Konkurrierende Gesetzgebung zwischen Bund und Land

Wissenschaftlicher Dienst kritisiert Söders Infektionsschutzgesetz

silv
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages übt heftige Kritik am Bayerischen Infektionsschutzgesetz. Eventuell könnte das Gesetz sogar in Gänze unzulässig sein.

Der Bayerische Landtag hatte das umstrittene Infektionsschutzgesetz am 25. März in Rekordzeit beschlossen, alle sechs Fraktionen hatten zugestimmt.

Zwei Hauptpunkte moniert der Wissenschaftlichen Dienst: Zum einen die Verpflichtungsoption für Mediziner und Pfleger, der auch die Zahnärzte unterliegen würden: Im Falle eines Gesundheitsnotstandes, der in Bayern offiziell ausgerufen werden müsste, soll medizinisches Personal zwangsverpflichtet werden können. Zum anderen die mögliche Beschlagnahmung von medizinischen Geräten und Medikamenten im Falle eines Notstandes.

Wird das Bayerische Infektionsschutzgesetz gekippt?

Der Wissenschaftliche Dienst meint, dass das Bayerische Infektionsschutzgesetz sogar in Gänze unzulässig sein könnte, da seinem Gutachten zufolge eine sogenannte konkurrierende Gesetzgebung zwischen Bund und Land vorliegen könnte. Dies würde allerdings ein weiteres Gutachten erforderlich machen.


Der Bundestagspolitiker Niema Movassat (Linke), der das Gutachten in Auftrag gegeben hatte, fordert die Aufhebung des Bayerischen Infektionsschutzgesetzes.

Die Linke fordert sofortige Gesetzesaufhebung


Er sagt: „Markus Söder geriert sich bundesweit als starker Mann im Kampf gegen das Coronavirus. Doch mit dem Grundgesetz nimmt er es nicht ganz so genau. Bayern hätte gar kein Infektionsschutzgesetz erlassen dürfen, das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes ist eindeutig.“ Die Möglichkeit, Personal zwangszuverpflichten, ist aus seiner Sicht „nicht nur ein herber Schlag in das Gesicht von hunderttausenden Ärzten und Pflegekräften, sondern auch ein Schlag gegen das Grundgesetz“.
Die Bundestagsjuristen hatten kurz vor Ostern auch das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn novellierte Infektionsschutzgesetz kritisiert. Der Bundestag hatte am 25. März in großer Eile ebenfalls ein Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes erlassen, das viele Verfassungsrechtler für verfassungswidrig halten.

Spahn würde im Fall einer Epidemie nämlich weitreichende Befugnisse erhalten, die laut Expertenmeinung partiell gegen das Grundrecht verstoßen. Der Wissenschaftliche Dienst stellt fest, dass diese Befugnisse zudem weder klar umrissen noch zeitlich begrenzt sind. Außerdem wurde die Gesetzesänderung ohne Zustimmung des Bundesrats beschlossen. Die Grünen-Politikerin Katja Keul hatte das Gutachten in Auftrag gegeben.

NRW hatte ebenfalls eine Zwangsverpflichtung geplant

Nordrhein-Westfalen hat gerade ein ähnliches Gesetz auf den Weg gebracht und nach ebenfalls harscher Kritik den umstrittenen Punkt der Zwangsverpflichtung so gelöst, dass es jetzt eine Freiwilligen-Liste gibt, in der sich Mediziner und Pfleger eintragen können. Erst dann werden sie in einem Epidemie-Fall, den die Landesregierung auch hier ausrufen muss, zum Einsatz gebeten.

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