Niederlassungsverhalten in den USA

So gehen junge US-Zahnärzte in den Beruf

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Praxis
In Deutschland arbeiten Zahnärztinnen und Zahnärzte nach ihrem Studium im Durchschnitt sieben Jahre im Angestelltenverhältnis, bevor sie sich niederlassen. Wie sieht es eigentlich woanders – zum Beispiel in den USA – aus?

Überraschung: Auch dort ist der Anteil junger Zahnärzte, die in eigener Praxis niedergelassenen sind, im Laufe der Zeit deutlich zurückgegangen. Neue Daten des ADA Health Policy Institute (HPI) zeigen aber, dass die heutigen Absolventen immer noch Praxisinhaber werden – allerdings viel später in ihrer Berufslaufbahn.

In seinem im Juni veröffentlichten Forschungsbericht „Practice Ownership Trends in Dentistry: A New Look at Old Data“ hat das HPI die Niederlassungsquoten von Zahnärzten in verschiedenen Karriere-Intervallen untersucht. Eingeschlossen waren die Daten von fast 56.000 Zahnmedizinern, die ihr Studium zwischen 1991 und 2020 abgeschlossen hatten. Das HPI befragte sie zu ihrer beruflichen Tätigkeit, der Art der Praxis, zu Kontaktdaten, einer eventuellen Fachzahnarztausbildung sowie dem Eigentumsstatus.

Die Absolventen lassen sich heute mit der Niederlassung Zeit

Danach ist die Praxisinhaberquote in der frühesten Karrierephase – definiert als drei bis sieben Jahre nach dem Studium für die jüngste Absolventengruppe und fünf bis neun Jahre für alle anderen Gruppen – bei Zahnärzten, die zwischen 2011 und 2020 ihren Abschluss gemacht haben, viel niedriger als bei denen, die in den 1990er oder 2000er Jahren mit ihrem Studium fertig wurden.

Zu diesem Zeitpunkt ihrer Karriere besaßen 21 Prozent der Absolventen der Jahre 2016 bis 2020 und 33 Prozent der Absolventen der Jahre 2011 bis 2015 eine Praxis. Im Vergleich dazu waren da 63 bis 70 Prozent der Zahnärzte, die ihr Studium 2010 oder früher abgeschlossen hatten, niedergelassen.

Dieser Unterschied setzt sich auch 10 bis 14 Jahre nach dem Zahnmedizinstudium fort, wobei die Niederlassungquote der jüngeren Absolventenjahrgänge sukzessive sinkt. Während über 80 Prozent der Zahnärzte, die zwischen 1991 und 2005 ihren Abschluss machten, niedergelassen sind, waren es bei den Absolventen von 2006 bis 2010 nur 72 Prozent und bei den Absolventen von 2011 bis 2015 lediglich 58 Prozent.

Chefsessel erst mit 15 Jahren Berufserfahrung Minimum

Der Trend scheint sich jedoch abzuschwächen, wenn die Zahnärzte 15 bis 19 Jahre Berufserfahrung haben. Dann unterscheiden sich die Generationen nicht mehr in Sachen Niederlassung. So besaßen beispielsweise 81 Prozent der Absolventen der Jahrgänge 2006 bis 2010 eine Praxis, verglichen mit 89 Prozent der Absolventen der Jahrgänge 1991 bis 1995.

„Unsere Analyse legt nahe, dass der Trend zur rückläufigen Niederlassung bei jüngeren Zahnärzten vor allem ein Phänomen der frühen Berufsjahre ist“, erläutert Dr. Marko Vujicic, Chefökonom der ADA und Vizepräsident des HPI. „Das heißt, die Niederlassung scheint sich für jüngere Absolventen deutlich zu verzögern, doch letztendlich wird die überwiegende Mehrheit der Zahnärzte Praxisinhaber. Während ‚irgendwann‘ früher für ältere Generationen sehr früh in der Karriere eines Zahnarztes lag, verschiebt sich dieser Schritt heute deutlich weiter in die mittlere und späte Karrierephase. Kurz gesagt: Die meisten Wege führen letztendlich immer noch zur Praxisinhaberschaft.“

Frauen sind übrigens in allen Karrierestufen seltener Praxisinhaberinnen als Männer, insbesondere zu Beginn ihrer Karriere, wo ihre Niederlassungsquote um etwa 16 Prozentpunkte niedriger liegt. In der späten Phase sinkt dieser Abstand auf 8 Punkte.

Dennoch verlaufen die Kurven für Männer und Frauen erstaunlich ähnlich: Die Niederlassungsquoten steigen mit zunehmender Berufserfahrung, und auch der Generationsunterschied zwischen älteren und jüngeren Zahnärzten nimmt ab. Die Kurven der Frauen entsprechen im Grunde denen der Männer – sie sind nur insgesamt nach unten verschoben. Aber auch bei männlichen Zahnärzten ist ein Rückgang zu beobachten.

Warum brauchen junge Zahnärzte so lange bis zur eigenen Praxis?

Dem HPI zufolge gibt es starke Hinweise darauf, dass demografische Faktoren wie Ethnizität und Geschlecht bei der Karrierewahl – einschließlich der Entscheidung für die eigene Praxis – eine Rolle spielen, warum Zahnärztinnen und Zahnärzte heute so lange bis zur Niederlassung warten.

„Da der Anteil nicht-weißer und weiblicher Studierender in der Zahnmedizin in den USA kontinuierlich steigt, könnte dies einen Teil des Rückgangs in der frühen Karrierephase erklären“, mutmaßen die Forschenden: Für sie sind in dem Zusammenhang auch veränderte Präferenzen hinsichtlich der Work-Life-Balance entscheidend.

