Die Studie des BfR hat erstmals die gesamte orale und dermale Aluminiumaufnahme der Bevölkerung über die verschiedenen Aluminiumquellen gesundheitlich bewertet und wurde jetzt im wissenschaftlichen Journal "Archives of Toxicology" veröffentlicht. Abgeschätzt wurden die Mengen und gesundheitlichen Folgen für die Altersgruppen Säuglinge, Kleinkinder, Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie für Normal- und Vielverzehrer.
Die "duldbare Aufnahmemenge" wird zu 50 Prozent alleine durch Lebensmittel ausgeschöpft
Das Institut stützt sich bei der Expositionsschätzung und gesundheitlichen Bewertung von Lebensmitteln auf Gehalts- und Verzehrsdaten der deutschen Pilot-Total-Diet-Studie und der Nationalen Verzehrstudie II.
Ergebnis: Der von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) abgeleitete gesundheitliche Richtwert, der einer wöchentlichen duldbaren Aufnahmemenge (TWI) von 1 mg je Kilogramm Körpergewicht entspricht, wird im Durchschnitt zu circa 50 Prozent allein durch Lebensmittel ausgeschöpft.
Während die Aluminium-Aufnahme durch normale Zahnpasta laut Studie zu vernachlässigen ist (Punkt 2), zeigt die Tabelle, dass elf- bis 14-Jährige allein durch die Verwendung einer aufhellenden Zahnpasta (Punkt 7) pro Woche 1 Milligramm pro Kilo Körpergewicht Aluminium aufnehmen können – was 100 Prozent der von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfohlenen "wöchentlichen duldbaren Aufnahmemenge (TWI)" entspricht. Für Erwachsene sind es etwa 72 Prozent. | (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)
Zur Bewertung der Gesamtbelastung hat das BfR noch abgeschätzt, wie viel Aluminium die Bevölkerung aus Lebensmitttelkontaktmaterialien wie unbeschichteten Aluminiumschalen oder -backblechen, aus Kosmetika wie Lippenstift, Zahnpasta, Antitranspirantien, Sonnenschutzmitteln und aus Impfstoffen und weiteren Medikamenten aufnimmt. Die so berechnete Gesamtaufnahmemenge kann den von der EFSA abgeleiteten TWI für alle Altersgruppen überschreiten.
Als besondere Risikogruppen identifiziert das BfR:
- Säuglinge und Kleinkinder, die mit speziell adaptierter sojabasierter, lactosefreier oder hypoallergener Nahrung gefüttert werden. Das BfR empfiehlt daher, Säuglinge bis zum sechsten Monat ausschließlich zu stillen und anschließend mit normaler Kost zuzufüttern.
- Kinder (zwischen drei und zehn Jahren), die sich sehr häufig von Lebensmitteln ernähren, die in Gegenständen aus unbeschichtetem Aluminium verpackt, erhitzt oder warmgehalten wurden (Aluminiumfolie, -menüschalen). Sie können gesundheitlich bedenkliche Aluminiumgehalte aufnehmen.
- Jugendliche (11- bis14-Jährige) und Erwachsene (älter als 14 Jahre), die häufig Antitranspirantien sowie aluminiumhaltige weißende Zahncreme benutzen und sehr häufig Lebensmitteln verzehren, die in Gegenständen aus unbeschichtetem Aluminium verpackt, erhitzt oder warmgehalten wurden (Aluminiumfolie, -menüschalen).
- Da Aluminium sehr lange im Körper gespeichert wird, ist eine hohe Aluminiumexposition insbesondere für junge Menschen kritisch zu sehen. Aluminium ist plazentagängig. Wenn junge Frauen beispielsweise über Kosmetikprodukte hohe Mengen an Aluminium aufnehmen, könnten bei einer Schwangerschaft die ungeborenen Kinder ebenfalls einer erhöhten Konzentration an Aluminium ausgesetzt sein. Jede Aluminiumaufnahme aus einer vermeidbaren Expositionsquelle über einen längeren Zeitraum sollten insbesondere junge Frauen aus Sicht des BfR daher kritisch abwägen.
Besonders aluminiumhaltig: Tee, Kaffee, Gewürze und Schokolade
Zu den laut Studie per se besonders aluminiumhaltigen Lebensmitteln gehören Tee, Kaffee, Gewürze und kakaohaltige Lebensmittel wie Schokolade. Doch auch Hülsenfrüchte, Gemüse und Getreide können größere Mengen an Aluminium enthalten.
Zusätzlich können Lebensmittel durch den Übergang von Aluminium aus Lebensmittelkontaktmaterialen belastet sein. Das BfR hat in diesem Zusammenhang auf die hohen Aluminiumgehalte in Laugenbrezeln, die auf Alublechen gebacken wurden, oder Apfelsaft, der in unbeschichteten Aluminiumtanks gelagert wurde, hingewiesen.
