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Deutsches Krebsforschungszentrum

Maßgeschneiderte Mini-Proteine blockieren Tumortreiber

br
Zahnmedizin
Ein Forschungsteam aus Heidelberg hat erstmals zeigen können, dass sich Miniproteine – sogenannte DARPins – auch innerhalb von Zellen gegen krebsfördernde Transkriptionsfaktoren einsetzen lassen. Mit der Methode könnte eine neue therapeutische Strategie entwickelt werden, die über die Therapie seltener Tumoren hinausweist.

Chordome sind seltene Knochentumore, die meist an der Schädelbasis oder an der Wirbelsäule entstehen. Sie wachsen lokal aggressiv, kehren häufig zurück und sprechen schlecht auf Chemotherapie an. Standardbehandlung sind Operation und Bestrahlung, es fehlt an wirksamen Medikamenten. Ein Forschungsteam vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg hat nun einen vielversprechenden therapeutischen Ansatz entwickelt: Maßgeschneiderte Mini-Proteine blockieren gezielt den zentralen Treiber der Tumorentstehung. Dadurch bremsten sie das Wachstum von Chordomzellen im Labor und in einem Mausmodell und legten zugleich weitere molekulare Schwachstellen des Tumors offen, die sich mit bereits zugelassenen Medikamenten adressieren ließen.

Transkriptionsfaktor TBXT wird blockiert

Als zentraler Krebstreiber bei Chordomen gilt der Transkriptionsfaktor TBXT, der bei der Gestaltentwicklung im Embryo eine zentrale Rolle spielt. Transkriptionsfaktoren sind Proteine, die die Aktivität von Genen steuern, indem sie sich an spezifische DNA-Sequenzen binden und das Auslesen der genetischen Information regulieren. Damit können genetische Prozesse sowohl initiiert als auch gehemmt beziehungsweise ganz unterdrückt werden. Der für die Krebsentstehung wichtige Transkriptionsfaktor TBXT kommt beim Erwachsenen normalerweise nicht vor, ist aber in mehr als 90 Prozent der Chordome überexprimiert.

Transkriptionsfaktoren wie TBXT wirken innerhalb des Zellkerns und gelten als nur sehr schlecht durch normale Medikamente zu beeinflussen. Doch das Team um Claudia Scholl (DKFZ) und Stefan Fröhling (NCT Heidelberg und DKFZ) hat dafür eine Lösung gefunden: Sie hemmten TBXT mit maßgeschneiderten kleinen Bindungsproteinen, so genannten DARPins. Das Akronym steht für „Designed Ankyrin Repeat Proteins“. DARPins wirken ähnlich wie Antikörper, lassen sich aber leicht zum Beispiel in Bakterien produzieren und können, anders als Antikörper, auch innerhalb von Zellen an Zielmoleküle binden.

Mit einer speziellen Technik gelang es den Forschern in Kooperation mit Andreas Plückthun von der Universität Zürich, DARPins zu identifizieren, die gezielt an die DNA-Bindedomäne von TBXT andocken und dadurch die Bindung des Transkriptionsfaktors an die DNA verhindern.

Proteine hemmten das Tumorwachstum in der Maus

In Chordom-Zellkulturen bestätigte sich, dass die ausgewählten DARPins selektiv die Bindung von TBXT an seine Ziel-DNA blockierten. Das verlangsamte die Zellteilung, hemmte das Tumorwachstum in der Maus und löste Zeichen von Seneszenz und Differenzierung der Tumorzellen aus.

Bislang wurden DARPins gegen Proteine der Zelloberfläche oder des Zytoplasmas entwickelt, und einige dieser Wirkstoffe werden bereits in klinischen Studien untersucht. „Wir haben hier nun erstmals demonstriert, dass DARPins auch gegen Zielproteine im Zellkern wirksam sein können – das ist ein Machbarkeitsnachweis mit Signalwirkung über das Chordom hinaus“, sagt Studienleiterin Claudia Scholl.

Forschung zeigt weitere therapeutische Angriffspunkte gegen den Krebs

Was genau passiert in den Chordomzellen, wenn die TBXT-Wirkung durch DARPins blockiert ist? Das ist wichtig zu wissen, denn neben TBXT selbst könnten auch die durch den Transkriptionsfaktor angeschalteten Gene therapeutische Ziele darstellen, die allein oder in Kombination mit zukünftigen TBXT-gerichteten Medikamenten angegangen werden könnten.

Durch systematische Kartierung aller TBXT-abhängiger Gene identifizierte das Heidelberger Team ganze Netzwerke von Genen, die durch TBXT gesteuert werden und deren Störung als Wachstumsbremse für die Krebszellen wirkt. Dabei traten auch Signalwege zutage, die sich mit bereits zugelassenen Medikamenten angreifen lassen.Als therapeutischeAchillesferse entpuppte sich beispielsweise die Abhängigkeit der Chordomzellen von der Aktivität des JAK-STAT-Signalwegs, der von TBXT mitangetrieben wird. Das macht die Krebszellen empfindlich gegenüber Wirkstoffen, die das Enzym JAK2 blockieren, eine zentrale Schaltstelle dieses Signalwegs.

„Die Abhängigkeit von der JAK-STAT-Signalübertragung zeigt uns eine neue therapeutische Strategie auf, die wir relativ zeitnah prüfen können, denn es sind bereits mehrere etablierte JAK2-Inhibitoren verfügbar – Medikamente also, die schon für andere Erkrankungen zugelassen sind“, erklärt Erstautor Sam Umbaugh. Ko-Studienleiter Stefan Fröhling, Direktor am NCT Heidelberg, ergänzt: „Unsere Ergebnisse eröffnen gleich zwei Perspektiven: Zum einen liefern die TBXT-blockierenden DARPins Werkzeuge für die weitere Forschung an diesem schwierigen Tumor. Zum anderen zeigen sie konkrete Ansatzpunkte für Therapien auf, die in zukünftigen klinischen Studien untersucht werden könnten.“

Charles S. Umbaugh, Marie Groth, Cihan Erkut et al., Selective targeting of TBXT with DARPins identifies regulatory networks and therapeutic vulnerabilities in chordoma. Science Advances 2025.

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