Sie hielten es es zudem für naheliegend, dass Studienkredite beziehungsweise -schulden bei Zahnmedizinstudierenden ein entscheidender Faktor für sich verändernde Karrierepfade sein könnten. Neue Absolventen könnten wegen finanzieller Belastungen weniger geneigt sein, eine eigene Praxis zu gründen. Tatsächlich sind die Studienschulden in der Zahnmedizin inflationsbereinigt jedoch über die Jahre relativ stabil geblieben.

„Die verfügbaren Daten belegen, dass Studienkredite zwar mit bestimmten Karriereentscheidungen zusammenhängen – das Praxiseigentum gehört aber offenbar nicht zwingend dazu. Hier besteht weiterhin Forschungsbedarf, um widersprüchliche Befunde zu klären“, heißt es in dem Bericht.

„Unsere Analyse zeigt, dass das Jahr 2011 einen Wendepunkt in den Eigentumsstrukturen darstellt“, schreiben die Autoren. „Warum dies so ist, wissen wir nicht. Möglicherweise haben die seitdem eröffneten 15 neuen Fakultäten und die damit verbundene Erweiterung der Studienplatzkapazitäten ein anderes Profil an Studierenden in den Beruf gebracht – mit veränderten Erwartungen und Vorstellungen.“

„Junge Zahnärzte praktizieren heute sehr anders“

In Den USA vollzieht sich in der Zahnärzteschaft ein langsamer, aber stetiger Wandel weg von der Einzelpraxis hin zu verschiedenen Formen von Gruppenpraxen, einhergehend mit einem steigenden Anteil von Zahnärzten, die mit sogenannten Dental Support Organizations (DSOs) verbunden sind. DSOs sind Dienstleistungsunternehmen, die sich um Verwaltung, Marketing und betriebswirtschaftliche Aufgaben der Praxis kümmern, so dass sich die Zahnärzte auf die Patientenversorgung konzentrieren können.

Auch der Prozentsatz von Zahnärzten, die ihre Praxis – ganz oder teilweise über verschiedene Eigentumsformen – besitzen, ist im Laufe der Zeit gesunken. All diese Veränderungen zeigen sich am deutlichsten bei jüngeren Zahnärzten zu Beginn ihrer Karriere. So waren 2024 insgesamt 27  Prozent der Zahnärzte, die weniger als zehn Jahre zahnärztlich tätig sind, mit einer DSO verbunden, gegenüber 24  Prozent im Jahr 2023. Zum Vergleich: Nur 9  Prozent der Zahnärzte, deren Abschluss mehr als 25 Jahre zurückliegt, sind mit einer DSO verbunden.

Ebenso waren im Jahr 2024 nur 15  Prozent der Zahnärzte mit weniger als zehn Jahren Berufserfahrung in einer Einzelpraxis tätig – verglichen mit 48  Prozent bei jenen, die seit mindestens 25 Jahren praktizieren. Beide Werte gehen mit der Zeit zurück. Unter Zahnärzten unter 35 Jahren hat sich der Anteil derjenigen, die Eigentümer einer Praxis sind, in den letzten zehn Jahren nahezu halbiert. Kurz gesagt: Junge Zahnärzte praktizieren heute sehr anders als frühere Generationen.

HPI

Die Niederlassungsquote in den USA

  • Die Niederlassungsquote ist bei den Zahnärztinnen und Zahnärzten in den USA stetig gesunken. Im Jahr 2023 waren 73  Prozent der Zahnärzte Praxisinhaber, verglichen mit 85  Prozent 2005.

  • Sie ist am Anfang der Berufslaufbahn bei Absolventen in den vergangenen Jahren viel niedriger als bei denen, die in den 1990er- oder 2000er-Jahren mit ihrem Studium fertig geworden sind. In den späten Berufsjahren gleicht sich der Anteil jedoch an, was darauf hindeutet, dass die Niederlassung in eigener Praxis für die meisten Zahnärzte das „Karriereziel“ ist. Der Unterschied heutzutage besteht darin, dass der Weg dahin länger dauert.

  • Sie variiert je nach Geschlecht und Alter der Zahnärzte. Am Start der Karriere besteht ein Unterschied von 16 Prozentpunkten zugunsten der Männer im Vergleich zu den Frauen – ein Gap, das sich bis zur späten Karrierephase auf 8 Prozentpunkte verringert.

„Unsere Definition von Praxiseigentum ist relativ breit gefasst und umfasst sowohl das klassische Modell der Einzelpraxis als auch hybride Modelle wie Teilhaberschaften oder Eigenkapitalbeteiligungen an großen Gruppenpraxen“, halten die Forschenden abschließend fest. „Womöglich vollziehen sich derzeit erhebliche Veränderungen in der Bedeutung solcher alternativer Eigentumsformen, die wir mit unserem Datensatz jedoch nicht im Detail nachverfolgen können.“

Vujicic M, Munson B, Morrissey R, Flynn B, Menezes A. Practice Ownership Trends in Dentistry: A New Look at Old Data. American Dental Association. Health Policy Institute. Research brief. June 2025. Available from: www.ada.org/-/media/project/ada-organization/ada/ada-org/files/resources/research/hpi/practice_ownership_trends_dentistry_new_look_old_data.pdf American Dental Association.

Das ADA Health Policy Institute (HPI) führt regelmäßig zwei Umfragen unter US-Zahnärztinnen und -Zahnärzten durch. Der Survey of Dental Graduates (SDG), richtet sich an Absolventen. Die Distribution of Dentists (DOD), wird an die übrige Zahnärzteschaft versendet.

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