Systemische Sklerose erstmals mit Immuntherapie erfolgreich behandelt
Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat eine junge Patientin mit „systemischer Sklerose“ keine schweren Symptomen mehr. Die Frau war zuvor nicht einmal mehr in der Lage, ein Hemd anzuziehen.
„Es ist ermutigend zu sehen, wie neue Ansätze in der Krebstherapie auch bei Autoimmunerkrankungen wie der systemischen Sklerose wirksam sein können. Gerade bei dieser rheumatischen Erkrankung sind bislang die therapeutischen Möglichkeiten sehr begrenzt“, sagte Prof. Dr. Christof Specker, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie e.V. (DGRh), Essen.
Die systemische Sklerose ist eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem des Körpers körpereigenes Gewebe angreift und zu dauerhaften Entzündungen führt, insbesondere der Haut. Diese Entzündungen können zu einer fortschreitenden Vernarbung und Verhärtung des Gewebes führen, was zu erheblichen Einschränkungen der Beweglichkeit und Funktionen der betroffenen Organe führt. Darüber hinaus kann die Auswirkung der Erkrankung auf innere Organe die Lebenserwartung der Patienten stark beeinträchtigen. Seit einiger Zeit gibt es Hinweise von Forschern, dass die sogenannten B-Zellen eine bedeutende Rolle bei dieser Autoimmunerkrankung spielen.
Sobald die B-Zellen aus dem Blut entfernt waren, verbesserten sich die Symptome drastisch
Die 35-jährige Münchner Patientin, die zuvor kaum mehr in der Lage war, sich zu bewegen und sogar Schwierigkeiten hatte, Kleidung anzuziehen, zeigte eine dramatische Verbesserung ihrer Symptome nach einer mehrwöchigen Behandlung mit dem immuntherapeutischen Medikament Blinatumomab. Die Therapie zielte darauf ab, die B-Zellen, die maßgeblich an den Immunreaktionen beteiligt sind, zu eliminieren.
Blinatumomab wird traditionell zur Behandlung bestimmter Leukämieformen eingesetzt und ist ein „maßgeschneiderter“ Antikörper. Dieser bindet sich an das CD19-Molekül auf der Oberfläche von B-Zellen und gleichzeitig an das CD3-Molekül auf der Oberfläche von T-Zellen. Dadurch werden die B-Zellen gezielt zerstört, ohne die T-Zellen zu beeinträchtigen.
Die Behandlung wurde von Prof. Dr. Marion Subklewe, Spezialistin für Immuntherapie, und ihrem Team durchgeführt. Subklewe: „Die Patientin erhielt das Medikament intravenös über mehrere Tage in niedriger Dosierung, gefolgt von höheren Dosierungen.“ Das Ergebnis war erstaunlich: „Sobald die B-Zellen aus dem Blut entfernt waren, verbesserten sich die Symptome der Patientin drastisch“, fasst Prof. Dr. Michael Bergwelt, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III zusammen. Bisher sind keine Nebenwirkungen unter der Therapie aufgetreten, aber: „Wir werden jetzt genau beobachten, wie sich die Therapie auf die Körperabwehr auswirkt und wie stark das Immunsystem durch Blinatumomab beeinträchtigt wurde“, so Prof. Dr. Alla Skapenko, leitende Immunologin in der Sektion Rheumatologie und Klinische Immunologie.
Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops, Leiter der Sektion Rheumatologie und Klinische Immunologie an der Medizinischen Klinik IV und langjähriges DGRh-Vorstandsmitglied, betont: „Wir sollten nicht behaupten, dass die Patientin geheilt ist, aber ihr Zustand hat sich drastisch gebessert.“ Die wegweisende Behandlungsmethode wurde im European Journal of Cancer veröffentlicht und markiert einen Meilenstein in der Therapie der systemischen Sklerose.
Lesen Sie den Fallbericht im European Journal of Cancer.
Application of blinatumomab, a bispecific anti-CD3/CD19 T-cell engager, in treating severe systemic sclerosis: A case study. Marion Subklewe, Giulia Magno, Christina Gebhardt, Michael von Bergwelt-Baildon, Alla Skapenko, Hendrik Schulze-Koops. DOI: doi.org/10.1016/j.ejca.2024.114071.