Beschreibung der Schlafapnoe aus dem Barock

"Das Schlafen mit offenem Munde ist meistens der Fresser und Säufer Art"

ck/pm
Gesellschaft
Schlafmediziner aus Jena und Dresden haben eine erstaunlich detaillierte Beschreibung der Schlafapnoe und ihrer Folgen in einer Schrift des Thüringer Arztes Georg Grau aus dem Jahr 1688 entdeckt.

Die Beschreibung der extremen Schläfrigkeit des dicken Joe in Charles Darwins „Pickwick Papers“ gilt als die erste Schilderung der Schlafapnoe bei adipösen Menschen in der Belletristik - sie wird deshalb auch Pickwick-Syndrom genannt. Die klinische Bedeutung der durch Übergewicht bedingten Atembeeinträchtigung, die nachts zu Atemaussetzern und damit zu massiven Schlafstörungen führt, ist erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts Thema der medizinischen Fachliteratur.

Der Thüringer Arztes Georg Grau beschreibt die Schlafapnoe in seinem Werk „Hypnologia“ jedoch wesentlich früher: 1688 wurde sein Buch in Jena veröffentlicht.

"Das Schnarchen ist eine verdrießliche, beschwerliche und unannehmliche Nacht-Music"

Gegliedert in 30 Fragen behandelt das barocke Kompendium verschiedene Aspekte des gesunden und des gestörten Schlafs. „Erstaunlich genau beschreibt Georg Grau eine Reihe von Symptomen, die wir heute als das vollständige klinische Bild der obstruktiven Schlafapnoe kennen“, erläutert der Schlafmediziner Dr. Sven Rupprecht vom Universitätsklinikum Jena, der mit seinem Kollegen Prof. Dr. Ekkehard Paditz aus Dresden auf eines der ersten auf Schlafmedizin spezialisierten Bücher stieß.

Die Folgen sind „der Alp oder Nachtdrücken, schwere Noth, Gicht, Krampff, Schlag und andere mehr"

Außerdem schildert Grau die sozialen Folgen des Schnarchens: „Das Schnarchen ist eine verdrießliche, beschwerliche und unannehmliche Nacht-Music“; ebenso wie Verengung der Luftwege: „auch dem Athem seinen Raum benehmen". Rupprecht zufolge erkennt Grau Übergewicht, abendlichen Alkoholgenuss und Schlafen in Rückenlage als Risikofaktoren und schildert auch die gesundheitlichen Folgen der Schlafapnoe: „als der Alp oder Nachtdrücken, schwere Noth, Gicht, Krampff, Schlag und andere mehr".

Grau, dessen Name sich in verschiedenen Schreibweisen findet, stammte aus dem fränkischen Coburg und immatrikulierte sich 1650 an der Jenaer Universität, wo er 1660 zum Doktor der Medizin promovierte wurde. Anschließend arbeitete er als Arzt in Römhild und Behrungen in Thüringen und verfasste weitere Bücher, darunter auch ein Lehrbuch für Hebammen. Seine Ausführungen zu den Atemstörungen im Schlaf beruhen auf der genauen medizinischen Beobachtung, obwohl er noch der Vier-Säfte-Lehre als Erklärungsmodell anhängt.

Rupprecht: „Auch wenn Georg Grau den Zusammenhang von Tagesmüdigkeit und Schlafapnoe nicht erkannte, charakterisierte er bereits im 17. Jahrhundert die Schlafapnoe und ihre gesundheitlichen Folgen, was ihn zu einem Pionier in der Schlaf- und Atemwegsmedizin macht.“

Rupprecht S, et al. To rout or snort in the sleepe: a detailed medical description of sleep disordered breathing and its consequences by Georg Grau in 1688. Eur Respir J. 2019, 53(5). pii: 1801799. doi: 10.1183/13993003.01799-2018https://erj.ersjournals.com/content/53/5/1801799.longGeorg Grau. Hypnologia, Das ist, Etliche Fragen und darauf gethane Antworten von dem Schlaf. Jena 1688. Digitale Version in der SLUB Dresden,https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/9240/, unveränderter Nachdruck im Verlag kleanthes, Dresden 2013

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.