Britische Studie

NHS: Versorgungsdefizite führen zu Paracetamol-Überdosen

mg
Gesellschaft
Wie schnell die Selbstmedikation mit Paracetamol bei Zahnschmerzpatienten zum Problem werden kann, zeigt eine britische Studie - und liefert ein weiteres Indiz für die desolate Versorgungssituation im National Health Service (NHS).

Für eine retrospektive Studie in Großbritannien wurden Patienten in der Notaufnahme eines Universitätskrankenhauses untersucht. Die Frage war, ob Zahnschmerzen zu einer versehentlichen Paracetamol-Überdosis beitragen können. Außerdem wollte man die Kosten und die Belastung für die Sekundärversorgung ermitteln.

Ergebnis: Im Untersuchungszeitraum von Mai 2014 bis April 2016 stellten sich von 436 solcher Fälle in Nottinghams Queen's Medical Center mehr als ein Drittel als versehentliche Überdosierungen dar, die durch eine Selbstmedikation zur Eigenbehandlung von Zahnschmerzen verursacht wurden. Allein die stationäre Aufnahme dieser Patienten kostete das britische Gesundheitssystem NHS umgerechnet mehr als 44.000 Euro.

"Paracetamol ist keine Lösung für Zahnschmerzen!"

Menschenleben seien in Gefahr, wenn sich Patienten selbst behandelten, kommentierte die British Dental Association (BDA) die Studienergebnisse und warnte: "Paracetamol ist keine Lösung für Zahnschmerzen und stellt lediglich eine vorübergehende Maßnahme dar, bis ein Zahnarzt eine Behandlung anbieten kann." Dazu müssten Patienten "am richtigen Ort, zur richtigen Zeit und vom richtigen Team" behandelt werden, so die BDA weiter.

20 Prozent mehr Paracetamol-Tote seit 2012

Und genau hier hapert es offenbar: In der Vergangenheit mehrten sich die Berichte über die anhaltende Unterfinanzierung des Systems, zunehmende bürokratische Hürden für Zahnärzte - und Notfallpatienten, die selbst zur Zange greifen, weil sie keinen Zahnarzttermin bekommen haben. Die BDA forderte darum in ihrer Stellungnahme "die Inbetriebnahme angemessener Notfalldienste" im NH.

Einem Bericht der BBC zufolge werden in Großbritannien jedes Jahr etwa 50.000 Menschen aufgrund einer Überdosierung von Paracetamol ins Krankenhaus eingeliefert. Als Überdosierung stuft das British Medical Journal bei einem Erwachsenen jede Dosis von mehr als 4 g oder 75 mg pro Kilogramm Körpergewicht über einen Zeitraum von 24 Stunden ein. Nach Angaben des Amtes für nationale Statistiken waren 219 Todesfälle im Jahr 2016 mit Paracetamol verbunden, vier Jahre zuvor waren es noch 182.

Die Autoren der Studie erklärten, dass die Gefahren "von Patienten, Zahnärzten oder Hausärzten nicht voll erkannt werden", und forderten mehr Informationen über sichere Paracetamolspiegel sowie eine bessere Notfallversorgung.

L. M. O'Sullivan, N. Ahmed, A. J. Sidebottom: Dental pain management - a cause of significant morbidity due to paracetamol overdose, in: BDJ volume 224, pages 623 – 626 (27 April 2018), doi :10.1038/sj.bdj.2018.264

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