Scharfe Speisen lassen die Lippen vibirieren
Würzig, säuerlich, fischig, scharf - beim Geschmack von Speisen und Gewürzen gibt es große Variabilitäten. Dem Szechuanpfeffer wird sogar ein kribbelndes Geschmackserlebnis nachgesagt. Forscher haben nun aufgeklärt, was hinter diesem seltsamen Mundgefühl steckt. Ihren Untersuchungen zufolge erzeugt das asiatische Gewürz tatsächlich Nervenreize, die der Wirkung von physikalischen Vibrationen entsprechen.
Nervenreize auf den Stäbchen
Es ist bereits bekannt, dass bestimmte Bestandteile von Gewürzen Nervenreize erzeugen können, die das Gefühl von Schmerz oder Hitze hervorrufen. In passender Dosierung empfinden dies viele Menschen als angenehm und appetitanregend. Das gilt auch für die das Kribbeln des Szechuanpfeffers - er ist ein beliebtes Gewürz der asiatischen Küche.
Die Substanz, die dem seltsamen Mundgefühl zugrunde liegt, hatten frühere Studien schon identifiziert: Es handelt sich um das sogenannte Hydroxyl-a-sanshool. Dieser Wirkstoff ruft eine ungewöhnliche Nervenaktivität hervor, haben Untersuchungen an Mäusen und Ratten bereits gezeigt. Die Forscher um Nobuhiro Hagura vom University College London wollten nun herausfinden, ob der Wirkstoff tatsächlich Berührungseindrücke vermittelt, wie es die Beschreibung „kribbelnd" vermuten lässt.
Gefühlt vibrierende Unterlippe
Um dies herauszufinden, führten sie Versuche mit 28 Probanden durch, die bereit waren, sich das Gewürz auf die Unterlippe streichen zu lassen. Sie sollten dabei den kribbelnden Effekt mit Vibrationen vergleichen, die ihnen mittels eines Geräts auf die Finger übertragen wurden.
Bei einer Schwingungs-Frequenz, die einer Rate von 50 Mal pro Sekunde entspricht, sagten die meisten Probanden schließlich: „Ja – genau so fühlt sich das an". Den Forschern zufolge belegt dies, dass die sogenannten Meissner-Körperchen durch den Szechuanpfeffer angeregt werden.
Erregung des Tastsinns
Es handelt sich dabei um Tastkörperchen der Haut, die normalerweise auf Druckveränderungen reagieren. Schwankt die Stärke des Tastreizes, wie beisielswewise bei Vibrationen, senden sie entsprechende Signale an das Gehirn. Die Ergebnisse von Hagura und seinen Kollegen zeigen, dass der "Kribbel"-Wirkstoff des Szechuanpfeffers demnach tatsächlich Nervenreize erzeugt, die dem Gehirn ein Gefühl von physikalischer Vibration vermitteln. Statt des Geschmackssinns regt er den Tastsinn an.
Die Studie belegt erneut, wie mannigfaltig die Effekte sein können, die Geschmackseindrücken zugrunde liegen: Nicht nur Empfindungen des eigentlichen Geschmacks- und Geruchssinns machen die Attraktivität von manchen Speisen und Gewürzen aus, sogar Eindrücke des Tast-Systems können Gerichten also den rechten Pfiff verleihen. Originalarbeit: Royal Society, doi: 10.1098/rspb.2013.1680