Versorgung verweigert, Flüchtlingskind tot
Die "Bild"-Zeitung berichtete gestern unter Berufung auf die aus Ghana stammende Mutter, die Verwaltung habe am 10. April die Abweisung mit einem fehlenden Einweisungsschein begründet. Eine Stunde später sei das Baby auf dem Rückweg zur Klinik gestorben.
"Kein Einzelfall"
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht darin keinen Einzelfall und warnt vor weiteren Dramen. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen schlägt Alarm und fordert die Gleichstellung von Asylbewerbern auch bei der Krankenversorgung.
Die Staatsanwaltschaft Hannover hat nach eigenen Angaben eine Obduktion des Kindes angeordnet, die bereits am Montag durchgeführt wurde. Mit dem Ergebnis sei aber wohl erst nach Ostern zu rechnen, sagte Sprecherin Kathrin Söfker. Dann müsse geprüft werden, ob es Hinweise für einen Anfangsverdacht gibt.
Ein Kliniksprecher wollte sich mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht äußern. Er bestätigte NDR 1 Niedersachsen aber, dass am Donnerstagvormittag ein Baby eingeliefert worden war, das nicht mehr wiederbelebt werden konnte. Danach habe die Klinik die Kriminalpolizei eingeschaltet.
Behandlung verweigert
Nach Informationen der "Bild"-Zeitung war die Frau am Donnerstagmorgen mit ihrem einen Monat alten Säugling zur Klinik gefahren, weil er Essen und Trinken verweigerte und stark hustete. Sie habe dort einen Arzt verlangt. Doch am Empfang sei ihr erklärt worden, sie müsse erst eine ärztliche Überweisung vorlegen. Auf dem Weg zu ihrer Kinderärztin atmete der Junge schon nicht mehr.
Völlig unklar ist bisher, ob bürokratische Paragrafenreiterei, Kommunikationsprobleme oder Missverständnisse zu dem tragischen Kindstod führten. "Im Regelfall wird in der Tat ein Einweisungsschein von einem niedergelassenen Arzt für die Einweisung ins Krankenhaus benötigt", erklärte Christoph Prehn von der niedersächsischen Krankenhausgesellschaft. Das gelte aber keinesfalls für Notfälle. Prinzipiell gelte, dass immer ein Arzt über die Aufnahme entscheidet, sagte auch Dorothea Jahns vom Ersatzkassenverband VDEK Niedersachsen.
Eingeschränkte Versorgung für Flüchtlinge
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen weist auf die Risiken durch die eingeschränkte Krankenversorgung für Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge hin. Die gesetzliche Grundlage für Flüchtlinge sehe vor, dass Flüchtlinge nur bei "akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen" behandelt werden dürfen.
"In der Praxis prüft das Sozialamt, ob ein Krankenschein überhaupt ausgegeben werden muss, und stellt dann gegebenenfalls einen Krankenschein aus, der Einschränkungen auch beim Umfang der ärztlichen Versorgung vorsieht", schreibt der Rat in einer Erklärung. Die Verzögerung einer notwendigen medizinischen Behandlung sei daher eher Regel denn Ausnahme - mit allen negativen Folgen.
Tragisches Ergebnis menschlichen Fehlverhaltens
Alexander Ebert von der Deutschen Stiftung Patientenschutz wertet den Vorfall trotz der noch ungeklärten Umstände als Indiz für die zunehmenden Probleme, die Menschen ohne Krankenschutz heute haben. Der Fall in Hannover sei offenbar ein besonders tragisches Ergebnis menschlichen Fehlverhaltens. "Um seltene Einzelfälle handelt es sich jedenfalls nicht", betonte die Stiftung mit Hinweis auf ähnliche Fälle in Baden-Württemberg oder in Bayern, wo gerade der Prozess um ein krankes Flüchtlingskind stattfindet. Obwohl es starke Schmerzen hatte, war ihm im Aufnahmelager Zirndorf ärztliche Hilfe verweigert worden. Auch hier war am Empfang erst die Ausstellung eines Krankenscheins verlangt worden.
Hannovers Kinder- und Jugendkrankenhaus "Auf der Bult", das im Vorjahr 150-jähriges Bestehen feierte, gilt als besonders kompetent bei der Betreuung von Frühgeborenen. Es wurde 1863 von wohlhabenden Bürgern gegründet. Damals kümmerte sich niemand um arme Kinder, die krank wurden: Sie litten und starben, heißt es in der Jubiläumschronik.