Was ist da los in Fulda, Herr Dr. Wingenfeld?
Hintergrund
Hessen könnte nach Frankfurt, Marburg und Gießen einen vierten Standort bekommen, an dem künftige Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner ausgebildet werden. Die KZV Hessen und auch die politische Opposition begrüßen das Projekt. Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld (CDU) stellte im Oktober vergangenen Jahres erstmals seine Pläne vor: Er könne sich vorstellen, in Fulda eine Universität in kommunaler Trägerschaft aufzubauen, sagte er damals laut einem Bericht der Fuldaer Zeitung vor den Stadtverordneten. „Leider gibt es im Bereich der Zahnmedizin Probleme, die angepackt werden müssen."
Wingenfeld schwebt vor, nach dem avisierten Start der Fuldaer Zahnmedizin-Universität 2027 zwei Jahre später auch eine Zahnklinik zu schaffen, in der bis zu 55 Zahnärzte in der Versorgung tätig sein sollen. Er rechnet damit, dass die Klinik so rund 15 Prozent zusätzliche Behandlungskapazität in der Region schaffen könnte. Ende 2024 waren im Landkreis und in der Stadt Fulda 89 Praxen gemeldet, davon acht mit Schwerpunkt KFO. Insgesamt 101 Zahnärztinnen und Zahnärzte waren zum Stichtag Inhaberinnen beziehungsweise Inhaber einer Praxis, 42 angestellt. Fünf Zahnarztpraxen in der Region suchten einen Nachfolger, meldet die KZV Hessen. Sie weist drauf hin, dass der derzeitige hessische Bedarfsplan aktuell keine zahnärztlich unterversorgten Gebiete ausweist, erwartet aber, dass der Versorgungsgrad in den kommenden Jahren sinken wird (zm berichtete).
Zu dem in zm 11/2025 erschienenen Artikel „Eine Chance für Fulda?“ geht es via QR-Code oder über den Link bit.ly/Zahnuni_Fulda.
Herr Dr. Wingenfeld, die Projektphase für den Zulassungs- und Akkreditierungsprozess läuft noch. Wie ist der aktuelle Stand?
Dr. Heiko Wingenfeld: Der Antrag auf staatliche Anerkennung der neuen Hochschule wurde bereits beim Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur eingereicht. Das Ministerium führt derzeit die Prüfphase durch. Nach Abschluss dieser Prüfung ist geplant, den Antrag im Juli an den Wissenschaftsrat weiterzuleiten. Parallel dazu wird die Trägergesellschaft gegründet, die die zukünftige, universitätsgleichgestellte Hochschule betreiben wird. Gesellschafter werden die Stadt Fulda und das Klinikum Fulda sein.
Sie haben die Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane explizit als Vorbild genannt. Unterstützt die MHB Ihr Projekt?
Ein Erfahrungsaustausch mit der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane als auch weiteren Universitäten hat bereits stattgefunden. Eine formalisierte Unterstützung im Sinne einer institutionellen Partnerschaft besteht derzeit noch nicht, jedoch wurde Interesse an einem weiteren Austausch signalisiert.
Inwieweit ist die KZV Hessen in die Planung eingebunden?
Sowohl die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) Hessen als auch die Landeszahnärztekammer (LZK) Hessen sind aktiv in die Planungen zur Etablierung eines zahnmedizinischen Studienangebots in Fulda eingebunden. Das Projekt wurde unter anderem im Rahmen einer gemeinsamen Sitzung beider Institutionen in Fulda vorgestellt und fand dort die ausdrückliche Unterstützung. Die KZV bewertet das Vorhaben als wichtigen Beitrag zur langfristigen Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung in der Region.
Wie groß wird Fuldas einmalige Anschubfinanzierung sein müssen und wie hoch die jährliche Position im Haushalt? Gibt es hierfür schon eine politische Mehrheit?
Die konkreten Summen für eine mögliche Anschubfinanzierung sowie für etwaige jährliche Haushaltspositionen befinden sich derzeit noch in der Prüfung. Ein Förderbedarf hängt maßgeblich von der weiteren Ausgestaltung des Finanzierungsmodells, der konkreten Planung des Geschäftsbetriebs und den steuerlichen Rahmenbedingungen ab. Eine abschließende politische Abstimmung der städtischen Gremien zur Anschubfinanzierung ist daher zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erfolgt. Allerdings besteht in der Stadtverordnetenversammlung ein grundsätzlicher Konsens, das Projekt zu unterstützen.
