"Realitätsfern und zentralistisch"
zm-online: In welchem Kontext haben Sie die Kritik am GKV-Spitzenverband geäußert - gibt es einen Anlass?
Melanie Huml:Bayern setzt sich schon lange für deutlich mehr regionale Gestaltungs- und Regelungsbefugnisse im Gesundheitswesen ein. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung nach der Einrichtung von GKV-Spitzenverbänden auf Landesebene zu sehen. So hat Bayern 2011 zusammen mit anderen Ländern im Gesetzgebungsverfahren zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) gegenüber dem Bund durchgesetzt, dass in der Bedarfsplanung der Vertragsärzte von den bundeseinheitlichen Vorgaben der Bedarfsplanungsrichtlinie abgewichen werden kann – und zwar dann, wenn dies auf Grund regionaler Besonderheiten erforderlich ist. So ist eine regional angepasste Bedarfsplanung überhaupt erst möglich geworden. Die Selbstverwaltungspartner vor Ort wissen in der Regel deutlich besser, was für eine optimale, regionale Gesundheitsversorgung erforderlich ist, als ein zentralistisches Gremium in Berlin.
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Wenn einzelne GKV-Spitzenverbände in den Ländern etabliert werden sollten - wird dann der GKV-Spitzenverband auf Bundesebene überflüssig?
Für bestimmte Entscheidungen im Gesundheitswesen macht eine gemeinsame Interessen- und Aufgabenwahrnehmung aller gesetzlichen Krankenkassen auf Bundesebene auch weiterhin Sinn. So sollte beispielsweise der allgemeine GKV-Leistungskatalog für Versicherte, an dessen Festsetzung im Gemeinsamen Bundesausschuss der GKV-Spitzenverband Bund mitwirkt, auch zukünftig überall in Deutschland der gleiche sein.
Andere Entscheidungen, die derzeit auch vom GKV-Spitzenverband Bund getroffen werden, sollten hingegen auf Landesebene verlagert werden. Denn dadurch werden Entscheidungen möglich, die auf die konkreten regionalen Bedingungen und Kostenstrukturen zugeschnitten sind - wie etwa bei der Vergütung von Hebammenleistungen oder bei Vorgaben über Festbeträge in der Hilfsmittelversorgung. Gleiches erscheint mir auch für institutionell unabhängige Verfahren zur Preisverhandlung bei neuen Arzneimitteln sinnvoll.
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"Denkbar wäre eine neue Form der Interessensvertretung"
Wer sollte dann die Koordination von Bundesaufgaben des Spitzenverbandes übernehmen?
Eine gemeinsame Interessenvertretung der Krankenkassen auf Bundesebene könnte beispielsweise durch den GKV-Spitzenverband Bund erfolgen – allerdings mit gegenüber dem jetzigen Stand eingeschränkten Kompetenzen. Denkbar wäre aber auch eine neue Form der Interessenvertretung, die sich aus Vertretern der GKV-Spitzenverbände auf Landesebene zusammensetzt.
Wollen Sie zusätzliche Strukturen auf Länderebene schaffen - mit entsprechendem bürokratischen Aufwand?
Wer mich kennt, der weiß, dass ich mich schon seit jeher für möglichst bürokratiearme Lösungen einsetze. Wenn bestimmte Organisationsvorgaben aber bessere, bürgernähere und regional abgestimmte Versorgungsangeboten ermöglichen, dann sind Zusatzaufwendungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger vertretbar. Allerdings wäre bei einer Umsetzung zwingend darauf zu achten, dass sich diese Zusatzaufwendungen ausschließlich auf das absolut Notwendige beschränken.
Vertreten auch andere Bundesländer Ihre Auffassung?
Klar ist: Das Grundforderung nach mehr regionalen Handlungsspielräumen im Gesundheitswesen wird in vielen Bundesländern geteilt. Für die konkrete Forderung nach GKV-Spitzenverbänden auf Landesebene wird Bayern in den nächsten Monaten für politische Unterstützung werben.