So entsteht eine LKG-Spalte
„Unsere Ergebnisse liefern neue Einblicke in die Entstehung der Erkrankung, aber auch in die Entwicklung des Gesichts im frühen Embryo insgesamt“, erklärt Dr. Kerstin Ludwig vom Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Bonn.
Neue Einblicke in die Entstehung es Gesichts
Auf mehr als 90 Prozent wird der durchschnittliche Beitrag der Erbanlagen zu dieser häufigen Fehlbildung geschätzt. „Der genetische Beitrag ist komplex“, sagt Ludwig. „Das heißt, es gibt nicht nur ein Gen, sondern eine ganze Reihe von Erbanlagen, die zu der Fehlbildung beitragen."
Die Forscher kombinierten sogenannte genomweite Assoziations-Studien, in denen Risiko-Erbgut-Regionen identifiziert wurden. Dadurch konnten sie auch solche Veränderungen der DNA finden, die das Risiko für die Fehlbildung nur gering erhöhen und die daher in Einzelstudien übersehen werden. „Wir haben auf diese Weise fünf Risikoregionen identifiziert, die vorher unbekannt waren“, sagt Studienleiterin Dr. Julia Welzenbach.
Hintergrund
Allerdings enthalten etwa zwei Prozent der DNA tatsächlich genetische Informationen im Sinne einer direkten Bauanleitung für Proteine. Wozu die restlichen 98 Prozent da sind, beginnt die Wissenschaft gerade erst zu verstehen. „Die 45 Risiko-Regionen, die wir heute kennen, liegen alle innerhalb dieser 98 Prozent, die wir auch als nicht-kodierende Bereiche bezeichnen“, berichtet Welzenbach.
Man weiß aber, dass ein Teil der nicht-kodierenden DNA dazu dient, die Aktivität von Genen zu regulieren. Manche dieser DNA-Bereiche sorgen zum Beispiel dafür, dass ein bestimmtes Gen häufiger oder in bestimmten Geweben abgelesen wird. Man nennt solche regulatorischen Regionen daher auch „Enhancer“ (enhance = steigern). Andere wirken dagegen als „Silencer“ (silence = zum Schweigen bringen) - sie schalten bestimmte Gene ab.
Die Mutationen stören das Aktivitätsmuster der Gene
Vermutlich ändert jede der 45 heute bekannten Mutationen die Wirkung eines Enhancers oder Silencers. Sie stören damit das genau austarierte Aktivitätsmuster der Gene, die für die fehlerfreie Entwicklung des Gesichts eine Rolle spielen. Und diese Störung ist es, die in vielen Fällen zu einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte führt.
Die Störung führt vielfach zur LKG-Spalte
An der Studie waren neben dem Universitätsklinikum Bonn die Universitäten Manchester, Köln, Pittsburgh, Connecticut sowie die Johns Hopkins Universität in Baltimore, die Emory Universität in Atlanta und die Universität von Kantabrien beteiligt.
Julia Welzenbach, Nigel L. Hammond, Miloš Nikolić, Frederic Thieme, Nina Ishorst, Elizabeth J. Leslie, Seth M. Weinberg, Terri H. Beaty, Mary L. Marazita, Elisabeth Mangold, Michael Knapp, Justin Cotney, Alvaro Rada-Iglesias, Michael J. Dixon und Kerstin U. Ludwig: Integrative approaches generate insights into the architecture of non-syndromic cleft lip with or without cleft palate. Human Genetics and Genomics Advances, DOI:https://doi.org/10.1016/j.xhgg.2021.100038https://doi.org/10.1016/j.xhgg.2021.100038