Bei einer zu hohen Aluminiumaufnahme über einen längeren Zeitraum hinweg ist ein erhöhtes Gesundheitsrisiko möglich. Eine hohe Aufnahme von Aluminiumverbindungen kann Entwicklungsstörungen des Gehirns und der Motorik sowie Schäden an Nieren, Leber und Knochen verursachen. Denn Aluminiumverbindungen können entzündliche Effekte oder oxidativen Stress in Zellen auslösen, wodurch die Zellen geschädigt werden, warnen die Autoren.
Tolerierbare Aufnahmemengen können in allen Altersgruppen deutlich überschritten werden
Zudem ist der Stoffwechsel der Zelle beeinflusst und die Zellen können sich nicht mehr ausreichend mit Energie versorgen, was zum Absterben der Zelle führen kann. Die EFSA hat als empfindlichsten Endpunkt zur Ableitung ihres gesundheitlichen Richtwerts entwicklungsneurotoxische Effekte zugrunde gelegt. Als empfindlichster Endpunkt wird der gesundheitsschädliche Effekt bezeichnet, der von allen beobachteten Effekten bei der niedrigsten Dosis auftritt.
Die BfR-Studie zeigt, dass gesundheitlich tolerierbare wöchentliche Aufnahmemengen in allen Altersgruppen deutlich überschritten werden können. Das BfR empfiehlt daher, die Aluminiumaufnahme aus allen vermeidbaren Quellen zu verringern, um ein erhöhtes Gesundheitsrisiko zu vermeiden.
"Es bestehen noch wissenschaftliche Unsicherheiten besonders bei der Einschätzung der Langzeitfolgen sowie der tatsächlichen Aufnahmemengen von Aluminium über die Haut", sagt BfR-Präsident Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel.
Wie Verbraucher ihre Aluminiumaufnahme beeinflussen können
Der Tipp: Wer seine Aluminiumaufnahme reduzieren will, sollte sparsam mit unbeschichteten Lebensmittelkontaktmaterialien, Antitranspirantien und aluminiumhaltigen kosmetischen Produkten umgehen. Von der Zubereitung und Lagerung von insbesondere sauren und salzigen Lebensmitteln aus unbeschichteten Aluminiumbehältnissen oder Alufolie rät das BfR generell ab.
Bei Reduzierung der genannten und vermeidbaren Expositionsquellen seien für die meisten Verbraucher gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht zu erwarten.
Die Studie zu "Aluminiumaufnahme durch Zahnpasta"
Vorsicht vor Bleaching-Zahnpasten!
In Zahnpasta ist die Verwendung von Aluminiumfluorid bis zu einer Konzentration von 1.500 ppm (0,15 Prozent bezogen auf den Fluoridgehalt) gemäß der Europäischen Kosmetikverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1223/2009) zulässig, Angaben zur tatsächlichen Verwendung jedoch intransparent.
Die überwiegende Mehrheit der Produkte scheint jedoch Natriumfluorid anstelle von Aluminiumfluorid zu enthalten. Eine relevante Aluminiumaufnahme ist daher nur bei der Verwendung von sogenannten "Whitening" -Zahnpasten zu erwarten, die Aluminiumoxid oder -hydroxid als Schleifmittel enthalten können.
Laut einer Studie de der norwegischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (VKM) aus dem Jahr 1997 liegt der Medianwert des Aluminiumgehalts bei 4,5 Prozent. Untersuchungen der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) in 2017 an 15 Zahnpastaproben zeigten eine hohe Diversität der Ergebnisse mit einem mittleren Gehalt von 0,9 Prozent und einem Median von nur 0,02 Prozent. Der höchste gefundene Gehalt betrug 3,9 Prozent.
Pro Tag werden nach Angaben des wissenschaftlichen Komitees für Konsumentensicherheit der Europäischen Kommission (SCCS) circa 2,75 g Zahnpasta verwendet, wovon etwa 138 mg (5 Prozent) geschluckt werden.
Bei einem Erwachsenen würde ein Aluminiumgehalt von 0,02 Prozent (AGES 2017) zu einer Exposition von 0,003 mg Al / kg KG / Woche führen. Für Kinder zwischen 11 und 14 Jahren würde die Exposition 0,005 mg Al / kg KG / Woche betragen. Im Unterschied dazu würde der vom VKM (2013) ermittelte Gehalt von 4,5 Prozent Aluminium bei Erwachsenen zu einer oralen Exposition von 0,72 mg Al / kg KG / Woche und bei Kindern von 1,0 mg Al / kg KG / Woche führen.
Tietz, T., Lenzner, A., Kolbaum, A.E. et al. Arch Toxicol (2019); "Aggregated aluminium exposure: risk assessment for the general population"; online veröffentlicht am 28. Oktober 2019; doi.org/10.1007/s00204-019-02599-z
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.
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