FDP-Bundestagsabgeordneter Dr. Wieland Schinnenburg zum Thema eigene Praxis

Spaß am Behandeln ohne sinnentleerte Tätigkeiten

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Neben einer kaum noch zu überblickenden Vielzahl an Dentalprodukten hatte die diesjährige IDS auch einige interessante Veranstaltungen zu bieten – etwa am letzten Tag der Messe eine Gesprächsrunde mit dem FDP-Bundestagsabgeordneten Dr. Wieland Schinnenburg. Das tragende Motto lautete zwar „Kann ich Chef?“, Moderator Martin Hendges, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KZBV, und die Statements der Veranstalter entlockten dem seit dieser Legislatur im Bundestag sitzenden Hamburger Zahnarzt und Rechtsanwalt jedoch einige interessante Hintergründe und politische Bewertungen zum TSVG und zu Europa.

Trotz der üblichen Ermattung am letzten Messetag schaffte es die Gesprächsrunde, die interessierten Zuhörer – am gemeinsamen Messestand der ZA mit der Zahnärztekammer, der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, dem FVDZ sowie dem Deutschen Zahnärzte Verband aus Nordrhein – zu „fesseln“. Was auch an einem bemerkenswert offen antwortenden Bundestagsabgeordneten lag. Auf die Frage, was denn seine Motivation für das nun bundespolitische Engagement für die FDP sei, antwortete Schinnenburg, der bis Ende 2017 als Zahnarzt tätig war und den Spaß am Behandeln und weniger an der Bürokratie deutlich herausstellte: „Das wahre Leben in den Bundestag bringen und das stete Anwachsen der Bürokratie zu verhindern.“

„Da konnte man das Misstrauen der Politik gegen die Heilberufler spüren“

In seinem Eingangsstatement bezeichnete er das TSVG als ein Gesetz, das tiefes Misstrauen der Politik gegen die Heilberufler atme. Es sei zudem abwegig, mit einem Mehr an bürokratischem Aufwand gleichzeitig die Behandlungszeit steigern zu wollen. Apropos wahres Leben: Schinnenburg berichtete, dass die Abgeordneten weniger als 24 Stunden vor der Abstimmung des TSVG noch 27 Änderungsanträge samt Begründung zu lesen bekamen. „So geht Demokratie nicht, das ist kein seriöser Parlamentsbetrieb“, lautete seine Kritik. Auf die Frage von Ralf Wagner, Vorstandsvorsitzender der KZV Nordrhein, wie man sich dabei fühle, kam die Antwort: „Ich fühle mich dabei schlecht. Ein ganz wunder Punkt, ein Beitrag zur Politikverdrossenheit (!). Die Hektik, die bei diesem Gesetz angewandt wurde, ist dem Parlament nicht angemessen.“ Dass es anders gehe, so der langjährige Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft, zeigten die parlamentarischen Regeln der Hamburger Bürgerschaft, bei der zur Abstimmung anstehende Anträge 13 Tage zuvor den Abgeordneten zur Verfügung stehen müssen. Soweit der Blickwinkel des Parlamentariers.

Die KZBV bewertete diese Situation naturgemäß etwas anders. Hendges lobte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn neben den für die Zahnärzteschaft positiven Regelungen wie Entfall der Degression ausdrücklich für dessen Mut und Bereitschaft, auch kurz vor Toresschluss noch die Regelungen zu den Investoren-MVZ ins TSVG aufgenommen zu haben.

„Zu viel Bürokratie ist ein Mentalitätsproblem“

Doch zurück zur inhaltlichen Klammer „Kann ich Chef?“ beziehungsweise zu der Frage, wie die Niederlassung junger Zahnärztinnen und Zahnärzte gefördert werden kann. Um dazu einen sinnhaften Beitrag zu leisten und übergreifend den jungen Kolleginnen und Kollegen Hilfestellung zu geben, hat man sich in Nordrhein zu einem konzertierten Vorgehen vorgenannter Institutionen entschlossen. Ob nun Ralf Wagner für die KZV, Dr. Johannes Szafraniak für die Kammer, Dr. Angelika Brandl-Naceta-Susic für den DZV, Dr. Christoph Hassink für den FVDZ oder auch Dr. Andreas Jancke für die ZA-Genossenschaft – alle betonten in ihren Statements, dass sie sich gemeinsam und konzertiert für den Berufsnachwuchs engagieren, um einerseits die Hürden für eine Niederlassung so niedrig wie nur möglich zu halten und um andererseits eine patientenorientierte Zahnmedizin zu fördern. Was letztlich nicht nur eine Frage der Finanzen ist, sondern vor allem der Rahmenbedingungen, unter denen der Beruf ausgeübt werden „darf“.

Schinnenburg sah es so: „Bringen Sie die Jungen dazu sich niederzulassen.“ Als Einzelkämpfer‘ sagte er nicht! In der Niederlassung entwickele man eine andere Mentalität, denn man sei für seine Arbeit selbst verantwortlich. Insbesondere sei der Nachwuchs nicht mehr bereit, sinnentleerte Tätigkeiten zu vollbringen. Die eigene Praxis sei definitiv kein Auslaufmodell, allerdings bräuchten die Leute Coaching. Eine Sicht, die auch Szafraniak teilte. Er bezeichnete es als eine irrige Idee, dass immer mehr Dokumentation mehr Sicherheit produzieren würde. Worauf der Bundestagsabgeordnete Schinnenburg anmerkte: „Bürokratie ist die Folge der Misstrauenskultur. Bürokratieabbau erfordert jedoch Mut. Wir müssen lernen, dass auch etwas schiefgehen kann.“ Und er folgerte, dass Bürokratie ein Mentalitätsproblem sei.

„Wenn mir jemand im Mund rumfummelt, möchte ich deutsche Qualitätsstandards“

Apropos Mentalitätsproblem: Wie er als bekennender Europäer denn zu den massiven Aktivitäten, um nicht zu sagen Attacken, der EU auf das in Deutschland für die freien Berufe etablierte Kammersystem stehe? „Soziale Sicherungssysteme sind nicht Aufgabe der EU. Ich wäre vielmehr dankbar, wenn die EU das Kammersystem übernehmen würde. Wenn mir jemand im Mund rumfummelt, möchte ich die deutschen Qualitätsstandards, wofür eben Kammern und KZVen stehen. Mit Blick auf die Qualität haben wir das beste System – und es ist den Schweiß der Edlen wert. Unser schöner Beruf hat dieses Engagement verdient.“

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