Neues aus dem Neandertal
Forscher der Universität Tübingen unter Leitung des Geowissenschaftlers Prof. Hervé Bocherens und ein Kollege vom Urgeschichtlichen Museum im französischen Les Eyzies-de-Tayac untersuchten die Knochen von Neandertalern und modernen Menschen, um Rückschlüsse auf deren Ernährung zu erhalten.
Prähistorische Knochen geben Auskunft über die Ernährung
Analysiert wurden dabei die "Isotope" der Knochen. Isotope sind Atome des gleichen Elements mit unterschiedlicher Masse. Die charakteristische Isotopensignatur spiegelt sich auch in der Signatur des Körpers der Konsumenten wider und erlaubt auf den Speiseplan des Trägers.
Fleisch versus Fisch
Frühere Analysen kamen wegen des hohen Anteils schwerer Stickstoffisotope in den Knochen rund 35.000 Jahre alter Vorfahren zu dem Schluss, dass der moderne Mensch auch Fisch gegessen hatte, während sich die Neandertaler dieser Zeit nur von Fleisch großer Landtiere wie Mammut und Bison ernährt hatten.
Erhöhte Werte im Ökosystem
Bocherens stellte jetzt jedoch fest, dass zurzeit der ersten anatomisch modernen Menschen in Südwestfrankreich der Anteil schwerer Stickstoffisotope in den Knochen von sowohl pflanzenfressenden Tieren wie Rentieren, Rothirschen, Pferden und Bisons als auch von Fleischfressern wie Wölfen dramatisch stieg. Die Werte waren im ganzen Ökosystem erhöht, wahrscheinlich aufgrund veränderter Umweltparameter.
„Diese erhöhten Isotopensignaturen spiegeln sich in den Überresten des modernen Menschen aus dieser Zeit natürlich ebenfalls wider“, sagt der Paläobiologe. Deshalb könne man daraus nicht unbedingt schließen, dass sich die Ernährung des modernen Menschen von der des Neandertalers unterschied, es deute vielmehr alles auf einen Wandel der Umweltbedingungen im Gebiet des heutigen Südwesten Frankreichs hin.
Trockenes Klima als Vorteil
Die unterschiedlichen Signaturen deuten somit weniger auf verschiedene Nahrung als vielmehr auf einen Wandel der Umweltbedingungen wie zum Beispiel erhöhte Trockenheit in den Gebieten, in denen sich die anatomisch modernen Menschen aufhielten. Bocherens geht daher davon aus, dass es eher diese Veränderungen waren, die den modernen Menschen einen Vorteil gegenüber den Neandertalern verschafften.
Der biologische Unterschied wird kleiner
Vor kurzem hatte der Wissenschaftler in einer Höhle im nördlichen Kaukasusgebirge Hinweise darauf gefunden, dass Neandertaler auch Fisch gegessen hatten. „Allgemein werden Neandertalern aufgrund neuerer Studien auch immer qualifiziertere Fähigkeiten zugeschrieben. Der biologische Unterschied zwischen den beiden prähistorischen Menschentypen er-scheint immer kleiner“, stellt Bocherens fest. Er geht nicht davon aus, dass kleine Verhaltensunterschiede zwischen den Menschenformen ausreichten, um das Aussterben des Neandertalers und die weltweite Ausbreitung des anatomisch modernen Menschen zu erklären.
Hervé Bocherens, Dorothée G. Drucker, Stéphane Madelaine: Evidence for a 15N positive excursion in terrestrial foodwebs at the Middle to Upper Palaeolithic transition in south-western France: Implications for early modern human palaeodiet and Palaeoenvironment. Journal of Human Evolution, dx.doi.org/10.1016/j.jhevol.2013.12.015