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Medizinstudium: der neue Quotendeal

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Kann man Bewerbern einen Studienplatz für Medizin garantieren, wenn sie sich verpflichten, später in unterversorgten Gebieten zu arbeiten? Ja! lautet das Ergebnis einer Studie des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Aber funktioniert der Deal?

Vorhaben und Ziele:Laut Koalitionsvertrag entwickeln Bund und Länder einen "Masterplan Medizinstudium 2020", mit dem Studienplatzbewerber zielgerichteter auswählt werden und die Allgemeinmedizin gestärkt wird. Doch kann man Studierende, die nach ihrem Abschluss im hausärztlichen Bereich in ärztlich unterversorgten Regionen arbeiten, via Zulassungsverfahren gewinnen?

Wann ist die Quote rechtens?

Wir stellen das Gutachten hier vor. Es klärt, ob und welche rechtlichen Möglichkeiten für eine solche Quote bestehen. Ziel ist zu bewerten, inwieweit diese Quote als Instrument zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung in unterversorgten Gebieten genutzt werden kann.

Juristisch sind Vorabquoten für Bewerber erlaubt, die ihren Beruf dort ausüben wollen, wo öffentlich Bedarf besteht. Grundsätzlich ist es also möglich, eine Quote für künftige Ärzte festzulegen, um regional die Unterversorgung zu beheben. Methodisch gingen die Wissenschaftler nach den Standards rechtswissenschaftlicher Forschung vor.

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Frauen im Nachteil

Gender Mainstreaming:Die Forscher schließen nicht aus, "dass eher Männer von der Einführung einer auf Vorlieben des Arbeitsortes rekurrierenden Quote profitieren". Rund zwei Drittel der Studienanfänger im Fach Medizin sind Frauen. Möglicherweise verschlechtern sich ihre Chancen, weil sie sich in den derzeitigen Auswahlverfahren gegenüber männlichen Mitbewerbern durchsetzen.

Hinzu kommt, dass ländliche Regionen gegenüber Ballungsgebieten schlechter mit sozialen Infrastrukturen, wie Ganztagesbetreuungsangeboten für Kinder, ausgestattet sind. Das wirkt sich typischerweise negativ auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf Frauen aus und macht damit die Tätigkeit als Ärztin in unterversorgten Gebieten unattraktiver.

Ergebnisse, Schlussfolgerung, Fortführung:Eine Vorabquote für angehende Medizinstudierende, die sich verpflichten, sich später in ländlichen Räumen als Hausarzt niederzulassen, lässt sich demnach verfassungskonform ausgestalten. Sie kann einer von mehreren Bausteinen zur Sicherstellung einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung sein.

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Vergütungsanreize, Stipendien, Verbesserung der Work-Life-Balance - alles weniger effektiv.

Zwar beeinträchtigt eine Privilegierung angehender Landärzte bei der Zulassung zum Medizinstudium das Teilhaberecht anderer Bewerber - auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit sei das den Autoren zufolge aber zu rechtfertigen. Zwar kommen anstelle einer Vorabquote andere Maßnahmen in Betracht, die grundrechtlich weniger einschneidend sind, insbesondere: Vergütungsanreize, Stipendien, die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen, die Anwerbung ausgebildeter ausländischer Ärzte. Doch garantieren diese Maßnahmen das Ziel nicht mit der gleichen Sicherheit, erweisen sich also als weniger effektiv.

Angemessen ist die privilegierte Zulassung angehender Landärzte jedoch nur dann, wenn den Bewerbern, die sich dazu nicht verpflichten, eine realistische Chance auf den Zugang zum Medizinstudium verbleibt.

Ein Abkommen auf Kosten der Fachlichkeit?

Ihr Ziel, eine angemessene flächendeckende Gesundheitsversorgung sicherzustellen, erreicht die Vorabquote auch nur dann, wenn die Bewerber ein Mindestmaß der fachlichen Eignung als Landarzt  mitbringen. Die Verpflichtungserklärung darf also kein Tauschgeschäft für eine unzureichende fachliche Eignung sein.

Das geltende Hochschulrecht eröffnet bisher den privilegierten Zugang zum Medizinstudium auf Basis einer Verpflichtungserklärung in Bereichen des „besonderen öffentlichen Bedarfs“. Die Sicherstellung einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung erfüllt diese Voraussetzungen. Um eine privilegierte Zulassung von Ärzten in unterversorgten Regionen zu erreichen, bedarf es entsprechender Änderungen im Landesrecht.

Der Bund als Gesetzgeber darf ein Zuteilungsregime einführen, das die privilegierte Zulassung zum Medizinstudium für künftige Ärzten in unterversorgten Regionen erweitert. Macht er davon Gebrauch, kommt seiner Regelung gegenüber denen der Länder der Vorrang zu. Den Ländern steht aber das Recht zu, eine davon abweichende Regelung zu treffen.

