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Jeder Fünfte ist arm oder ausgegrenzt

mg/dpa
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Immer mehr Deutsche leben in Armut - sie können ihre Miete nicht rechtzeitig bezahlen oder müssen an Mahlzeiten sparen. Trotzdem ist die große Mehrheit optimistisch und konsumfreudig.

Fast 20 Prozent der Deutschen sind von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Den übrigen 80 Prozent der Menschen im Land geht es dagegen finanziell gut bis sehr gut. Das ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes das Ergebnis der Erhebung "Leben in Europa 2011", für die in Deutschland unter anderem rund 13.500 Haushalte befragt wurden.

Rund 16 Millionen Menschen - und damit etwa jeder fünfte Einwohner (19,9 Prozent) - können nur eingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Im Vergleich zum Vorjahr (2010) sei dies ein Anstieg um 0,2 Prozentpunkte, berichtete das Bundesamt. Frauen waren mit einer Quote von 21,3 Prozent häufiger von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen als Männer (18,5 Prozent).

Von Armut bedroht ist, wer weniger als 952 Euro pro Monat verdient

Ausgegrenzt ist per Definition, wer seine Mieten oder Rechnungen nicht rechtzeitig bezahlen, die Wohnung nicht ausreichend heizen, sich nicht mindestens jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit leisten oder nicht in Urlaub fahren kann, heißt es.

Der Sozialindikator wurde aus der Armutsgefährdungsquote nach Einkommen, Erwerbstätigkeit und nach der eigenen Einschätzung der Befragten errechnet. Darin enthalten sind von Armut Bedrohte, deren Einkommen unter 952 Euro monatlich liegt - immerhin 15,8 Prozent der Menschen in Deutschland. Außerdem wurden jene Bürger einbezogen, die in Haushalten mit sehr geringer Erwerbstätigkeit leben: In 11,1 Prozent der Haushalte wird nur wenige Monate im Jahr Arbeitslohn bezogen.

72 Prozent der Befragten haben keine Angst um ihren Arbeitsplatz

Armut lasse sich nicht allein an einer Einkommensschwelle festmachen, sagte Destatis-Expertin Silvia Deckl.  Finanziell gut bis sehr gut kommen einer anderen Studie zufolge rund vier Fünftel der Deutschen zurecht. Der Anteil dieser "finanziell Zufriedenen" sei seit der vergangenen Untersuchung vor zwei Jahren sogar gestiegen, teilte der Nürnberger GfK-Verein unter Berufung auf eine repräsentative Studie mit. Laut GfK haben 72 Prozent der Beschäftigten trotz Euro-Krise und schwächelnder Konjunktur keine Angst um ihren Arbeitsplatz.

Ein am Dienstag veröffentlichtes "Vermögensbarometer" des Sparkassenverbandes weist die meisten Deutschen als optimistisch und konsumfreudig aus - trotz Euro-Krise. Demnach beurteilten 57 Prozent der Befragten ihre persönliche finanzielle Situation mit "gut" bis "sehr gut" - ein in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegener Wert. Nur neun Prozent gaben an, es gehe ihnen finanziell "eher schlecht". Für die repräsentative Studie wurden im Juli und August 2.000 Menschen in Deutschland telefonisch zu ihrem Umgang mit Geld befragt.

Sozialverband bewertet Umfrageergebnis als Alarmsignal

Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind aus Sicht des Sozialverbands VdK ein Alarmsignal: "Sie sind ja nicht das Ergebnis eines dramatischen Wirtschaftseinbruches, sondern die Folge politischer Fehlentwicklungen", sagte die Verbandsvorsitzende Ulrike Mascher der "Augsburger Allgemeinen" und verwies auf die steigende Zahl von Billiglöhnern und Minijobbern.

Das ist auch für SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles das Grundproblem: "Viele Menschen haben nicht die Chance, mit gut bezahlter Arbeit den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu verdienen." Wer Armut bekämpfen wolle, müsse für Mindestlöhne und anständige Bezahlung sorgen, sagte Nahles.

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