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Vertrauen in Organspende-Praxis ist erschüttert

eb/dpa
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Der jüngste Transplantationsskandal scheint sich negativ auf die Spendebereitschaft auszuwirken. Ärzte warnen eindringlich vor Kommerz in der Medizin.

Nach dem Transplantationsskandal an der Universitätsklinik Leipzig schwindet das Vertrauen der Deutschen in die Organspende-Praxis. 71 Prozent der Bundesbürger sind demnach davon überzeugt, dass Wohlhabende und Prominente bei der Organvergabe bevorzugt werden. Das ergab eine Emnid-Umfrage mit 500 Menschen im Auftrag der "Bild am Sonntag". 

Die Leipziger Uni-Klinik hatte am vergangenen Dienstag die Manipulationen bei Lebertransplantationen in ihrem Haus öffentlich gemacht. 38 Patienten sollen fälschlicherweise als Dialyse-Fälle geführt worden sein, um sie auf der Warteliste für eine Spenderleber nach oben rutschen zu lassen. Drei Mediziner wurden suspendiert. Sonderprüfer sollen nun Hunderte von Patientenakten prüfen. 

Spendebereitschaft sinkt

Der Umfrage zufolge sind zunehmend weniger Menschen bereit, sich nach ihrem Tod Organe entnehmen zu lassen. So lehnen 37 Prozent inzwischen eine Entnahme ab, 59 Prozent würden spenden. Im August waren noch 61 Prozent der Deutschen zur Spende bereit, nur 34 Prozent sagten Nein. 

87 Prozent der Deutschen fordern härtere Strafen bei Korruption durch Mediziner. Der Vorsitzende des "Verbands der niedergelassenen Ärzte Deutschlands", Dirk Heinrich, hält bestehende Strafmaßnahmen für ausreichend: "Einem korrupten Arzt kann zum Beispiel die Zulassung entzogen werden", sagte er der "Bild am Sonntag". 

Steinmeier fordert Berufsverbot

Nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier dürfen Mediziner, die aus Gewinnstreben gegen Regeln verstoßen, obwohl es um Leben und Tod geht, "unter keinen Umständen mehr praktizieren". Was unter anderem in Leipzig bekannt geworden sei, habe er für undenkbar gehalten, sagte der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion der Zeitschrift "Superillu".

Unterdessen warnten Experten nach dem jüngsten Skandal eindringlich vor falschen wirtschaftlichen Anreizen in der Medizin. Die Medizin müsse weg vom Kommerz, sagte etwa der Präsident der "Deutschen Gesellschaft für Chirurgie", Karl-Walter Jauch, im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung".

Zahl der Transplantationszentren in der Diskussion

Im Magazin "Focus" forderte der Mediziner die Schließung jedes zweiten deutschen Zentrums für Lebertransplantationen. Seiner Ansicht nach sollten nur zwölf statt 24 Kliniken für diese Organverpflanzungen existieren. Der Wettbewerb zwischen den Zentren wirke sich negativ auf die Qualität aus.

Für die aktuell aufgedeckten Betrugsvorgänge macht der Mediziner Jauch auch die Vorschriften bei der Vergabe von Organen, insbesondere Lebern, verantwortlich. Mediziner müssten "den Mut haben, zu sagen, dass man Patienten, die nur mehr eine minimale Chance auf Rehabilitation haben, nicht mehr einer Transplantation unterzieht".

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