Wie die Zahnärzte das Beste aus ihrer Lage machen
Damit sind die Zahnärzte einige der wenigen Gesundheitsberufe, die dem Wahlausgang durchaus einige positive Seiten abgewinnen können. Die Gesundheitspolitik war eins der wichtigsten Themen im Wahlkampf und alle großen Parteien übertrafen sich mit immer neuen Versprechungen, „Milliarden zusätzlich“ in den maroden staatlichen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) pumpen zu wollen.
Das leere 2.5 Milliarden Pfund-Wahlversprechen
Erst kürzlich hatte der gesundheitspolitische Sprecher der politisch links stehenden Arbeiterpartei Labour versprochen, "jährlich 2.5 Milliarden Pfund" (mehr als 3 Milliarden Euro) zusätzlich in den NHS zu investieren. Kurz nach seinem Wahlsieg Anfang Mai vermied es der alte und neue Regierungschef, einen genauen Zeitplan für das versprochene Investitionsprogramm in den Gesundheitsdienst zu geben.
Immerhin bestätigte ein Regierungssprecher in London, dass die regierenden Konservativen „acht Milliarden Pfund jährlich zusätzlich von 2020 an“ in die maroden Staatskliniken, Arztpraxen und ambulanten Versorgungsangebote stecken würden. Unklar ist, wo das Geld her kommen soll. Vor der Wahl hatte sich der Premier immer wieder medienwirksam in staatlichen Krankenhäusern und Arztpraxen fotografieren und filmen lassen.
###more### ###title### Rotstift mit Potenzial ###title### ###more###
Rotstift mit Potenzial
Großbritannien hat seit 1948 ein staatliches Gesundheitswesen, das sich zum größten Teil aus allgemeinen Steuermitteln finanziert. Die staatliche Einheitsversicherung (National Insurance) bietet allen Bürgern Absicherung im Krankheitsfall. Allerdings wurden die Angebote in den vergangenen Jahren stetig eingeschränkt. Wartezeiten sind besonders im stationären Sektor an der Tagesordnung. Das Primärarztsystem sorgt außerdem dafür, dass der Zugang zum Facharzt und zum stationären Sektor stets über den Hausarzt erfolgt.
Privater Zahnarztsektor im Aufwind
Die Rotstift-Sparpolitik und besonders die Einschränkung des NHS-Leistungskatalogs in den vergangenen Jahren brachte für die britischen Zahnärzte aber nicht nur Schatten. Im Gegenteil: Da die zahnmedizinischen NHS-Angebote mehr und mehr reduziert wurden, etablierte sich in den vergangenen Jahren ein privater Zahnarztsektor, der besonders in wohlhabenden Gegenden wie London floriert. Privat praktizierende Zahnärzte verdienen gutes Geld. Immer mehr NHS-Zahnmediziner behandeln nebenbei auch Privatpatienten, um ihre staatlichen Honorare aufzubessern. Gesundheitspolitische Beobachter rechnen damit, dass dieser Trend auch unter der neuen Regierung weiter anhalten wird.
Die Tatsache, dass die neue Regierung in den kommenden Monaten und Jahren aller Voraussicht nach mit ihrer auf mehr Eigenverantwortung der Patienten setzenden Gesundheitspolitik fortfahren wird, gilt ebenfalls als gute Zeichen. Konkret heißt das: Die Selbstkostenbeteiligung beim Zahnarzt dürfte für die Patienten weiter steigen.
Außerdem wird damit gerechnet, dass mehr und mehr bislang verschreibungspflichtige Medikamente zukünftig auch over the counter (OTC) erhältlich sein werden und dass honorarpolitische Anreize geschaffen werden, um die Prophylaxe zu fördern. Der britische Zahnärztebund (British Dental Association, BDA) verlangt vom Londoner Gesundheitsministerium seit langem, mehr Geld für Präventionsmaßnahmen im staatlichen Zahnarztsektor bereit zu stellen.
Gesundheitspolitische Beobachter rechnen übrigens nicht damit, dass sich der finanzielle Druck auf den NHS in den kommenden Jahren mindern wird. Das gilt auch für die Zahnmedizin. Zwar versprach Cameron nach der Wahl, dass die Gesundheitsausgaben von den avisierten allgemeinen Kürzungen der Staatsausgaben „nicht betroffen“ seien. Da allerdings das Durchschnittsalter und damit der Krankenstand der Bevölkerung stetig ansteigt, düften die Ressourcen dennoch knapper werden. Schon heute sorgt zum Beispiel das National Institute of Clinical Excellence (NICE) dafür, dass nur kosteneffektive Arzneimittel und Therapien über den NHS verschrieben werden können. NICE-Entscheidungen sind oftmals kontrovers.