So verbessert Kommunikation den Behandlungserfolg
Die Behandlungserwartungen von Patientinnen und Patienten beeinflussen den Erfolg einer Therapie: Positive Erwartungen erhöhen die Chancen für einen besseren Erfolg, negative Erwartungen können diesen mindern und das Auftreten von Nebenwirkungen erhöhen. In der Journal-Serie JAMA Insights – Communicating Medicine empfehlen Forschende aus Hamburg, Marburg und Potsdam evidenzbasierte Kommunikationsstrategien, damit Behandelnde die positiven Erwartungseffekte konkret fördern können.
Erfahrungen und Erwartungen verstehen
Positive und negative Erwartungen, aber auch die Angst vor Nebenwirkungen, können unabhängig voneinander den Behandlungserfolg beeinflussen. Das zeigt eine Analyse von sechs Studien mit insgesamt 748 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Selbst wenn sich der Patient einen hohen Nutzen von der Behandlung verspricht, kann gleichzeitig die Besorgnis, Nebenwirkungen zu erleben, groß sein. Behandler können hier gezielt nach Vorerfahrungen („Erzählen Sie mir von Ihren bisherigen Behandlungserfahrungen“), Erwartungen („Was glauben Sie, wie sehr wird ihnen die Behandlung helfen?“) und Befürchtungen („Haben Sie Angst vor Nebenwirkungen?“) fragen.
„Wir ermutigen jede und jeden im Kontakt mit Patientinnen und Patienten diese Fragen zu stellen, denn nur so können eine individuelle Therapie und unterstützende Kommunikation zugeschnitten auf die persönlichen Ängste und Bedürfnisse erfolgsversprechend eingesetzt werden", rät die Psychologin und Psychotherapeutin Prof. Shedden-Mora.
Patientenbeziehung stärken
Zeigen Ärzte Kompetenz und verhalten sich empathisch, dann beeinflusst auch das den Behandlungserfolg. Nonverbale Signale wie Augenkontakt oder ein bestätigendes Nicken sowie eine gut strukturierte verständliche Kommunikation schaffen Vertrauen. Ein hilfreicher Satz könnte sein: „Wenn Sie sich Sorgen um Nebenwirkungen machen, lassen Sie uns gemeinsam überlegen, was wir bei auftretenden Nebenwirkungen tun können.“ Eine Studie mit 262 Patienten mit Reizdarmsyndrom konnte zeigen, dass deutlich mehr Patienten von einer (Placebo-)Akupunktur-Behandlung profitierten, wenn ihre Ärztin Wärme und Empathie ausstrahlte, als wenn der Kontakt eher sachlich-distanziert gestaltet war.
„Offene Fragen stellen, zuhören und seine eigene Erfahrung betonen, können ein wichtiger Faktor beim Therapieerfolg sein. Jede Ärztin und jeder Arzt sowie jeder Psycho- oder Physiotherapeutin sollten sich der Wirkung ihrer Kommunikation bewusst sein“, betont der Psychologe und Psychotherapeut Prof. Winfried Rief.
Positive Erwartungen fördern
Patienten haben Erwartungen an ihre Behandlung. Positive Annahmen und eine zuversichtliche Perspektive werden unterstützt, wenn Ärzte die persönlichen Ziele ihrer Patienten realistisch bestärken. Dass ein persönlicher Genesungsfahrplan das Gesundwerden fördert, zeigen Studien an Patienten mit Herzoperationen und operativen Eingriffen im Bauchraum. Sie konnten nach Eingriffen am Herzen bis zu 4,5 Tage früher aus dem Krankenhaus entlassen werden, und nahmen nach Bauch-OPs etwa fünf Tage früher ihre normalen Alltagsaktivitäten wieder auf.
Angst vor Nebenwirkungen mindern
Es ist gut belegt, dass Patienten das Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen oft überbewerten und den Nutzen einer Therapie unterschätzen. Wie medizinisches Personal mögliche Nebenwirkungen erklärt, beeinflusst entscheidend die Häufigkeit von Nebenwirkungen. Die ausgewogene Aufklärung in einem positiven Rahmen, wo auch der Nutzen betont und erläutert wird, reduziert die Belastung durch Nebenwirkungen. So berichten in einer klinischen Studie Patienten, die Methotrexat für ihr entzündliches Rheuma erhielten, deutlich weniger Nebenwirkungen, wenn ihnen mögliche Nebenwirkungen als positives Zeichen, dass das Medikament im Körper wirkt, erklärt wurden. Diese Patienten brachen die Behandlung deutlich seltener ab.
Fazit
„Die positive Bedeutung von Kommunikation im therapeutischen Bereich aller Disziplinen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Gleichzeitig werden wir noch viele Erkenntnisse gewinnen müssen, die es uns erlauben, personalisiert, kontextspezifisch und flächendeckend in der Praxis die Erwartungseffekte zum Wohl der Patient:innen zu nutzen“, erklärt die Neurologin und Leiterin der Schmerzmedizin an der Universitätsklinik Essen Prof. Ulrike Bingel. Sie ist Sprecherin des Sonderforschungsbereichs „Treatment Expectation“ und forscht seit Jahrzehnten intensiv im Bereich Placebo- und Noceboeffekte in der Medizin.
Laferton JAC, Rief W, Shedden-Mora M. Improving patients’ treatment expectations. JAMA. Published online June 4, 2025. doi:10.1001/jama.2025.6261