Der normative Freiraum, eine solche Verpflichtungserklärung im Auswahlverfahren zu berücksichtigen, beschränkt sich auf die Vorabquote des § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Hochschulrahmengesetz (HRG). Demgegenüber darf eine Verpflichtungserklärung  gegenwärtig keine Berücksichtigung finden, weil das  dem normativen System des § 32 HRG widerspräche. Dem Gesetzgeber steht es aber frei, die Höhe der Vorabquote im Verhältnis zum gegenwärtigen Recht auszudehnen, solange er dadurch den Zugang zum Medizinstudium (nach Maßgabe der Eignung und zumutbarer Wartezeit) nicht über Gebühr beeinträchtigt.

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Acht bis zehn Jahre gebunden

Da die Verfassungsmäßigkeit einer Vorabquote voraussetzt, dass die bevorzugten Bewerber später tatsächlich zur Sicherung der ärztlichen Versorgung in unterversorgten Räumen beitragen, müssen Instrumente eingeführt werden, die dies sicherstellen. Ein solches Instrument ist eine vorher abzugebende Verpflichtungserklärung. Deren Ausgestaltung muss allerdings dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, weil sie intensiv in die Gestaltung von Lebensentwürfen und die Berufsausübung der Absolventen hineinwirkt.

Daran gemessen, ist eine achtjährige Bindung zu einer späteren Tätigkeit in einem ärztlich unterversorgten Gebiet rechtlich nicht bedenklich; auch eine zehnjährige Verpflichtung dürfte nicht zu beanstanden sein. Die Umsetzung muss den Betreffenden "in einer ihre Grundrechte weitestmöglich schonenden Regelung" ermöglichen, auswählen zu können, in welchem unterversorgten Gebiet sie sich niederlassen wollen. Ihre Verpflichtung besteht also darin, nach Studiumsabschluss binnen einer bestimmten Frist die Zulassung als Vertragsarzt in jenem Gebiet zu beantragen sowie die Antragstellung und gegebenenfalls die erteilte Zulassung der zuständigen Stelle nachzuweisen.

Eine weitergehende Klausel, die der zuständigen Stelle die Befugnis einräumen würde, eine vertragsärztliche Tätigkeit in einem von ihr zu bestimmenden Gebiet anzuweisen, ist mit dem geltenden ärztlichen Zulassungsrecht und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kaum vereinbar. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist geboten, in Härtefällen eine Beendigung der Verpflichtung vor Ablauf der Verpflichtungsdauer zu ermöglichen.

150.000 Euro Vertragsstrafe

Die Sicherung der Verpflichtung, nach Abschluss des Medizinstudiums in einem ärztlich unterversorgten Gebiet tätig zu werden, durch ein Vertragsstrafeversprechen ist zulässig. Gleich wirksame mildere Mittel stehen nicht zur Verfügung. Auf der Grundlage der zur zulässigen Höhe von Vertragsstrafen in den untersuchten Referenzgebieten vorliegenden Rechtsprechung dürfte eine Vertragsstrafe in Höhe von 150.000 Euro nicht die durch das Verhältnismäßigkeitsgebot gezogenen Grenzen übersteigen.

Thema: Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen der Einführung und Ausgestaltung einer Quote zur Sicherstellung der primärärztlichen Versorgung, insbesondere im ländlichen Raum, bei der Zulassung zum MedizinstudiumRessort: Bundesministerium für Gesundheit (BMG)Autoren: Univ.-Prof. Dr. Mario Martini, Univ.-Prof. Dr. Jan ZiekowBeginn: 15. Juli 2015,Ende: 15. Oktober 2015

Literatur

BAUER-SCHADE, STEFAN: Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung. Begriff, Inhalt und Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten mit vertragsärztlichen Leistungen, Berlin 2013GÜNTHER, OLIVER H./KÜRSTEIN, BEATE/RIEDEL-HELLER, STEFFI/KÖNIG, HANS-HELMUT: Analyse von Anreizen für die Niederlassung von Ärzten, in: Fuchs, Christoph/Kurth, Bärbel-Maria/Scriba, Peter C. (Hrsg.), Report Versorgungsforschung, Band 2: Arbeitsbedingungen und Befinden von Ärztinnen und Ärzten, Köln 2009KÜHL, KRISTINA: Sicherstellung ambulanter medizinischer Versorgung in ländlichen Regionen. Bewältigung medizinischer Unterversorgung am Maßstab und mit den Mitteln des Rechts, Ba-den-Baden 2012VOGT, MARTEN: Erleichterter Zugang zum Medizinstudium für künftige Hausärzte in ländlichen Gebieten?, Ergänzung zur Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 051/14, Berlin 2014Umsetzung der Ergebnisse durch das BMGDie Ergebnisse des Rechtsgutachtens sind Grundlage der fachlichen Diskussionen von Bund und Ländern zur Erarbeitung des „Masterplans Medizinstudium 2020“.

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