Wie riskant ist Metall im Mund?
Im Rahmen der Pressekonferenz wurde die Verwendung von Metallen, Keramiken und Kunststoffen bei zahnärztlichen Therapien aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. "Wir möchten ein Zeichen in Richtung eines faktenbasierten Umgangs mit diesem Thema setzen", stellte DGZMK-Präsident Prof. Dr. Michael Walter klar. "Keramiken und Kunststoffe können Metalle heute bei vielen Therapien schon ersetzen, ganz verdrängen können sie diese aber noch nicht."
Wahrgenommenes Allergie-Risiko versus Wissenschaft
Was die Verträglichkeit von Dentalmetallen angeht, erläuterte Priv.-Doz. Dr. Anne Wolowski (WWU Münster) vom Arbeitskreis Psychologie und Psychosomatik in der DGZMK: "Man liest immer wieder Einzelfallberichte über teils dramatisch erlebte lokale wie allgemeine, sehr unspezifische Beschwerden durch Dentalmetalle - zum Beispiel allgemeine Schwäche, Ermüdung, Energielosigkeit, Mundtrockenheit, erhöhter Speichelfluss. Die intuitiv gesteuerte Wahrnehmung eines solchen Allergie-Risikos durch die Bevölkerung steht dabei aber im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen."
"Grundsätzlich gilt, dass an der Mundschleimhaut kontaktallergische Reaktionen seltener als an der Haut auftreten und im Falle einer Reaktion auch ein eher geringeres Ausmaß annehmen. Der Grund dafür ist die verdünnende Wirkung des Speichels - 'rinse-off'-Effekt-, die die Kontaktzeit des Allergens verringert. Ein weiterer Grund ist die geringere Dichte jener Zellen im Bereich der Mundschleimhaut, die für die Abwehrreaktion verantwortlich sind", führte Wolowski aus.
Ein positives Testergebnis sei zunächst nur der Nachweis einer Sensibilisierung. In jedem Fall müsse die klinische Relevanz interdisziplinär beurteilt werden. Erst bei eindeutigen Hinweisen aufgrund der Vorgeschichte und belastender Symptome könne man von einer nachgewiesenen Allergie ausgehen und sollte die fraglichen Materialien gegebenenfalls austauschen.
Der Nozebo-Effekt belastet unnötig und in hohem Maß
Wolowski empfiehlt bei unklaren Beschwerden und/oder bei dem Verdacht auf eine Materialunverträglichkeit die Zusammenarbeit von Zahnmedizin und Allgemeinmedizin. Dabei hänge es von der Art der Beschwerden, der Vorgeschichte und gegebenenfalls vorliegender körperlicher Befunde ab, in welche Richtung eine spezifische Fachdiagnostik und gegebenenfalls Therapie geleitet werden muss.
Für die spezialisierte Zahnmedizinerin steht fest: "Die höchste Belastung, die Patienten erleben, ergeben sich oft aus einer vorschnellen und von Polemik gesteuerten Diagnostik. Unsicherheiten durch unbegründete Spekulationen haben eine Überschätzung eines objektiven Risikos im Sinne eines Nozebo-Effektes (als schädigend wahrgenommener Effekt) zur Folge und belasten Betroffene unnötig in hohem Maße."
###more### ###title### Amalgam ist aus ästhetischer Sicht unattraktiv ###title### ###more###
Amalgam ist aus ästhetischer Sicht unattraktiv
Immer wieder in die Schlagzeilen und entsprechend in Verruf gerät Amalgam. Bei diesem seit 1820 eingesetzten Füllungsmaterial liegt der negative Ruf in dem rund 50-prozentigen Quecksilberanteil begründet. Inzwischen, erklärte Prof. Dr. Roland Frankenberger (Uni Marburg) von der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) habe diese Tatsache und der Wunsch nach "unsichtbaren" zahnfarbenen Füllungen für einen Siegeszug der dentalen Füllungskunststoffe gesorgt.
"Die Komposite bieten neben der Ästhetik im Vergleich zum Amalgam vor allem den Vorteil, dass sie viel minimal-invasiver, das heißt unter Opferung wesentlich geringerer Mengen gesunder Zahnhartsubstanz verarbeitet werden können. Daher haben die Komposite das Amalgam heute de facto als Massenfüllungsmaterial abgelöst", resümierte Frankenberger.
