertenorientierte Zahnmedizin“ trägt, möchten wir nicht nur die Qualität und Quantität der studentischen Lehre weiter verbessern, sondern das Thema vor allem auch beforschen und verbesserte Möglichkeiten zur akademischen Qualifikation, zu Promotionen und Habilitationen bieten“, sagt Prof. Stefan Zimmer, Leiter des Departments für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde an der UW/H.
Schwerpunktmäßig sollen dabei zwei Themen behandelt werden: Programme zur Prävention und Therapie der wichtigsten oralen Erkrankungen Karies und Parodontitis sowie die Erarbeitung von Grundlagen für die Einbringung solcher Maßnahmen in den Leistungskatalog der Krankenversicherungen.
Präventionsprogramme und Versorgungsgrundlagen erarbeiten
Zimmer: „Bislang gibt es kaum etablierte spezielle Präventionsprogramme für Menschen mit Behinderungen. Die Therapie erfolgt nach den gleichen Abrechnungsbestimmungen wie für Menschen ohne Behinderungen. Da Prävention und Behandlung bei Menschen mit Behinderungen in der Regel aber erheblich zeitintensiver und schwieriger sind, wird dieser Personenkreis aus wirtschaftlichen und fachlichen Gründen häufig nicht adäquat versorgt.“
Aus diesem Grund solle der Lehrstuhl Konzepte entwickeln, die nicht nur den besonderen Bedürfnissen dieser Patientengruppe gerecht werden, sondern auch die ökonomischen Rahmenbedingungen verändern können. Im Kern gehe es dabei darum, eine belastbare Datenbasis für die Realisierung einer verbesserten Leistungsabrechnung bei der Behandlung von Menschen mit Behinderungen zu realisieren.
Für präventive Maßnahmen und Behandlungen sollen die in Behinderteneinrichtungen lebenden Patienten zudem vor Ort aufgesucht werden. „Wir bemühen uns, dafür ein Behandlungsmobil zu beschaffen und haben dazu einen Förderantrag gestellt“, sagt Zimmer. „Dies würde den Patienten und ihren Betreuern langwierige und teure Transportwege ersparen und außerdem eine Versorgung im gewohnten räumlichen Umfeld ermöglichen.“