Studie zur Veränderung des oralen Mikrobioms infolge der Pest

Wie der Schwarze Tod die heutige Mundgesundheit beeinflusst

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Gesellschaft
Der Schwarze Tod im 14. Jahrhundert könnte eine entscheidende Veränderung im menschlichen oralen Mikrobiom bewirkt haben, die heute mit modernen chronischen Krankheiten in Verbindung steht. Zu dem Schluss kommt eine Analyse mittelalterlicher Plaque-Proben von Individuen aus Großbritannien.

Analysen von altem Zahnstein ergaben demnach Veränderungen in den mikrobiellen Gemeinschaften nach der Pandemie, welche wahrscheinlich durch Ernährungsumstellungen ausgelöst wurden. „Die modifizierten Ernährungs- und Hygienepraktiken nach der Pest könnten zu einer Veränderung des oralen Mikrobioms geführt haben, die chronische Krankheiten beim modernen Menschen begünstigt", bekräftigen die Forscher der Penn State University, USA, und der University of Adelaide, Australien, im Rahmen ihrer Studie.

„Moderne Mikrobiome sind mit einer Vielzahl chronischer Krankheiten verbunden, darunter Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychische Krankheiten“, erläutert Laura Weyrich, außerordentliche Professorin für Anthropologie an der Penn State. „Das Wissen um die Entstehung dieser mikrobiellen Gemeinschaften kann zum Verständnis und zur Behandlung dieser Krankheiten beitragen.“ So gehen die Forscher davon aus, dass Ernährungsumstellungen die Evolution des oralen Mikrobioms im Laufe der Zeit beeinflusst haben. Bisher hatten nur wenige Studien die Geschichte des menschlichen oralen Mikrobioms in einer einzelnen Population direkt untersucht. 

In dieser bisher größten Studie über antiken Zahnstein sammelten Weyrich und ihre Kollegen Material von den Zähnen von 235 Personen, die zwischen etwa 2.200 v. Chr. und 1853 n. Chr. an 27 archäologischen Stätten in England und Schottland begraben wurden. Die Forscher identifizierten 954 Mikrobenarten, die zu zwei unterschiedlichen Bakteriengemeinschaften gehörten: Eine wird von der Gattung Streptococcus dominiert, die im oralen Mikrobiom moderner Industrievölker weitverbreitet ist, die andere von der Gattung Methanobrevibacter, die heute bei Gesunden weitgehend als ausgestorben gilt.

Diese Auswirkungen hatte die Pest auf das orale Mikrobiom

Bei der Erforschung der Ursprünge dieser beiden Gemeinschaften konnten fast 11 Prozent der Gesamtvariation in der Artenzusammensetzung des Mikrobioms durch Ereignisse wie den Ausbruch der Pest erklärt werden. Doch warum hat diese Pandemie das orale Mikrobiom verändert? „Wir wissen, dass Pest-Überlebende ein höheres Einkommen hatten und sich kalorienreichere Lebensmittel leisten konnten“, berichtet Weyrich. „Möglicherweise hat die Pandemie die Ernährung der Menschen verändert, was wiederum die Zusammensetzung des oralen Mikrobioms beeinflusst hat.“

Um herauszufinden, ob eine Ernährungsumstellung mit der Entstehung der Streptococcus-Gruppe und dem Aussterben der Methanobrevibacter-Gruppe in Verbindung steht, listeten die Forscher die fuktionellen Unterschiede beider Gruppen auf, die mit der Ernährung in Zusammenhang stehen könnten, zum Beispiel Funktionen, die mit der Verdauung hoher oder niedriger Ballaststoffe, dem Kohlenhydratstoffwechsel und dem Laktosestoffwechsel assoziiert sind.

Die Forscher fanden heraus, dass die Bakterien in der von Streptokokken dominierten Gruppe Merkmale aufwiesen, die deutlich mit einer ballaststoffarmen, kohlenhydratreichen Ernährung sowie dem Verzehr von Milchprodukten zusammenhängen – allesamt charakteristisch für die moderne Ernährung. Im Unterschied dazu fehlten der von Methanobrevibacter dominierten Gruppe Merkmale, die auf einen Milch- und Zuckerkonsum hinweisen. Das Team stellte außerdem fest, dass die Streptokokken-Gruppe mit dem Vorliegen einer Parodontitis in Zusammenhang steht. Die Methanobrevibacter-Gruppe hingegen wurde mit dem Vorhandensein von Skelettpathologien wie Periostitis und Gelenkpathologien in Verbindung gebracht.

„Unsere Forschung legt nahe, dass moderne orale Mikrobiome frühere Ernährungsumstellungen infolge der zweiten Pestpandemie widerspiegeln“, resümiert Weyrich. Die Studie deute darauf hin, „dass das Mikrobiom in der vorindustriellen Zeit vielfältiger war als bisher angenommen, was unser Verständnis für die Entstehung chronischer, nicht übertragbarer Krankheiten in industrialisierten Bevölkerungen verbessert“, bilanzieren die Autoren.

Gancz, A.S., Farrer, A.G., Nixon, M.P. et al. Ancient dental calculus reveals oral microbiome shifts associated with lifestyle and disease in Great Britain. Nat Microbiol 8, 2315–2325 (2023). doi.org/10.1038/s41564-023-01527-3

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