Amalgam ist normalerweise unbedenklich
Die toxikologische Bewertung beider Füllungsmaterialien sei jedoch nicht trivial. Auch einzelne Bestandteile dentaler Komposite würden zum Teil kritisch gesehen, da in der Regel eine 100-prozentige Polymerisation nicht zu erzielen sei. Und trotzdem sei bei 50 Millionen Füllungen pro Jahr in Deutschland die Komplikationsrate bezüglich biologischer Begleiterscheinungen nachgewiesenermaßen sehr gering. Frankenbergers Fazit: "Ein perfekt biokompatibles Füllungsmaterial gibt es nicht. Es gilt daher, eine stringente Risikoabschätzung durchzuführen. Danach ist die Verwendung von Amalgam und Amalgamersatzmaterialien in der Regel unbedenklich – das heißt das Risiko ist akzeptabel."
###more### ###title### ZE: Keramik verdrängt Metalle ###title### ###more###
ZE: Keramik verdrängt Metalle
"Generell zeigt sich bei diesen Zahnersatzversorgungen mit Metallen und Keramiken, dass Verträglichkeitsprobleme eher selten auftauchen", fasst Prof. Dr. Stefan Wolfart (Aachen) von der Deutschen Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien (DGPro) die Erkenntnisse zusammen.
"Im Bereich des festsitzenden Zahnersatzes wird die Metallkeramik immer noch als Goldstandard bezeichnet. Zahnersatz aus Vollkeramik stellt dazu in vielen Bereichen eine sinnvolle Alternative dar." Insgesamt lasse sich festhalten, dass der Einsatz von Metallen bei Zahnersatz stark zurückgegangen sei. Ganz ohne Metalle gehe es aber vor allem bei großen Brücken, in der Implantatprothetik und bei herausnehmbaren Prothesen noch nicht. Die hochgoldhaltigen Legierungen würden heute aus Kostengründen - wo immer möglich - immer mehr durch Nichtedelmetalllegierungen ersetzt.
###more### ###title### Titanimplantate sind weiter Goldstandard ###title### ###more###
Titanimplantate sind weiter Goldstandard
Zahnärztliche Implantate stellen heutzutage eine wissenschaftlich anerkannte Therapiealternative zum Ersatz fehlender Zähne dar. Die Überlebensrate für zahnärztliche Implantate ist nach adäquater Planung, Einbringung und Versorgung als sehr gut zu beziffern und beträgt nach fünf bis zehn Jahren, je nach Einsatzbereich, zwischen 95 und 100 Prozent. Grundlegend gilt es jedoch zu beachten, dass zahnärztliche Implantate einer intensiven Mundhygiene bedürfen. Neben der häuslichen “Implantatreinigung” muss eine regelmäßige Kontrolle und professionelle Reinigung durch den Zahnarzt erfolgen. Somit lassen sich Implantatentzündungen (etwa Periimplantitis) in aller Regel vermeiden.
"Zahnärztliche Implantate werden heutzutage überwiegend aus Titan gefertigt. Insbesondere Reintitan wird vom Körper sehr gut akzeptiert und bildet an der Luft eine beständige Schutzschicht aus. Die Korrosionsbeständigkeit des Reintitans und von Titanlegierungen gilt allgemein als ausgezeichnet", führt Prof. Dr. Frank Schwarz (Uni Düsseldorf), Präsident der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) aus.
Neue Materialentwicklungen wie etwa Keramikimplantate (Zirkondioxid) können derzeit noch nicht für alle Einsatzbereiche empfohlen werden. Die weitgehend problemlose Verwendung von Titanimplantaten ist wissenschaftlich bestens belegt. Titanimplantate bilden im Moment nach wie vor den Goldstandard und bleiben vorerst noch unverzichtbar. Keramikimplantate können bei bestimmten Indikationen eingesetzt werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, gegründet 1859, ist eine der ältesten wissenschaftlichen Vereinigungen. Sie ist der Dachverband der wissenschaftlichen Gruppierungen der deutschen Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde.