Dental Emergency Team auf Chios

"Wir möchten den Geflüchteten wenigstens die Zahnschmerzen nehmen!"

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GesellschaftSoziales Engagement
Gerade kehrt Dr. Alexander Schafigh vom jüngsten Einsatz auf Chios zurück. Er ist nach wie vor schockiert über die Lebensumstände der Geflüchteten in den Lagern. Jetzt im Winter ist die Situation dort besonders prekär.

Die Zahnstation, die Schafigh und sein Team im Geflüchtetenlager Vial auf der griechischen Insel Chios aufgebaut haben, besteht nun seit sechs Monaten. Der Aufbau war ein beschwerlich im zweiten Jahr der Pandemie. Die Menschen in den Lagern trifft die Krise besonders hart. Schafigh: „Der Winter ist immer eine Saure-Gurken-Zeit und helfende Hände sind knapp. Nichtsdestotrotz haben wir zum Teil elende Verhältnisse vor Ort und müssen weiter helfen!”

65 Menschen in einem kleinen Raum in Quarantäne

Er berichtet diesmal auch von Besuchen des Ärzteteams in den Quarantänezonen vor Ort. Dort haben sie einmal 65 Menschen vorgefunden, die alle in einem kleinen Raum ausharrten und die 14 Tage abwarten mussten. Auf dem Boden lag nur eine Matratze. „Das sind schon große Herausforderungen für die neu Ankommenden. Insofern ist es wichtig, dass wir denen zu mindestens die Zahnschmerzen nehmen können,” berichtet der Zahnarzt, der gerade von der Insel zurückgekehrt ist.

Im Mai dieses Jahres reisten die beiden Vorsitzenden des Dental Emergency Team e.V., Dr. Armin Reinartz und Dr. Alexander Schafigh, zu ersten Kooperationsgesprächen nach Chios. Mitte Juli konnte dann die Zahnstation im Flüchtlingslager Vial eröffnet werden. Das zahnärztliche Hilfsangebot hatte sich bis dato nur auf die Insel Lesbos mit dem berühmten Lager Moria beschränkt.

Seit der Eröffnung im Juli konnten sie im Refugee-Camp Vial 594 Patienten behandeln. Fast jede Woche ist ein Team vor Ort. „In aller Regel bleiben die unentgeltlich arbeitenden Kolleginnen und Kollegen ein oder zwei Wochen – je nachdem, wie viel Zeit sie aufbringen können. Aber auch Langzeitaufenthalte von bis zu sechs Wochen gab es schon”, erzählt Schafigh.

Behandelt wird in einer alten Fabrikhalle

Die Zahnstation befindet sich in einer alten Fabrikhalle auf dem Lagergelände. Morgens wird der Container der Station von den Gesundheitsbehörden für psychologische Untersuchungen genutzt. Deshalb ist eine Behandlung auch erst ab dem Nachmittag möglich. Behandelt wird von 16 bis 21 Uhr. Alle Patienten werden vor der Behandlung auf Corona getestet, um das Risiko einer Ansteckung so gering wie möglich zu halten.

Die Klinik ist inzwischen sehr gut ausgestattet. Neben den gängigsten zahnärztlichen Instrumenten steht eine gute Auswahl an Materialien für Chirurgie, Kons und Endo zur Verfügung. Für die Endodontie gibt es für die maschinelle Aufbereitung einen Endomotor, ein Endometriegerät und auch ein Tubus-Röntgengerät samt improvisierter, aber alltagstauglicher Handentwicklung.

„Damit ist mit Ausnahme von Prothetik und Kieferorthopädie ein umfangreiches zahnärztliches Spektrum abdeckbar,” berichtet der Zahnarzt und Teamchef. Für das neue Jahr sind wiederkehrende Veranstaltungen zur Mundhygiene-Aufklärung in der Schule, dem Kindergarten und den anderen Organisationen vor Ort geplant.

23 Menschen sind vor Chios ertrunken

„Auch wenn bei uns ungern darüber gesprochen wird: Durch die Nähe zum türkischen Festland, etwa fünf Kilometer entfernt, und die weltweit nicht endende Konflikte, reißt der Strom der Geflüchteten nicht ab. In den ersten Dezemberwochen sind 65 Flüchtende auf Chios angekommen. 23 Menschen sind vor Chios ertrunken,” erzählt Schafigh von der aktuellen Lage.

Bei seinem letzten Besuch und Einsatz Mitte Dezember konnte sich Schafigh persönlich von der Wichtigkeit und vom weiterhin bestehenden Behandlungsbedarf überzeugen. „Die Dankbarkeit der Menschen vor Ort ist jeden Tag erfahrbar, sei es durch Worte oder auch durch spontane Umarmungen.”

Niemand muss sich für einen Strandbesuch schämen

Das Dental Emergency Team sucht weiter Helfer für die schweren Zeiten. Der Weg in den Hilfseinsatz ist weniger kompliziert als die meisten denken, erklärt Schafigh. Er und das Team stehen jederzeit für Fragen und Informationen bereit. Wichtig ist ihm zu betonen, dass keiner hier alleine ist. Wer Anschluss haben möchte, kann mit den internationalen Kollegen zusammenkommen. Dafür bietet sich auch die aktuelle Unterkunft an. Der Austausch kann auch helfen, das Erlebte zu verarbeiten und abseits der Einsatzzeiten auch mal auf andere Gedanken kommen. „Niemand muss sich für einen Strandbesuch schämen, wenn er mal abschalten muss.”Es gibt aber auch die Möglichkeit in circa acht Kilometer Entfernung eine Unterkunft zu buchen, in der man ganz für sich ist.

Voraussetzungen sind mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und eine Berufshaftpflichtversicherung. Gearbeitet wird in einem internationalen Team. Alle Aufwendungen werden auf Anfrage durch den Verein als Spende bescheinigt. Über Geld und Sachspenden freut sich der Verein sehr. Flüge nach Chios gehen über Athen beziehungsweise Thessaloniki.

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E-mail: dental-emt.org _blank external-link-new-window

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