Geplant ist, dass die Universität mit der angeschlossenen Zahnklinik etwa ab dem achten Jahr Gewinne erwirtschaftet. Worauf fußt diese Kalkulation und wie sieht sie aus?
Die zugrunde liegende Wirtschaftsplanung für die neue Hochschule, einschließlich der Perspektive einer wirtschaftlichen Tragfähigkeit, wird derzeit gemeinsam mit einem spezialisierten Beratungsbüro entwickelt. Grundlage der bisherigen Annahmen sind unter anderem erwartete Einnahmen aus Studiengebühren sowie Überlegungen zur langfristigen Refinanzierung über den laufenden Betrieb der Zahnklinik.
Es heißt, dass das Ende 2021 von der Stadt gekaufte „Kerber-Areal“ in zentraler Innenstadtlage als Standort in Betracht kommt. Was zeichnet die zuletzt gewerbegenutzte Immobilie aus? Wie umfangreich werden die baulichen Maßnahmen sein?
Ja, die Umsetzung des Campus ist in zentraler Innenstadtlage vorgesehen. Das Kerber-Areal wird dabei weiterhin als Standort geprüft und in die konkreten Planungen einbezogen. Seine zentrale Lage, die gute Erreichbarkeit und die städtebauliche Integration machen das Areal grundsätzlich gut geeignet für einen modernen Hochschul- und Klinikstandort. Unabhängig vom finalen Ort sind bauliche Maßnahmen notwendig, um eine zeitgemäße Infrastruktur zu schaffen, die den hohen Anforderungen einer modernen Hochschule mit Zahnklinik gerecht wird – mit dem Ziel, einen leistungsfähigen und zugleich attraktiven Studienort mit hoher Ausbildungs- und Aufenthaltsqualität zu etablieren.
Sind Kooperationen mit den Universitäten Frankfurt, Gießen und Marburg geplant?
Derzeit bestehen noch keine konkreten Kooperationsvereinbarungen mit staatlichen Universitäten. Allerdings werden mögliche Formen der Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen – etwa in Lehre und Forschung – ausgelotet. Ob und in welchem Umfang solche Kooperationen zustande kommen, hängt vom weiteren Projektverlauf ab.
Warum braucht es überhaupt eine zusätzliche Universität in Fulda – wäre eine Aufstockung der bestehenden Strukturen an den Universitäten Frankfurt, Gießen und Marburg um knapp 20 Prozent nicht sinnvoller?
Der demografische Wandel mit steigenden Versorgungsanforderungen, einer alternden Bevölkerung sowie der zunehmende Mangel an medizinischem Fachpersonal erfordern vorausschauende und innovative Bildungsansätze – und zusätzliche Studienkapazitäten. Zwar wäre eine Erweiterung der Studienplätze an bestehenden staatlichen Universitäten grundsätzlich erstrebenswert. Allerdings sehe ich derzeit keine entsprechenden Initiativen der Bundesländer. Vor diesem Hintergrund wird mit der neuen Hochschule eine neue, gemeinnützige Hochschule gegründet, die auf universitärem Niveau ausbildet, forscht und einen konkreten Beitrag zur langfristigen Sicherung der medizinischen Versorgung leistet – insbesondere dort, wo staatliche Strukturen nicht weiter ausgebaut werden können.
Sind Stipendienprojekte geplant, um Absolventen in der Region zu halten? Wenn ja, wie könnten diese aussehen?
Ja, der Aufbau eines Stipendiensystems ist vorgesehen. Ziel ist es, auf diesem Wege talentierte Absolventinnen und Absolventen an die Region zu binden. Denkbar ist auch, dass sich Kommunen und Landkreise mit eigenen Stipendienprogrammen beteiligen, um den regionalen Fachkräftebedarf aktiv mitzugestalten. Vergleichbare Modelle werden bereits erfolgreich in anderen Teilen Deutschlands praktiziert.
Das Gespräch führte Marius Gießmann.