Studie der Bertelsmann Stiftung

Digitalisierung im Gesundheitswesen: Deutschland hinkt deutlich hinterher

nb/pm
Gesellschaft
Rang 16 von 17: Der digitale Fortschritt kommt bei Patienten in Deutschland nicht wirklich an. Zu diesem vernichtenden Urteil kommt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung.

In der internationalen Vergleichsstudie der Bertelsmann Stiftung schneidet Deutschland schlecht ab und landet auf Rang 16 von 17 untersuchten Ländern. Die Stiftung hat analysiert, wie aktiv die Gesundheitspolitik in den Ländern bei der Digitalisierung handelt: Welche Strategien gibt es, welche funktionieren? Welche technischen Voraussetzungen sind vorhanden und inwieweit werden neue Technologien tatsächlich genutzt?

Spitzenreiter im Ranking haben effektive Strategien, politische Führung und eine nationale Koordinationsstelle - Deutschland nicht

Auf den ersten Rängen des Vergleichs landen Estland, Kanada, Dänemark, Israel und Spanien. In diesen Ländern sind digitale Technologien bereits Alltag in Praxen und Kliniken. So werden Rezepte digital übermittelt und wichtige Gesundheitsdaten der Patienten in elektronischen Akten gespeichert – Ärzte und Kliniken können direkt darauf zugreifen.

In Estland und Dänemark können alle Bürger ihre Untersuchungsergebnisse, Medikationspläne oder Impfdaten online einsehen und Zugriffsmöglichkeiten für Ärzte und andere Gesundheitsberufe selbst verwalten. In Israel und Kanada sind Ferndiagnosen und Fernbehandlungen per Video selbstverständlicher Teil der Gesundheitsversorgung. <link url="https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/der-digitale-patient/projektthemen/smarthealthsystems/#c1203567" import_url="https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/der-digitale-patient/projektthemen/smarthealthsystems/#c1203567 - external-link-new-window" follow="follow" seo-title="" target="new-window">Hier geht es zur interaktiven Karte. Rang

Land

Digital-Health-Index

1

Estland

81,92

2

Kanada

74,73

3

Dänemark

72,47

4

Israel

72,45

5

Spanien

71,36

6

Großbritannien (NHS)

69,98

7

Schweden

68,26

8

Portugal

67,19

9

Niederlande

66,05

10

Österreich

59,81

11

Australien

57,31

12

Italien

55,81

13

Belgien

54,67

14

Schweiz

40,62

15

Frankreich

31,61

16

Deutschland

30,02

17

Polen

28,52

Quelle: Digitalisierungsstudien im Vergleich, Bertelsmann Stiftung, 2018

Bedingung für eine gelingende digitale Transformation im Gesundheitswesen sei ein Dreiklang aus "effektiver Strategie, politischer Führung und einer politisch verankerten Institution zur Koordination des Digitalisierungsprozesses".

Zur Methodik

Zur Methodik

Erfolgreiche Länder gehen laut Bertelsmann Stiftung strategisch in pragmatischen Schritten vor und führen einzelne Prozesse wie das digitale Rezept nach und nach ein. Die Politik gebe einen klaren Rahmen vor, sorge für Akzeptanz bei den Akteuren und treibe die Entwicklung voran.

In 15 der 17 analysierten Länder, in allen außer Deutschland und Spanien, gebe es „Agenturen für digitale Gesundheit“ auf nationaler Ebene. Diese sind etwa für die Definition von technischen Standards und Datenformaten für die Elektronische Patientenakte verantwortlich.

Status quo in Deutschland: Im Alltag kommt wenig an

Eigentlich habe Deutschland die ersten Schritte in Richtung Digitalisierung früh gemacht, heißt es in der Studie. Bereits 2003 hatte die Bundesregierung die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte beschlossen. Außerdem gibt es seit vielen Jahren erfolgreiche digitale Pilotprojekte auf regionaler Ebene – beispielsweise die Notfallversorgung von Schlaganfallpatienten oder das Telemonitoring von Menschen mit Herzerkrankungen.

Doch seien die neuen technologischen Möglichkeiten in Deutschland nicht bundesweit und für alle Patienten nutzbar: "Im Alltag der Versorgung ist bislang wenig angekommen", heißt es in der Studie.

"Die Politik hat in der Vergangenheit die Verantwortung für die digitale Transformation an die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen delegiert", sagt Studienleiter Thomas Kostera. "Hier haben sich die Akteure lange Zeit gegenseitig blockiert. Es ist noch nicht gelungen, alle Verantwortlichen hinter einem gemeinsamen Ziel zu versammeln."

In jüngster Zeit habe die Gesundheitspolitik ihre Führungsrolle ausgebaut. Allerdings sei nicht ausgemacht, dass die angedachten Entwicklungen etwa im Bereich der Elektronischen Patientenakten zum Erfolg führen. Der Blick in andere Länder helfe, Stolpersteine zu vermeiden.

"Während Deutschland noch Informationen auf Papier austauscht und an den Grundlagen der digitalen Vernetzung arbeitet, gehen andere Länder schon die nächsten Schritte. Mediziner in Israel beispielsweise setzen systematisch künstliche Intelligenz etwa zur Früherkennung von Krebserkrankungen ein. Unsere Gesundheitspolitik muss entschlossener handeln als in der Vergangenheit und ihre Führungsrolle bei der Gestaltung der Digitalisierung weiter ausbauen – nicht als Selbstzweck, sondern zum Nutzen der Patienten", ergänzt Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

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