Interview mit Stefan Zimmer

"Wenn, dann lieber Süßstoff als Zucker!"

sf
Zahnmedizin
Die Verbraucherorganisation foodwatch hat herausgefunden, dass mehr als jedes zweite „Erfrischungsgetränk“ in Deutschland überzuckert ist. Was sagen die Experten der "Aktion zahnfreundlich" dazu? zm hat nachgefragt.

Der Verein "Aktion zahnfreundlich e.V." hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Öffentlichkeit über Zusammenhänge zwischen Ernährung und Zahngesundheit zu informieren. So hat der Verein in Deutschland über 100 Produkte namhafter Marken mit dem Zahnmännchen ausgezeichnet. Prof. Dr. Stefan Zimmer, Leiter der Abteilung für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin an der Universität Witten-Herdecke ist der Vorsitzende des Vereins.

Prof. Zimmer, die Verbraucherorganisation foodwatch fordert

, dass die Bundesregierung Getränkehersteller,  mit einer Zucker-Abgabe in die Pflicht nimmt (zm-online: "foodwatch fordert Zucker-Abgabe"). Wie bewerten Sie das?

Prof. Stefan Zimmer:

Das ist eher eine politische Frage. Inhaltlich sage ich, alles, was zu viel Zucker enthält ist schädlich, nicht nur, was die Zähne angeht, sondern auch, was Adipositas und Diabetes betrifft. Insofern ist es eine sinnvolle Aktivität, dass für dieses Thema sensibilisiert wird. foodwatch hat in der Untersuchung festgesetzt dass Getränke mit als fünf Prozent Zuckeranteil zu viel Zucker beinhalten, weil man das in Großbritannien so macht. Das ist nicht unbedingt eine Grenze, die zahnmedizinisch relevant ist, weil man weiß, dass auch Konzentrationen unter fünf Prozent die Zähne schädigen können. Aber sicherlich sind fünf Prozent besser als 12 oder 13 Prozent, wie in einer normalen Cola.

Das Gros der zuckerfreien Getränke in der Untersuchung enthielt Süßstoffe. Wie schlecht sind die für die Zähne?

Süßstoffe sind aus zahnmedizinischer Sicht erst mal nicht kritisch zu bewerten, weil sie keine Karies verursachen. Aber die Kritiker sagen natürlich, man sollte lieber versuchen, seinen Geschmack nicht so sehr auf süß zu polen. Süßstoff ist einfach nur ein Substitut für Menschen, die nicht auf süß verzichten können. Die Organisation foodwatch unterstellt, dass auch Süßstoffe dazu führen, dass es zu einer Gewichtszunahme kommt. Das ist allerdings nicht der Fall.

Dazu gibt es eine sehr aktuelle Studie aus dem International Journal of Obesity, die kürzlich gezeigt hat, dass man durch den Einsatz von Süßstoff statt Zucker seine Energieaufnahme reduzieren kann und das hat tatsächlich auch einen reduzierenden Einfluss auf das Körpergewicht. Also auf jeden Fall lieber Süßstoff oder ein Zuckeraustauschstoff, wie etwa Isomalt oder Sorbit, als Zucker.

Warum süßt die Getränkeindustrie so massiv mit Zucker?

Schwer zu sagen. Üblicherweise sind das Preisgründe. Und Zucker schmeckt eben gut, während Süßstoffe geschmacklich oft eher ein bisschen problematischer sind. Natriumsaccharin schmeckt vielen nicht, genauso wie Stevia. Am besten schmeckt sicherlich Zucker und er ist auch preisgünstig. Aber man muss auch sagen, das die Getränkeindustrie schon auch auf Süßstoff setzt, auf Aspartam, was insbesondere in der Cola enthalten ist.

Und gibt es Getränke, die von der "Aktion zahnfreundlich" empfohlen werden?

Es gibt immer mal wieder Ansätze für zahnfreundliche Getränke, zum Beispiel Tees. Es gibt auch einen Kindertee, der zahnfreundlich getestet ist. Bei Softdrinks tun sich die Hersteller aber schwer. Es ist nicht schwierig, einen Softdrink herzustellen, der zuckerfrei ist. Aber, die Softdrinks sind alle sauer. Und ein Produkt, dass das Zahnmännchen tragen will darf nicht nur keine Karies verursachen, sondern auch keine Erosionen und daran scheitern die Produkte.

Ein Getränk, was keine Säure enthält, schmeckt wiederum fad. das lässt sich offensichtlich kaum vermarkten. Aus zahnmedizinischer Sicht ist mir Cola light tausendmal lieber, als zuckerhaltige Cola, weil erstere keine Karies erzeugt, Und die Erosion ist das deutlich kleinere Problem. Natürlich ist es aber von vornherein besser, man trinkt Wasser, weil es einfach das beste Getränk zum Durst löschen ist, gar keine Frage. Aber wenn man gern etwas süßes trinken möchte, dann lieber mit Süßstoff, als mit Zucker.

foodtwatch hat in einer "Marktstudie" den deutschen Markt der sogenannten Erfrischungsgetränke umfassend untersucht und dafür alle entsprechenden Produkte aus dem Sortiment der drei größten Handelsketten unter die Lupe genommen. Getestet wurden demnach Limonaden, Energy Drinks, Saftschorlen, Brausen, Eistees, Near-Water-Getränke und Fruchtsaftgetränke. 274 von insgesamt 463 Produkten enthalten demnach mehr als 5 Prozent Zucker. In Großbritannien müssen Hersteller ab dieser Grenze eine Abgabe zahlen. In Deutschland gibt es so etwas nicht.

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