Zahnärztin erhält Herbert-Lewin Preis

sf/pm
Gesellschaft
Dr. Gisela Tascher wurde für ihre Dissertation über das Zusammenspiel von NS-Staat, Macht und ärztlicher Berufsausübung am Beispiel des Saarlands mit dem Herbert-Lewin-Forschungspreis zur Rolle der Ärzteschaft in der Zeit des Nationalsozialismus ausgezeichnet.

Der vom Bundesgesundheitsministerium (BMG), der Bundesärztekammer (BÄK), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) gestiftete und mit insgesamt 12.500 Euro dotierte Herbert-Lewin-Forschungspreis wird in diesem Jahr zum fünften Mal vergeben.

Die Entwicklungen nach 1945 inbegriffen

Welche Rolle spielten die ärztlichen Standesvertretungen und ihre führenden Vertreter in der Zeit des Nationalsozialismus und wie sahen die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die ärztliche Berufsausübung aus? Diese Fragen habe Dr. Gisela Tascher in ihrer Dissertation über das Zusammenspiel von Staat, Macht und ärztlicher Berufsausübung am Beispiel des Saarlands beantwortet, heißt es in einer Erklärung der Preisstifter. Besonders beeindruckt habe die Jury, dass Tascher die Entwicklungen nach 1945 nicht aussparte.

Ein Zeichen gegen Barbarei und Unmenschlichkeit

Die Jury, die sich aus Vertretern des Zentralrats der Juden in Deutschland, des Bundesverbands Jüdischer Ärzte und Psychologen in Deutschland sowie aus Vertretern der auslobenden Organisationen zusammensetzt, hob ausdrücklich die Qualität und große Themenvielfalt der 32 eingereichten Arbeiten hervor. Dies zeige erneut die Notwendigkeit, das Themenfeld weiter aufzuarbeiten.

Dass die Aufarbeitung der Geschichte des Berufsstandes allen Beteiligten ein echtes Anliegen sei, hob Ärztepräsident Dr. Frank Ulrich Montgomery hervor. Erstmals werde der Preis in diesem Jahr unter Beteiligung der Bundeszahnärztekammer verliehen. Es gehe den Organisationen um die Wahrung der Menschenrechte und um ein Zeichen gegen Barbarei und Unmenschlichkeit. Für religiöse Diskriminierung dürfe es in dieser Gesellschaft keinen Platz geben. Montgomery: "Wir leben in der Gegenwart mit der Vergangenheit für die Zukunft."

Euthanasie-Verbrechen als Teil der Erinnerungskultur

Den zweiten Preis teilen sich Dr. Sascha Topp und Dr. Bernd Höffken. Topp erforschte in seiner Studie die nationalsozialistischen Euthanasie-Verbrechen. Er ging der Frage nach, wie diese Verbrechen historiografisch dargestellt wurden. Besonderes Augenmerk legte er dabei auf die Ärzteschaft und die Entwicklung der Ethik in der Medizin in der Bundesrepublik Deutschland. Die Untersuchung überzeugte die Jury durch die stringente Argumentation. Sie trage dazu bei, die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus als Teil der Erinnerungskultur zu sehen.

Das Schicksal 133 jüdischer Ärzte in Nürnberg

Höffken untersuchte in seinem Buch die Schicksale und Lebensdaten von 133 jüdischen Ärzten in Nürnberg - der Stadt der Reichsparteitage - und beeindruckte die Jury mit seiner Akribie und wissenschaftlichen Gründlichkeit. Der Autor zeichne die bewegenden Schicksale der Ärzte, ihrer Frauen und Kinder nach. Er setze damit allen damals ausgegrenzten, verfolgten oder ermordeten Ärzten aus Nürnberg ein bleibendes Denkmal.

Dr. Gisela Tascher (geb. 1954) machte 1977 ihr Staatsexamen an der Medizinischen Akademie Carl-Gustav-Carus Dresden. 2007 promovierte sie am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin an der Medizinischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg bei Prof. Dr. Wolfgang U. Eckart zumThema„Die Entwicklung des Gesundheitswesens im Saargebiet und Saarland von 1920 – 1956 im Spiegel der machtpolitischen Verhältnisse“. Niedergelassen ist sie in Heusweiler.

Herbert Lewin (1899 - 1982) war ein deutscher Arzt und Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland. An der Ausschreibung desForschungspreiseskonnten Zahnärzte, Ärzte sowie Psychotherapeuten einzeln, in Kooperationen oder in Gemeinschaften teilnehmen. Die Ausschreibung richtete sich auch an Studierende der Zahn- oder Humanmedizin oder an Wissenschaftler, die an medizinhistorischen Instituten tätig sind.

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