Sie wurden erfolgreich abgemeldet!

KVB kontra MVZ-Betreiber

Was geht in iMVZ vor?

ck
Politik
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) berichtet über „erschütternde“ Zustände in Investoren-getragenen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Der Bundesverband der Betreiber medizinischer Versorgungszentren (BBMV) weist die Vorwürfe als „Scheindebatte“ zurück.

In ihrem Mitgliedermagazin „KVB Forum“ bezeichnet die KVB in einer aktuellen Titelgeschichte „Kasse machen für Private Equity?“ die steigende Beteiligung von Private-Equity-Gesellschaften an Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) als Gefahr für die Patientenversorgung. Ihre Analyse des Medizinmarkts zeige „einen tiefgreifenden, ja dramatischen Wandel“.

Arztpraxen: von Versorgungsstätten zu Finanzprodukten

In Bayern waren demnach 2024 fast 40 Prozent aller MVZ in der Hand privater Betreiber, darunter etwa 20 Prozent direkt unter Kontrolle von Private-Equity-Fonds – Tendenz steigend. Erstmals hätten damit Finanzinvestoren in relevantem Umfang die Kontrolle über medizinische Einrichtungen, deren primärer Zweck eigentlich die Patientenversorgung sein sollte. „Die aggressiven Renditeziele – gepaart mit dem kurzen Anlagehorizont von oft nur fünf bis sieben Jahren – transformieren Arztpraxen faktisch von Versorgungsstätten zu Finanzprodukten“, heißt es wörtlich in dem Bericht.

„Hohes Abrechungsvolumen, hoher Bonus – so läuft das.“

Aussage der interviewten Hausärztin zu ihren Erfahrungen aus der Zeit als Angestellte in einem hausärztlichen iMVZ in Bayern

Dabei richte sich die Analyse nicht per se gegen das Konzept der MVZ an sich: Viele von ihnen – ob in ärztlicher, gemeinnütziger oder auch investorengetragener Trägerschaft – leisteten einen wichtigen Beitrag zur ambulanten Versorgung. „Im Fokus stehen hier problematische Entwicklungen, wie sie bei iMVZ unter Kontrolle von Private-Equity-Gesellschaften auftreten können, etwa durch kurzfristige Renditeziele oder stark finanz-marktorientierte Steuerungslogiken.“ Ziel sei, gerade hier potenzielle Fehlentwicklungen zu benennen und eine Diskussion über geeignete Rahmenbedingungen anzuregen.

Denn die beherrschende Rolle von PE sei den Autoren zufolge schlussendlich ein großes Risiko für die Versorgung: Erstens drohe eine schleichende Zwei-Klassen-Medizin. Zweitens könnte es zu finanziellen Schieflagen bis hin zu Insolvenzen ganzer Praxisketten kommen, sollten Investoren ihre Renditen nicht erreichen oder die Konjunktur einbrechen. Und drittens stünden die ärztliche Freiberuflichkeit und Unabhängigkeit auf dem Spiel.

„Die Entwicklung schreit förmlich nach einer entschlossenen Regulierung!"

„Die Entwicklung schreit förmlich nach einer entschlossenen Regulierung, bevor unwiderruflich Tatsachen geschaffen werden. Die Politik ist am Zug, klare Leitplanken zu setzen, damit die ärztliche Versorgung auch in Zukunft dem Patientenwohl dient – und nicht primär den Interessen anonymer Kapitalgeber“, fordern die Autoren abschließend.

Untermauert wird die Titelstory durch zwei anonymisierte Interviews mit einem Augenarzt und einer Hausärztin. Beide arbeiteten demnach mehrere Jahre in einem von Investoren geführten augenärztlichen beziehungsweise hausärztlichen MVZ in Bayern. Patienten mit sehr guter Sehstärke landeten dem Augenarzt zufolge auf dem OP-Tisch; beim Ausstieg habe man ihm gedroht, „seinen Ruf zu zerstören“ und ihn „fertigzumachen“: „Das Ziel war, möglichst viele Patienten, möglichst schnell und mit möglichst vielen abrechenbaren Leistungen durchzuschleusen.“ Die Ärztin gab an, dass pro Termin insbesondere für Jüngere im Normallfall nur zehn Minuten anberaumt worden seien: „Ältere Patienten oder Chroniker, die mehr Behandlungszeit benötigen, wurden vorher schon ausgesiebt.“

Stimmungsmache?

