"Viele Patienten könnten Krebs früher erkennen"
Was sind künftig die wichtigsten Aufgaben des DKFZ?
Otmar Wiestler:Die Krebsmedizin steht vor zwei großen Herausforderungen: Erstens Behandlungsmöglichkeiten für die Krankheiten zu entwickeln, die wir heute noch nicht erfolgreich therapieren können. Zweitens: Auch im Jahr 2014 wird jeder zweite Patient erst dann auf seine Krebserkrankung aufmerksam, wenn sie schon relativ weit fortgeschritten ist. Da müssen wir die Öffentlichkeit noch sehr viel besser informieren - denn es gibt mittlerweile viele Möglichkeiten der Früherkennung und auch der Prävention von Krebs. Leider machen nur sehr wenige Menschen davon Gebrauch.
Gibt es noch andere Gebiete, auf denen Sie gern weiter wären?
Wir sind in der Krebsmedizin im Jahr 2014 immerhin so weit, dass jeder zweite Patient geheilt werden kann. Das sind bei 500.000 Neuerkrankungen im Jahr immerhin 250.000 Menschen. Vor 40 Jahren lag diese Zahl noch weit unter 30 Prozent. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass jeder zweite Patient an der Krankheit stirbt. Da brauchen wir weitere gezielt wirksame Medikamente. Außerdem müssen wir Behandlungen noch sehr viel besser kombinieren. Und wir müssen mit die Grundlage dafür legen, dass die Behandlung künftig sehr viel individueller gestaltet werden kann.
Wie hat sich denn in der Bevölkerung das Bewusstsein für Krebs in den letzten 50 Jahren verändert?
Krebs zählt nach wie vor zu den Krankheiten, die besonders viel Angst und Schrecken verbreiten. Das hat damit zu tun, dass diese Krankheit in früheren Jahren sehr viel häufiger tödlich verlief. Und auch damit, dass die Behandlung einschneidend ist und erhebliche Nebenwirkungen haben kann. Heute ist es aber so, dass dieses sehr negative Image von Krebskrankheiten bei weitem nicht mehr gerechtfertigt ist: Wir heilen in Deutschland inzwischen jeden zweiten Krebspatienten. Frauen, die heute an Brustkrebs erkranken, haben eine 80-prozentige Heilungschance.
Die öffentliche Wahrnehmung ist also verzerrt?
Wenn wir Krebs mit anderen Krankheiten vergleichen wie zum Beispiel mit der Alzheimer-Erkrankung ist diese öffentliche Wahrnehmung falsch. Eine wichtige Aufgabe ist daher die Aufklärung der Öffentlichkeit über Krebserkrankungen. Die Angst ist insofern berechtigt, als dass immer noch viele Krebserkrankungen ungünstig verlaufen. Es ist aber mitnichten so, dass man mutlos sein sollte.
Otmar Wiestler ist seit 2004 Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg. Der 57 Jahre alte gebürtige Freiburger studierte Medizin und forschte später unter anderem in San Diego (USA) und Zürich (Schweiz).
Das Interview führte Christine Cornelius, dpa.