Beispiel Manaus

76 Prozent Infektionsrate und KEINE Herdenimmunität

LL
Gesellschaft
Trotz einer hohen Infektionsrate von 76 Prozent erreicht die brasilianische Millionenstadt Manaus keine Herdenimmunität. Das lässt Rückschlüsse auf die Dauer der Immunität und möglicher erneuter Ansteckungen zu.

In der brasilianischen Metropole Manaus waren nach den ersten acht Monaten der Coronavirus-Pandemie mehr als drei Viertel der 2 Millionen Einwohner mit dem Erreger infiziert, in São Paulo hingegen – mit 12 Millionen Einwohner die größte Stadt des Landes – nur knapp ein Drittel. Zu dem Ergebnis kommt eine umfassende Analyse von monatlich 1.000 Blutspenden, bei denen auf die Antikörper des Virus getestet wurde.

Die Wissenschaftler rechneten daraufhin mit einer Herdenimmnuität, doch überraschenderweise geht die Anzahl der Städter mit Antikörper-Titern nach der ersten Welle deutlich zurück. Zudem sind die Infektions- und Sterberaten weiterhin hoch. Die erworbene Immunabwehr scheint sich abzubauen und eine erneute Infektion mit SARS-CoV-2 möglich, berichten die Forscher des Tropeninstituts der Universität in São Paulo im WissenschaftsmagazinScience.

Amazonasregion: Hier hat das Virus besonders leichtes Spiel

Am 13. März wurde in Brasilien die erste Infektion nachgewiesen. Seitdem konnte sich das Virus nahezu ungehindert im ganzen Land ausbreiten. Besonders stark betroffen ist dabei die Amazonasregion. Die Regierung negierte die gesundheitliche Gefahr des neuartigen Coronavirus und unternahm kaum Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung.

Hinzu kommen die schlechten sozioökonomischen Bedingungen in Teilen des Landes – besonders in der Amazonasregion. Inzwischen haben sich in Brasilien laut Angaben der Johns Hopkins University (Stand: 10.12.2020) rund 6.728.500 Menschen infiziert und knapp 179.000 sind mit oder an dem Virus verstorben.

Warum schlägt das Virus gerade in Manus so zu?

Laut der Analyse besaßen im Mai 45,5 Prozent der Bewohner Manaus´ Antikörper, im Juni sogar 52,6 Prozent. In São Paulo hingegen wiesen nur 13,6 Prozent der 12 Millionen Einwohner eine Prävalenz auf. Die Forscher führen das zum einem auf die unterschiedlichen Lebensumstände zurück.

Im Wirtschaftszentrum São Paulo sind die Lebensbedingungen besser als in Manaus, wo viele der Einwohner in beengten Wohnverhältnissen leben und ein Zugang zu sauberem Wasser nicht flächendeckend gegeben ist. Auf dem wichtigsten Verkehrsmittel, den Flussbooten, drängen sich die Fahrgäste eng zusammen. Und durch die versäumten Anti-Corona-Maßnahmen der Regierung konnte das Virus sich hier in der ersten Welle verbreiten, erklärt Co-Autor Nuno Faria vom Imperial College London.

Die Zahl Antikörper-Träger ging wieder deutlich zurück

Dass im Oktober die Antikörper-Titer in Manaus auf einen Anteil von 25,8 Prozent zurückgingen, bedeutet für die Wissenschaftler: Eine langfristige Immunität ist nicht gegeben. Zwar konnten sie nicht klären, wie viele erneute Infektionen stattfanden, allerdings deutet der Rückgang der Antikörper-Titer auf einen gewissen Anteil hin. Denn dieser Rückgang bedeutet, dass der Bevölkerungsanteil, der sich mit SARS-CoV-2 infizierte, höher ist als die Seroprä­valenz andeutet.

Zum Vergleich: In Deutschland wiesen laut Robert Koch Institut (RKI) im Juli gerade einmal 1,3 Prozent der Blutspender Antikörper auf. Diese Zahl ist zwar nicht direkt vergleichbar, macht aber deutlich, dass die früher ergriffenen Hygienemaßnahmen und Restriktionen einhergehend mit den besseren Lebensbedingungen einen wesentlichen Einfluss haben.

Salomon, T. et al.: "Three-quarters attack rate of SARS-CoV-2 in the Brazilian Amazon during a largely unmitigated epidemic" published on Dec. 08, 2020 in Science DOI:Science

Die Herdenimmunität als indirekter Schutz ist zentraler Teil bei der Eindämmung der Coronavirus-Pandemie. Sie kann durch einen hohen Anteil der Bevölkerung entstehen, der durch eine überstandene Infektion oder eine Impfung immun geworden ist. Die Ausbreitung des Erregers innerhalb der Bevölkerung wird so verringert und damit auch nicht immune Personen indirekt geschützt. Epidemiologen und Mediziner hoffen auch bei SARS-CoV-2 auf den Effekt.

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.