Oberlandesgericht Hamm

Wer den ärztlichen Rat ignoriert, verwirkt mögliche Entschädigungen

sg/pm
Praxis
Wer als Patient gegen den ärztlichen Rat handelt, verwirkt auch bei Behandlungsfehlern die Beweislastumkehr und damit mögliche Entschädigungen, urteilte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm.

Mit einer Entscheidung zur Beweislastumkehr hat das Gericht die Mitwirkungspflicht des Patienten zur Wiederherstellung seiner Gesundheit in Erinnerung gerufen: Auch nach einem groben ärztlichen Behandlungsfehler kann die damit verbundene Beweislastumkehr entfallen, wenn ein Patient entscheidende ärztliche Empfehlungen missachtet, so eine mögliche Mitursache für den erlittenen Gesundheitsschaden setzt und dazu beiträgt, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann.

Dem Urteil lag folgender Fall zugrunde: Als Alleinerbin ihres im März 2015 im Alter von 45 Jahren verstorbenen Ehemanns verlangte die Klägerin von einer beklagten Klinik Schadensersatz wegen einer behaupteten fehlerhaften Behandlung ihres Mannes vor seinem Tod. Im Einzelnen wollte die Klägerin 2.000 Euro Schmerzensgeld, etwa 4.550 Euro Beerdigungskosten sowie Unterhalt für sich und die 1997 und 2002 geborenen Kinder in Höhe von monatlichen mindestens 5.000 Euro einklagen.

Der Patient hatte die Klinik eigenmächtig verlassen

Zuvor war der Ehemann durch dessen Hausarzt wegen des Verdachts auf eine "instabile Angina pectoris" im Februar 2015 in das Krankenhaus der Klinik eingewiesen worden. Dort bestand zudem der Verdacht einer koronaren Herzerkrankung. Doch nach ersten Untersuchungen verließ der Mann wenige Tage später gegen den ärztlichen Rat das Krankenhaus.

Tage später riet ihm der Hausarzt erneut zu einer dringenden Krankenhausbehandlung und wies ihn mit der Diagnose "Angina pectoris" in ein anderes Krankenhaus ein. Dort stellte sich der Ehemann aber nur vor und vereinbarte lediglich einen späteren Termin zur kardiologischen Abklärung. Eine unmittelbare stationäre Aufnahme lehnte er ab. Noch vor dem vereinbarten Termin verstarb er. Der Notarzt stellte als Todesursache "Herzversagen" fest. Eine Obduktion erfolgte nicht.

Das OLG Hamm hat die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Klägerin komme aufgrund des Mitverschuldens ihres verstorbenen Ehemanns keine Beweislastumkehr zugute.

Dokumentation zeigte Behandlungsfehler auf

Zwar habe die Anhörung des medizinischen Sachverständigen grobe Behandlungsfehler bei der Aufnahme und weiteren Behandlung des Verstorbenen in der Klinik ergeben. Im Rahmen der Beweisaufnahme habe allerdings nicht geklärt werden können, ob der Patient überhaupt an einem Herzinfarkt verstorben ist und ob die festgestellten Behandlungsfehler hierfür mitursächlich gewesen sind. Der fehlende Nachweis gehe zulasten der Klägerin.

Der Ehemann der Klägerin habe sich nach dem zweiten Krankenhausaufenthalt - entgegen des hausärztlichen Rats, der ihn auf die Risiken hingewiesen habe - nicht erneut in stationäre Behandlung begeben, sondern nur einen Termin zur kardiologischen Abklärung in einem Krankenhaus vereinbart. Da er bis zur weiteren Untersuchung verstorben sei, habe er in erheblichem Maße durch seine stetige Weigerung, sich entsprechend dem ärztlichen Rat zu verhalten, dazu beigetragen, dass sein Herzleiden nicht weiter abgeklärt und behandelt werden konnte.

OLG HammUrteil vom 20. Februar 2018Az.: 26 U 72/17

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