Medizin

Verstopfung ist keine Befindlichkeitsstörung

sf/pm
Nachrichten
Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) hat gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) eine Leitlinie zur chronischen Obstipation veröffentlicht.

Etwa 10 bis 15 Prozent der deutschen Erwachsenen leiden laut einer gemeinsamen Mitteilung von DGVS und DGNM unter chronischer Verstopfung. Vor allem Frauen kämpfen mit Blähbauch, Völlegefühl und einer gestörten Stuhlentleerung. Für eine wirksame Therapie empfehlen die Experten die Anwendung eines Stufenschemas: ausgehend von ballaststoffreicher Ernährung reicht der Behandlungsplan über die Einnahme verschiedener Medikamente bis hin zur Operation.

„Die Empfehlung zur Operation ist natürlich die absolute Ausnahme“, erklärt Leitlinienkoordinatorin Dr. Viola Andresen, Oberärztin der Medizinischen Klinik am Israelitischen Krankenhaus, Hamburg. Eine Entfernung des Dickdarms oder der Einsatz eines Darmschrittmachers kämen – wenn überhaupt – nur für wenige Patienten in Frage, die unter der schwersten Form der Obstipation, einer sogenannten Darmlähmung, leiden und denen keine andere Therapie hilft.

Definierte Krankheitssympthome

Eine chronische Obstipation liegt gemäß der neuen Leitlinie dann vor, wenn Patienten seit mindestens drei Monaten unter „unbefriedigender Stuhlentleerung“ leiden und zwei weitere Leitsymptome hinzukommen. Diese können zum Beispiel „starkes Pressen“, „klumpiger harter Stuhl“ oder „subjektiv unvollständige Entleerung“ sein.

Wichtig bei der Wahl der Therapie sei demnach die Unterscheidung zwischen einer mechanisch oder funktionell bedingten Stuhlentleerungsstörung und einer Transportstörung des Darmes. Wobei auch beides gemeinsam vorliegen könne.

Lebensstil überprüfen

Als Basistherapie empfiehlt der Stufenplan zunächst, den Lebensstil zu prüfen: Der Patient sollte auf ballaststoffreiche Ernährung achten, ausreichend trinken und sich regelmäßig bewegen. „Die Ernährung mit Flohsamenschalen und Weizenkleie zu ergänzen, ist sicherlich einen Versuch wert“, erklärt Andresen.

Die Empfehlungen zu Trink- und Bewegungsgewohnheiten hätten allerdings ihre Grenzen: „Mehr als anderthalb bis zwei Liter am Tag zu trinken oder über die Maßen Sport zu treiben, hat nachweislich keinen therapeutischen Effekt“, so die Wissenschaftlerin. 

Medikamentöse Therapie

Führt die Lebensstil- und Ernährungsumstellung nicht zum gewünschten Erfolg, stünden den Ärzten heute eine Reihe von Medikamenten zur Verfügung. Bei Darm-Transportstörungen empfehlen die Autoren der Leitlinie als Mittel der ersten Wahl verschiedene Medikamente aus dem Bereich der klassischen Abführmittel (Makrogol, Bisacodyl, Natriumpicosulfat), die unter anderem dafür sorgen, dass der Stuhl flüssiger und fülliger wird und der Darm dadurch angeregt wird. Diese Präparate könnten auch langfristig eingesetzt werden.

Alternativ kommen Zuckerstoffe oder „Anthrachinone“ in Betracht, während salzbasierte Mittel und Öle aufgrund möglicher Nebenwirkungen weniger empfehlenswert sind. „Nötigenfalls muss der Patient das Präparat wechseln oder eine Kombinationstherapie ausprobieren“, erläutert Andresen. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, ist der Einsatz von Prokinetika sinnvoll. Das sind Medikamente, die direkt im Darmnervensystem die Bewegung des Darmes anregen. Bei Stuhlentleerungsstörungen kommen neben einer gezielten Therapie der Entleerungsstörung unterstützend Abführzäpfchen oder Einläufe zum Einsatz.

Ernsthafte Erkrankung

Mit der Leitlinie ermöglicht die DGVS Ärzten und Patienten eine Behandlung nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. „Unser Anliegen ist es, dass die chronische Obstipation als Erkrankung ernst genommen wird, denn sie geht häufig mit sehr hohem Leidensdruck einher“, erklärt Andresen. „Die verbreitete Auffassung, dass es sich um eine banale – womöglich selbst verschuldete – Befindlichkeitsstörung handelt, ist heute wissenschaftlich widerlegt.“ Literatur:S2k-Leitlinie Chronische Obstipation: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie, Gemeinsame Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) und der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)Z Gastroenterol 2013; 51(7): 651–672, Georg Thieme Verlag, Stuttgart.

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