Hilfe für vergewaltigte Frauen

Petra Spielberg
Gesellschaft
Eine Initiative in Frankfurt will die Hemmschwelle bei vergewaltigten Frauen senken, eine ärztliche Akutversorgung in Anspruch zu nehmen. Das Modell könnte auch in anderen Städten Nachahmer finden.

Vergewaltigte Frauen und Mädchen sollen grundsätzlich Zugang zu einer schnellen und bestmöglichen medizinischen Versorgung erhalten, unabhängig davon, ob sie Anzeige erstatten oder nicht. Das ist die Zielsetzung einer bundesweit bislang einmaligen Initiative in Frankfurt am Main mit dem Titel „Medizinische Akutversorgung nach Vergewaltigung“. 

Was selbstverständlich klingt, ist nach den Erfahrungen vieler Betroffenen leider nicht überall der Fall. Immer wieder kommt es nämlich vor, dass medizinische Einrichtungen Vergewaltigungsopfer abweisen, wenn diese die Tat bei der Polizei nicht gemeldet haben. Oder aber die Frauen wenden sich erst gar nicht an einen Arzt, weil sie fürchten, dass dann automatisch ein Gerichtsverfahren in Gang gesetzt wird.

Die Schweigepflicht bindet

Aber das stimmt nicht. „Niemand muss Anzeige erstatten“, bestätigt Angela Wagner von der Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt. Der Berufsverband der Frauenärzte sowie die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe bestätigen, dass auch der versorgende Arzt keiner Anzeigepflicht unterliegt. „Es besteht ärztliche Schweigepflicht, solange die betroffene Frau dies nicht anders entscheidet und keine Anzeige bei der Polizei erstattet.“

Mit einer groß angelegten Kampagne macht die Stadt Frankfurt daher seit Februar vergangenen Jahres darauf aufmerksam, dass sich Betroffenen in der Mainmetropole jederzeit  in einer von sieben Kliniken notfallmedizinisch behandeln lassen können, ohne irgendwelche Folgen fürchten zu müssen. „Frauen, die Gewalt erfuhren brauchen schnelle Hilfe. Nur so können wir gesundheitliche Folgeschäden eindämmen“, sagt Rosemarie Heilig vom Frankfurter Amt für Gesundheit.

Die Hürden für die Frauen senken

Die Versorgung in den beteiligten Einrichtungen erfolgt nach einem standardisierten Verfahren, für das den Ärzten ein eigens entwickelter Dokumentationsbogen zur Verfügung steht. Die Kliniken arbeiten eng mit dem Institut für Rechtsmedizin und dem Frankfurter Frauennotruf zusammen, um die Hürden für die Inanspruchnahme einer ärztlichen Akutversorgung zu senken und die Anzeigenbereitschaft zu steigern.

Das Angebot kommt an. Nach Angaben von Silvia Lenz, Sprecherin der Kampagne, nahmen im vergangenen Jahr 17 Frauen die ärztliche Akutversorgung in Anspruch. Zwei erstatteten im Nachhinein Anzeige. Das Modell ist auch aus Sicht von Dr. Sonja Pilz vom Krankenhaus Frankfurt Hoechst, einer der beteiligten Kliniken, ein großer Erfolg. So hätten allein im Klinikum Hoechst seit Anfang 2013 im Vergleich zu vorher zwei bis drei Mal so viele Frauen von dem Versorgungsangebot Gebrauch gemacht. 

Spuren als Beweis sichern

Pilz erklärt das Modell, das auf drei Säulen beruht: „Die Frauen können sich entweder nur ärztlich behandeln lassen oder aber sie stimmen neben der medizinischen Versorgung auch einer Spurensicherung zu. Als drittes schließlich besteht die Möglichkeit zusätzlich die Polizei einzuschalten.“

Viele Frauen brauchen Bedenkzeit

Die Gynäkologin weiß aus Erfahrung, dass viele vergewaltigte Frauen erst einmal eine Bedenkzeit brauchen, um zu entscheiden, ob sie ein Ermittlungsverfahren in Gang setzen wollen oder nicht. „Für eine gerichtsverwertbare Spurensicherung ist es aber wichtig, die Opfer innerhalb von maximal 72 Stunden zu behandeln.“ Auch deshalb sei eine zeitnahe Versorgung so wichtig. 

Beim Frankfurter Modell werden die Befunde dann ein Jahr lang beim Institut für Rechtsmedizin aufbewahrt. Erstattet die Betroffene innerhalb dieses Zeitraums keine Anzeige, werden die Befunde vernichtet. „Für Minderjährige gilt eine Aufbewahrungsfrist bis zum Eintritt der Volljährigkeit“, erläutert Pilz.

Anderthalb Stunden pro Untersuchung

Das Modell macht bei allen Vorteilen für die Betroffenen aber auch deutlich, dass die Versorgung von Vergewaltigungsopfern nicht mal so eben nebenher machbar ist. Pro Untersuchung und Befundsicherung seien rund ein bis anderthalb Stunden erforderlich, verdeutlicht Pilz. Dieser Aufwand sei in der Regel weder von Niedergelassenen noch von kleineren Kliniken zu leisten, zumal die Versorgung nicht extra vergütet wird. 

Eine intensive Behandlung samt Spurensicherung bringt jede Sprechstunde in den Kollaps“, bestätigt Dr. Corinna Vogt-Hell, niedergelassene Gynäkologin in Frankfurt. Sie sieht sich und ihre niedergelassenen Kollegen gleichwohl in der Nachsorge der Betroffenen in Verantwortung.  

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.