Mit 67 ist noch lange nicht Schluss

Petra Spielberg
Gesellschaft
"Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an", sang Udo Jürgens damals unbeschwert. Diese Zeiten sind vorbei. Heute halten es Ökonomen für notwendig, dass wir länger als 67 arbeiten. Grund ist der Fachkräftemangel - auch und insbesondere in der Gesundheitswirtschaft.

In der Gesundheitswirtschaft fehlt es nämlich nicht nur an qualifiziertem Nachwuchs. Vielmehr scheiden auch ältere Arbeitnehmer häufig früher aus dem Berufsleben aus und nehmen ihr Fachwissen und ihre Fähigkeiten mit in den Ruhestand. 

Auch die Arbeitnehmer werden immer älter

Aktuellen Berechnungen zufolge wird das Durchschnittsalter der Belegschaften von Betrieben und Unternehmen in den nächsten Jahren stetig steigen. Lag es 1997 noch bei 39 Jahren, werden es 2047 voraussichtlich mindestens 43,5 Jahre sein. Das Arbeitskräftepotenzial insgesamt wird sich zudem bis zum Jahr 2025 um schätzungsweise 6,5 Millionen Erwerbstätige verringern.

Diesen Trend spüren nicht nur Branchen mit körperlich anstrengenden Tätigkeiten, wie die Altenpflege, sondern auch die medizinischen Berufe. „Ältere Erwerbspersonen sind allerdings nicht zwangsläufig weniger leistungsfähig als jüngere. Die Leistungsunterschiede innerhalb einer Altersgruppe sind weitaus größer als diejenigen zwischen den Altersgruppen“, sagt Prof. Dr. Franz Egle, Präsident der Hochschule der Wirtschaft für Management in Mannheim. 

Bald notwendig: Arbeiten ab 67

Auf einer  Diskussionsveranstaltung der Initiative Gesundheitswirtschaft Rhein-Main e.V. in Frankfurt legte der Volkswirt dar, welche Voraussetzungen seiner Meinung nach erfüllt sein müssen, um die Beschäftigungsfähigkeit allgemein und von Älteren im Besonderen zu erhalten und zu steigern. Dabei machte er zugleich deutlich: „Arbeiten ab 67 wird notwendig, ist aber allein bei weitem nicht hinreichend.“

Für die Erwerbsfähigkeit entscheidend seien nämlich - unabhängig vom Alter - in erster Linie Faktoren wie die physische und psychische Gesundheit, Kompetenzen, Wissen, Fertigkeiten, Motivation und Einstellung als auch arbeitsplatzspezifische Anforderungen. Hinzu kämen Kriterien wie die Arbeitsplatzgestaltung, die Arbeitsbelastung, das Verhalten von Vorgesetzten und das Verhältnis zu den Kollegen.

Eine altersspezifische Personalpolitik

Dennoch sei es sinnvoll und erforderlich, mit altersspezifischen Instrumenten der Personalpolitik die Beschäftigungsfähigkeit älterer Mitarbeiter gezielt zu erhöhen, unterstrich Egle. „Dazu gehören insbesondere  Maßnahmen der spezifischen Weiterbildung, altersgemischte Teams sowie die Arbeitsplatzgestaltung“, sagte Egle. „Für Ältere muss das Arbeiten Spaß machen. Sie müssen entsprechend ihrer Talente und Fähigkeiten eingesetzt werden“, so der Volkswirt. 

Ganz wichtig seien Angebote zur Förderung des Gesundheitsschutzes. Derartige Aktivitäten, wie innerbetriebliche Maßnahmen für eine aktive Pausenregelung, Betriebssportinitiativen, Gesundheitschecks, Schulungs- oder Beratungsangebote, Gesprächskreise oder eine finanzielle Unterstützung fänden in den meisten Unternehmen noch viel zu wenig statt, wie aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit zur altersspezifischen Personalpolitik in Betrieben (IAB-Kurzbericht 13/2013) hervorgehe.

„Der Gesundheitsschutz muss eine sehr viel größere Rolle in der Personalpolitik der Unternehmen spielen“, bilanziert der Volkswirt. Aber auch bei den anderen altersspezifischen Personalmaßnahmen gebe es noch einigen Nachholbedarf.

Die Talente der Alten fördern

Laut Dr. Emmanuel Siregar, Geschäftsführer und Arbeitsdirektor der Sanofi Deutschland GmbH, darf sich das betriebliche Talentmanagement nicht nur auf jüngere Arbeitnehmer konzentrieren, sondern muss auch auf ältere Erwerbstätige zugeschnitten sein, um deren Potenzial voll ausschöpfen zu können. Siregar hält es dabei für sehr wichtig, die gezielte Förderung und Einbindung älterer Mitarbeiter mit der gesamten Belegschaft eines Unternehmens zu besprechen.

Dass die Nachfrage nach Präventions- und betrieblichen gesundheitsfördernden Angeboten seitens der aktiv Beschäftigten bei der Bahn-BKK in den letzten Jahren exorbitant stieg, verdeutlichte Hans-Jörg Gittler, Vorstandsvorsitzender der Bahn-BKK, mit rund 680.000 Mitgliedern einer der größten betrieblichen Krankenkassen Deutschlands. „Entsprechende Angebote machen inzwischen 25 Prozent des Umsatzes aus“, sagte Gittler.

Dabei müsse man berücksichtigen, dass ältere Arbeitnehmer andere Fördermaßnahmen brauchen als jüngere. Denn während die Arbeitsverdichtung bei den 40- bis 55-Jährigen zunehmend zu psychosomatischen Störungen führe, seien die Älteren hiervon deutlich weniger betroffen. Sie litten vorrangig unter Herz-Kreislauferkrankungen und anderen klassischen „Alterskrankheiten“. Ältere Mitarbeiter seien außerdem häufiger im Umgang mit neuen Technologien überfordert.

Arbeitsplatz-Switch

Volker Weber, Landesbezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie Hessen/Thüringen regte überdies an, beim Abschluss von Arbeitsverträge darauf zu achten, dass das Arbeitsverhältnis nicht automatisch mit 65 enden muss, wie dies derzeit noch üblich sei. Viele Ältere würden nämlich grundsätzlich gerne länger arbeiten, aber eben nicht unbedingt bei ihrer alten Arbeitsstelle. Auch dies solle man bedenken.

Axel Wintermeyer, Chef der Staatskanzlei und Demografiebeauftragter der Hessischen Landesregierung, forderte, dass sich der Nebenerwerb zur Rente wieder mehr lohnen muss, um Anreize für Ruheständler zu schaffen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.   

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