Medizin für Zahnärzte
„Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Facharztgruppen wird für uns in der Zahnmedizin immer wichtiger. Dafür brauchen wir ausreichendes allgemeinmedizinisches Wissen", sagte der leitende Fortbildungsreferent Dr. Derk Siebers M.Sc. in seiner Begrüßung.
Die Zahnmedizin profitiert von der Medizin - und umgekehrt
Wie wichtig der gegenseitige Austausch ist, verdeutlichte Dr. Dr. Andreas Fried in seinem Vortrag: Der Kardiologe arbeitet an einer antroposophisch orientierten Klinik in Berlin und vermittelte neben den medizinischen Fakten auch die Notwendigkeit einer Patienten-zugewandten Denkweise. Von einer Erkrankung - ob Kardiologie oder Karies - sei immer der ganze Mensch betroffen, das heißt, auch seine Seele. Fried: „Wenn ein Patient neu zu uns kommt, fragen wir uns daher: Warum ist er gerade jetzt krank geworden, was ist gerade los in seinem Leben?“
Zur Endokarditis-Prophylaxe empfahl Fried: „Sie sollten auf dem Anamnesebogen nach Herzklappen- oder Stent-Operation fragen, Patienten vergessen das.“ Bei Notfällen in der Zahnarztpraxis gilt: "Bludruck- und Sauerstoffsättigungsmessgerät sollten greifbar sein. Wenn der Patient auf Rütteln an der Schulter nicht reagiert, sofort den Notarzt rufen! Zwischenzeitlich: Herzdruckmassage geht vor Beatmung!“
###more### ###title### Schlechter Schlaf korreliert mit Depression ###title### ###more###
Schlechter Schlaf korreliert mit Depression
Schlafmedizinerin Dr. Samia Little Elk/Berlin: „Die REM-Phase mit ihren Traumanteilen ist wichtig für die seelische Regeneration - deshalb steht schlechter Schlaf oft auch in Verbindung mit Depression.“ Psychosomatik sei daher ein integraler Bestandteil ihres Vorgehens. Zur Diagnostik gehört bei ihr auch die Suche nach Bruxismus-Anzeichen, die Auslöser sein können für Durchschlafstörungen. Bei der Therapie spielten Protrusionsschienen eine gewichtige Rolle, aber „es gibt viele Gründe für Schlafstörungen und sie helfen nicht bei allen“. Gut angepasste Schienen zeigten bei mittelschwerer Schnarchapnoe allerdings „richtig gute Erfolge!“
Die Wirkweise neuer Antikoagulantien
Ein großes Thema: die Hämatologie. Prof. Dr. Georg Maschmeyer aus Potsdam berichtete ausführlich über verschiedene Ursachen für Blutgerinnungsstörungen, ihre jeweilige Relevanz für die Zahnarztpraxis und die Wirkweise der neuen Generation an Antikoagulantien.
Maschmeyer: „Das Dilemma: In den Fachinformationen steht ‚Absetzen’. Wir sehen das anders. Aber wenn etwas passiert, steht Ihre Verantwortung als Arzt im Fokus.“ Vorsichtig sollte man bei Gingivahyperplasien sein: Sie könnten in Verbindung stehen mit einer akuten myeloischen Anämie. In solchen Fällen arteten offene Wunden oft „in ein Drama aus“ und könnten zum Tod führen. Eine eventuell vorliegende AML sollte durch ein aktuelles Blutbild abgeklärt werden - ältere Blutbilder seien hier meist nicht aussagekräftig.
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Schnittstelle HNO
Um die Schnittstelle HNO und Oralmedizin zu verdeutlichen, sensibilisierte Prof. Dr. Markus Jungehülsing, Chefarzt einer Potsdamer Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, in einer Art „Sehschule“ für Symptome, die auf HNO-Erkrankungen hindeuten und erklärte, wie in solchen Situationen heute therapiert wird. Er sei früher ein großer Kritiker der Sinuslifte gewesen, müsse heute aber eingestehen, dass er in der HNO-Klinik kaum Misserfolge sehe - und machte der Zahnärzteschaft ein Kompliment für ihre Expertise.
Bei der Diagnose schaue Jungehülsing oft durch den Mund, denn an seiner Klinik erhebe man Mund- und Rachenschleimhautveränderungen oft gemeinsam mit einem Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen. Manche Symptome verwiesen auf Autoimmunerkrankungen, die gut behandelbar sind, andere auf kanzerogene Geschehen, die einer sofortigen Therapie bedürfen.
Abstriche aus dem Mund seien hinsichtlich ihrer Aussagekraft aufgrund der übermittelten Bakterienvielfalt erheblich schlechter als histologische Tests. Weitere Aspekte waren die Tonsillen, die Speicheldrüsen und der Sinusbereich „Hier befassen wir uns inzwischen intensiv mit dem Biofilm - das tun Sie in der Zahnmedizin ja schon länger“, konstatierte der HNO-Mediziner.
Das richtige Sehen
Im Abschlussvortrag aus dem Bereich der Oralpathologie ging es ebenfalls um das richtige Sehen. Dr. Harald Ebhardt aus Potsdam berichtete über die zunehmende Spezialisierung, die auch die Pathologie erreicht habe, sowie über die große Bedeutung des Bereichs Oralpathologie, dem im Gegensatz zu Deutschland in Großbritannien viel Aufmerksamkeit durch eine Vielzahl an Zentren zuteil werde.
Zu seinem Aufgabenbereich gehören histologische Untersuchungen der Mundschleimhaut, Zysten sowie Periimplantitis-Diagnostik. Er zeigte sich kritisch gegenüber der Bürstenbiopsie: „Auf unklaren Stellen lieber nicht herumbürsten, sondern zur Diagnostik an die MKG-Chirurgie überweisen.“ Laut einer DGZMK-Leitlinie würden 40 Prozent aller Bürstenbiopsien nicht korrekt durchgeführt. Nicht nur das Vorgehen, auch die Bürste entscheide über die Zuverlässigkeit des Ergebnisses, hier stellte er Beispiele vor. Bei der Periimplantitis-Therapie gehe es darum, den Biofilm-Kokon zu zerstören, um „an die wirklich pathogenen Keime heranzukommen".
DieNeue Gruppeist eine wissenschaftliche Vereinigung von Zahnärzten mit 150 Mitgliedern vorwiegend aus Deutschland, aber auch aus den Vereinigten Staaten, der Schweiz, Italien, Spanien, Österreich und Holland.