Der BBMV wirft der der KVB nun in einem offenen Brief Stimmungsmache vor. Die Berichterstattung wirke „durch ihre einseitige und negativ konnotierte Darstellung“ unausgewogen, heißt es in dem Schreiben vom 18. September. So suggeriere der Beitrag, dass iMVZ die Versorgung strukturell negativ beeinflussen würden, obwohl es dafür keine Evidenz gebe.

„Als wir für bestimmte Indikationsstellungen Prämien bekommen sollten, war für mich das Maß voll. Das ist nämlich schlicht verboten.“

Aussage des interviewten Augenarztes zu seinen Erfahrungen aus der Zeit als Angestellter in einem augenärztlichen iMVZ in Bayern

Während bei iMVz rasch der Eindruck eines strukturellen Problems heraufbeschworen werde, würden vergleichbare Fälle bei Vertragsärzten nicht thematisiert oder öffentlich gemacht. „Dieses Ungleichgewicht lässt den klaren Eindruck entstehen, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird und gezielt eine Agenda gegen MVZ-Gruppen vefolgt wird.“

„Eine seriöse Berichterstattung hätte beide Perspektiven berücksichtigen und so ein ausgewogenes Bild ermöglichen müssen“, meinen die BBMV-Vorsitzende Sibylle Stauch-Eckmann und Verbandsgeschäftsführerin Alexandra Gutwein, die den Brief unterzeichnet haben.

Die KVB legt nach

Die KVB erneuerte indes heute ihre Vorwürfe: Hunderte Arztpraxen seien allein in den vergangenen Jahren in Bayern von Private-Equity-Gesellschaften aufgekauft und in größere Ketten überführt worden, mit dem Ziel der Gewinnmaximierung und aggressiven Erwirtschaftung von Renditen. „Diese nie da gewesene Entwicklung alarmiert die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, die Bayerische Landesärztekammer, den Bayerischen Hausärztinnen- und Hausärzteverband, den Dachverband Bayerischer Fachärztinnen und Fachärzte, den Sozialverband VdK Bayern sowie den Verband medizinischer Fachberufe“, teilt die KVB mit.

Gefordert wird diese Regelementierung für iMVZ

Das fordern die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, die Bayerische Landesärztekammer, der Bayerische Hausärztinnen- und Hausärzteverband, der Dachverband Bayerischer Fachärztinnen und Fachärzte, der Sozialverband VdK Bayern und der Verband medizinischer Fachberufe:

  • Stärkung der ärztlichen Unabhängigkeit: Schutz der Therapiefreiheit vor sachfremden Einflüssen

  • Transparenz und Kennzeichnungspflicht: Gewährleistung der freien Arztwahl

  • Verhinderung von Monopolstellungen: Erhalt einer pluralen Versorgungslandschaft

  • Stärkung der selbstständigen Freiberuflichkeit: Vorfahrt für die Niederlassung

  • Stärkung der Kassenärztlichen Vereinigungen: Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten bezogen auf Eigeneinrichtungen

  • Rechtliche Gleichstellung: Anwendbarkeit der Disziplinarordnung der KV für MVZ-Rechtsträger

  • „Eignungsprüfung“ durch die Zulassungsgremien: Prüfmaßstab ist, ob das MVZ fähig ist, eine ordnungsgemäße Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu gewährleisten.

  • Verbot von Private-Equity-Übernahmen: Unterbindung des fremdkapital-getriebenen Aufkaufs von Praxen

  • MVZ in Händen von Vertragsärztinnen und -ärzten: Die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte stehen Ärzten zu.

Berichte von Ärztinnen und Ärzten, die in MVZ mit PE-Beteiligung gearbeitet haben, seien regelrecht erschütternd: „Sie konnten sehen, wie gesunde Patientinnen und Patienten auf dem Operationstisch landeten, Prämien für gewünschte Indikationen bezahlt und wie ganze Patientenkreise, insbesondere chronisch Kranke, aufgrund ausschließlich ökonomischer Logiken „aussortiert“ wurden und wie Hausbesuche in einem solchen Umfeld kaum noch stattfinden.“

Die Politik müsse nun endlich Worten Taten folgen lassen und klare Reglementierungen für iMVZ einführen.

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.