Irre im Film

ck/pm
Gesellschaft
Die Darstellung psychisch kranker Menschen im Film entspricht häufig negativen Klischees und ist fehlerhaft. Darauf verweist das Aktionsbündnis anlässlich der Berlinale.

Mit der Eröffnung der 64. Berlinale steht die Hauptstadt wieder im Zentrum der internationalen Kinowelt. Unter den mehr als 400 Filmen des Festivals gibt es auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Produktionen, die psychische Erkrankungen thematisieren.

Der lebensmüde Mensch im Film

Darunter die Weltpremiere von "A Long Way Down" mit Pierce Brosnan und Toni Collette nach dem Roman von Nick Hornby: Martin (Pierce Brosnan), J.J. (Aaron Paul), Maureen (Toni Collette) und Jess (Imogen Poots) treffen sich zufällig an einem Silvesterabend auf dem Dach eines Hochhauses. Alle vier haben ein gemeinsames Vorhaben - sie wollen sich umbringen.

Doch das Aufeinandertreffen führt dazu, dass keiner seinen Plan in die Wirklichkeit umsetzt. Stattdessen verbringen alle vier die gesamte Nacht gemeinsam auf dem Dach und erzählen sich ihre Lebensgeschichten. Bei Sonnenaufgang schließen sie einen Pakt: Der neue Selbstmordtermin ist am Valentinsstag. Bis dahin wollen Martin, J.J., Maureen und Jess gegenseitig auf sich aufpassen und dafür sorgen, dass jeder die kommenden sechs Wochen überlebt.

Dem Aktionsbündnis zufolge werden im Unterschied zu diesem Film Protagonisten mit psychischen Erkrankungen in deutschen TV-Krimis und Serien häufig als aggressiv, unberechenbar und schuldig dargestellt. Hornby dagegen zeichne seine depressiven Hauptfiguren aus einem humoristischen Blickwinkel und schafft dadurch viel Sympathie.

Massenmedien als einzige Informationsquelle

Diese negativen Klischees verstärkten beim Zuschauer Angst und Unsicherheit gegenüber den Betroffenen und erschwerten den offenen Umgang mit der Erkrankung. „Filme beeinflussen die öffentliche Wahrnehmung von psychischen Störungen deshalb so stark, weil ein großer Teil der Menschen seine Informationen über diese Krankheiten ausschließlich aus den Massenmedien bezieht,“ erläutert Prof. Dr. Wolfgang Gaebel, Vorsitzender des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit, „aus diesem Grund stehen die Filmemacher hier in einer besonderen Verantwortung.“

Das Aktionsbündnis will neben fachlicher Aufklärung auch eine Diskussion darüber anstoßen, was Filme und Fernsehbilder bei den Zuschauern auslösen können und wie sie damit zur Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen beitragen: "Um Berührungsängste abzubauen, müssen Themen wie erfolgreiche Behandlungsmethoden, Lebensbewältigung im Alltag und die unterstützende Rolle der Umwelt stärker in den Fokus rücken", heißt es in der Mitteilung.

Einige Mitglieder des Aktionsbündnisses nutzen das Medium Film bereits, um die öffentliche Diskussion über psychische Erkrankungen zu fördern:

  • Die Eckhard Busch Stiftung und die Kino Gesellschaft Köln präsentieren die Filmserie „Kino zeigt Seele“ zu Themen rund um psychische Erkrankungen. Alle Filme werden von Fachexperten begleitet, die im Anschluss für Fragen zur Verfügung stehen.www.eckhard-busch-stiftung.de/projekte/projekte-2014

  • Der Gemeindepsychiatrische Verbund Berlin-Lichtenberg (GPV) veranstaltet gemeinsam mit dem Kino CineMotion die Filmreihe „Irrsinnig menschlich“.www.cinemotion-kino.de/berlin/events-specials/irrsinnig-menschlich-2014.html

Im Rahmen eines Medienprojekts plant das Bündnis für 2014 eine Schulungsreihe für Drehbuchautoren und Dramaturgen. Bei den Workshops können sich Betroffene, Angehörige, Behandelnde und Filmemacher über die Wahrnehmung und Wirkung psychischer Krankheiten im Film austauschen. Der erste Drehbuch-Workshop findet im April 2014 in Berlin statt.

Das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit ist eine Initiative zur Förderung der Seelischen Gesundheit. Über 70 Bündnispartner beteiligen sich an dem bundesweiten Netzwerk. Initiiert wurde es von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und dem Antistigma - Verein Open the doors. Es kooperiert mit dem BMG und der Arbeitsgruppe Psychiatrie der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden.

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