Kolumne

Was uns Nagerzähne alles verraten

mg
Nachrichten
Es war also zu schön, ja zu einfach, um wahr zu sein: In der Evolution des Menschen haben sich Gehirn und Zähne wohl doch nicht abhängig voneinander entwickelt. Bis dahin galt in Forschungskreisen: Wächst das Gehirn, schrumpfen die Zähne – und umgekehrt.

Dank der Forschungsarbeit von Aida Gómez-Robles und ihrem Team der George Washington University darf nun der bisherigen Annahme widersprochen werden. Nach dem Studium von acht verschiedenen Frühmenschen aus den Gruppen Australopithecus, Paranthropus und Homo steht fest: die Größenentwicklung des Gehirns erfolgte sprunghaft, die der Zähne vergleichsweise gleichmäßig. Daran möchte ich zweifeln.
Beguckt man sich jüngere Forschungsergebnisse, die für Zahnärzte eine Rolle spielen, bleibt nur zu hoffen, dass nicht nur die Gehirngröße, sondern auch die Reflexionsfähigkeit der gemeinen Laborratte enge Grenzen hat. Nur so bleibt dem Nager die Sinnlosigkeit seines aufopferungsvollen Tagewerks auf immer verborgen. Dann wäre es halb so schlimm, wenn hunderte der unfreiwilligen Probanden bis zu ihrem jähen Ende durch Titandioxid – einen Inhaltsstoff von Zahnpasta ­- verursachte Tumore im Darm spazierentragen, nur damit die Presseabteilung eines Herstellers die Übertragbarkeit der Studienergebnisse auf den Menschen mit einer einzigen rundgelutschten Formulierung negiert.  
Dieselbe Schnoddrigkeit legte jüngst auch der Zentralverband der Elektroindustrie (ZVEI) an den Tag, wenn es um Erkenntnisse zur photochemischen Toxizität, sprich dem Netzhautschädigungspotenzial, des blauen Lichtanteils von LED geht, die daheim oder in Büro und Praxis so toll Strom sparen. Augen von Ratten seien „besonders empfindlich und daher für solche Versuche nicht geeignet“, schreibt die Presseabteilung in einer knappen Stellungnahme. Vielleicht ist dem Forscherteam der französischen staatlichen Forschungseinrichtung Inserm hier ein Lapsus unterlaufen. Und vielleicht hat Dr. med. Georg Eckert, Sprecher des Bundesverbands der deutschen Augenärzte – der sehr wohl eine Übertragbarkeit der Ergebnisse sieht – nach den Studentenpartys der wilden 1970er Jahre - ein paar entscheidende Vorlesungen verschlafen.
Vielleicht konnte der Autor in seinem ZVEI-Büro aber auch nur kurz die Hände lösen und ein paar schnelle Zeilen per Email versenden, um anschließend wieder seinen von riesigen Molaren schweren Kopf stützen zu müssen.

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