Die Impfstrategie der STIKO

"Wir werden nicht einfach irgendetwas durchwinken!"

pr/pm
Gesellschaft
Wie wirkt sich ein Impfstoff auf die Bevölkerung aus und wer soll geimpft werden? Über die COVID-19- Impfstrategie entscheidet die Ständige Impfkommission (STIKO). Zwei Mitglieder berichten über ihre Arbeit.

Insgesamt 18 Mitglieder hat die STIKO am Robert Koch-Institut (RKI). Zwei davon sind Prof. Dr. Christian Bogdan, Direktor des Mikrobiologischen Instituts – Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene, und Prof. Dr. Klaus Überla, Direktor des Virologischen Instituts – Klinische und Molekulare Virologie. Beide arbeiten am Universitätsklinikum Erlangen. Sie machen zusammen mit Virologen, Mikrobiologen, Kinderärzten, niedergelassenen Allgemeinmedizinern, Vertretern des Öffentlichen Gesundheitsdiensts, Ethikern und Statistikern die Vorarbeiten für eine bundesweite Impfstrategie.

Die erste Zulassung kommt noch im Dezember

„Ich gehe davon aus, dass die Zulassung eines oder mehrerer COVID-19-Impfstoffe noch im Dezember 2020 erfolgen wird und dass wir auch zeitnah unsere Strategie veröffentlichen“, erläutert Bogdan. „Verabreicht werden könnte der Impfstoff wahrscheinlich schon Anfang 2021.“

Normalerweise beurteilt die STIKO einen Impfstoff erst dann, wenn er bereits zugelassen ist. Eine Impfstoffentwicklung hat in der Vergangenheit manchmal 10 bis 15 Jahre gedauert. Diesmal geht es schneller: Die STIKO evaluiert die Corona-Impfstoffe parallel zum Zulassungsverfahren, und viele Verwaltungs- und Entscheidungsprozesse wurden extrem beschleunigt.

Derzeit trifft sich die COVID-19-AG der STIKO alle zwei Wochen online. Arbeitsgruppen-Meetings finden damit viel häufiger statt als vor der Corona-Pandemie. Bogdan: „In der Arbeitsgruppe analysieren wir die umfangreiche Literatur zu COVID-19. Es geht vor allem um die Frage, was man mit der COVID-19-Impfung erreichen will und wer geimpft werden soll“,

Wir wollen keine Zeit verlieren, aber ...

Bogdan betont: „Wir wollen keine Zeit verlieren. Trotzdem werden wir nicht einfach irgendetwas durchwinken.“ Die Zahlen zur Wirksamkeit seien momentan aber „sehr vielversprechend“, ergänzt er. An einer detaillierten Nutzen-Risiko-Bewertung und an den Sicherheitsanforderungen habe sich aber nichts geändert.

Die Daten aus klinischen Phase-I- und Phase-II-Studien mit ersten Kandidaten liegen bereits vor und auch die Ergebnisse aus den Phase-III-Studien soll die STIKO in Kürze erhalten. In den derzeit laufenden Phase-III-Studien wird überprüft, ob Geimpfte neutralisierende Antikörper gegen das Virus SARS-CoV-2 bilden und ob bei den Probanden zudem eine spezifische Immunantwort aufgebaut wird, die durch T-Lymphozyten – also bestimmte weiße Blutzellen – vermittelt wird.

„In den Studien wird erfasst, wie viele COVID-19-Infektionen bei den Geimpften im Vergleich zu einer ungeimpften Kontrollgruppe auftreten. So kann die Wirksamkeit eines Impfstoffs abschließend beurteilt werden“, erklärt Überla. „Wenn die Studienunterlagen dann zur STIKO kommen, prüfen wir, ob Wirksamkeit und Sicherheit ausreichend nachgewiesen wurden und ob der Nutzen der Impfung für die Bevölkerung so groß ist, dass wir eine Empfehlung aussprechen können“, erzählt er.

Wir müssen auch entscheiden, wer den Impfstoff zuerst bekommt

„Wir müssen auch darüber entscheiden, welche Personengruppen den Impfstoff überhaupt erhalten sollen beziehungsweise wer ihn zuerst bekommt. Oberste Ziele sind, Risikogruppen wie Ältere und Menschen mit Grunderkrankungen bestmöglich zu schützen und eine Weiterverbreitung des Virus zu verhindern.“

90 - 90 - 90

Die Hoffnung der Wissenschaftler: Innerhalb von 90 Tagen nach Zulassung des Impfstoffs sollen 90 Prozent der Hochrisikogruppen geschützt werden, mit einer Wirksamkeit von 90 Prozent. Positiv bewerten sie, dass die Phase-III-Studien für den Corona-Impfstoff deutlich größer angelegt sind als bei vielen früher zugelassenen Impfstoffe: über 43.000 Personen bei mRNA-Impfstoffen und zu einem der Adenovirus-basierten COVID-19-Impfstoffe sind bis zu 60.000 Probanden vorgesehen.

Bei so großen Gruppen erkennt man auch seltene Nebenwirkungen

Bogdan: „Bei so großen Gruppen können wir auch seltene Nebenwirkungen erkennen, die zum Beispiel bei weniger als einem von 1.000 Geimpften auftreten.“ Dabei sei immer auch zu prüfen, ob Nebenwirkungen kausal auf die Impfung zurückzuführen sind oder ob sie einfach zufällig mit einer Impfung zusammentrafen. Deshalb müsse es eine langfristige gründliche Dokumentation von unerwünschten Ereignissen geben, die möglicherweise mit der Impfung in Verbindung stehen.

„Es geht letztlich immer um eine Nutzen-Risiko-Abwägung. Sehr seltene Nebenwirkungen werden wir erst beobachten können, wenn der Impfstoff längerfristig genutzt wird und wenn wir Anwendungsstudien machen können. Langzeitfolgen sind aber sehr selten. Die meisten unerwünschten Ereignisse treten schon zwei, drei Wochen nach einer Impfung auf“, ergänzt Überla.

Hintergrund STIKO

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Gassen: In zwei Monaten durchimpfen

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 Zwei Mitglieder geben Einblick:

„Wir wollen nicht einfach irgendetwas durchwinken“

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