Vorgesetzte haben Fürsorgepflicht

Arztgesundheit: Mediziner ergänzen Musterberufsordnung

pr
Arztgesundheit war das Thema auf dem Ärztetag in Münster. Dementsprechend wird nun die Musterberufsordnung ergänzt: Mediziner als Vorgesetzte müssen aufgrund ihrer Fürsorgepflicht das gesundheitliche Wohl ihrer nachgeordneten Mitarbeiter besonders beachten.

Die Delegierten des 122. Deutschen Ärztetages wollten mit dem Leitthema „Wenn die Arbeit Ärzte krank macht“ deutliche Botschaften an Politik, Öffentlichkeit und auch in die Kollegenschaft senden: Arztgesundheit ist ein entscheidender Part auch für eine gute Patientenversorgung. Denn nur wenn es dem Arzt gut geht, gehe es auch dem Patienten gut, hieß es bei den Diskussionen. Das betrifft die Sorge für die eigene Gesundheit (self care) genauso wie die des Teams (staff care).

Es geht um Arbeitsbedingungen, die psychische Gesundheit, aber auch um die Führungskultur

Wichtig seien dabei stimmige Arbeitsbedingungen, psychische Gesundheit, aber auch die Führungskultur in Praxen und Krankenhäusern.

Änderung der (Muster-)Berufsordnung

Der Deutsche Ärztetag hat die Bundesärztekammer aufgefordert, folgende Ergänzung in der (Muster-)Berufsordnung für Ärzte zu prüfen und einzufügen: „Ärztinnen und Ärzte als Vorgesetzte haben im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht in besonderem Maße das gesundheitliche Wohl ihrer nachgeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beachten.“

Die Debatten nahmen mit fachlichen Vorträgen und 32 abzustimmenden Anträgen einen breiten Raum ein. Ein entscheidender Faktor für gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Arztpraxen sind nach Auffassung der Delegierten gesetzliche und ökonomische Rahmenbedingungen, vor allem auch die Finanzierung der Leistungen im Gesundheitswesen. Das Ärzteparlament forderte unter anderem:

  • die Arbeitsschutzregelungen einschließlich des Arbeitszeitgesetzes konsequent einzuhalten,

  • den Personalschlüssel auf arbeitswissenschaftlicher Grundlage auszugestalten

  • Ärzte von Verwaltungstätigkeiten zu entlasten und ihnen mehr Zeit für die Patientenversorgung zu ermöglichen,

  • lebensphasengerechte Unterstützungsangebote (wie flexible Arbeitszeitmodelle) in allen Versorgungsbereichen zu schaffen, damit Beruf, Familie, Freizeit und Pflege von Angehörigen besser miteinander vereinbar werden,

  • eine Organisations- und Personalentwicklung,

  • den Abbau starrer Hierarchien und die Einführung von Teamarztmodellen,

  • einen an der Gesundheit der Mitarbeiter orientierten, wertschätzenden und kooperativ ausgerichteten Führungsstil,

  • den Aufbau von Fortbildungsangeboten sowie von Beratungsangeboten für belastete Ärzte

  • sowieden Aufbau von Präventionsangeboten gegen körperliche und verbale Gewalt am Arbeitsplatz.

Ihre Forderungen begründen die Delegierten mit ihrer Sorge, dass die Arbeitssituation von Ärzten zunehmend geprägt ist von Kosten- und Zeitdruck, Personalmangel, Arbeitsverdichtung mit Verkürzung des Arzt-Patienten-Kontakts, einer Zunahme an berufsfremden Tätigkeiten, der Nichteinhaltung von Arbeitsschutz- und Arbeitszeitregelungen, einer unzureichenden Einbindung von Ärzten in organisatorische Entscheidungen und dem Verlust an Handlungsautonomie.

Zum Thema Arbeitsschutz riefen die Delegierten die Ärzte in Deutschland dazu auf, zur Erhaltung der eigenen Gesundheit auf ihre Arbeitsbedingungen zu achten und auch die ihnen juristisch zustehenden Arbeitsrechte einzufordern:

„Dass sich Ärztinnen und Ärzte in Deutschland gegen unzählige unbezahlte Überstunden und fehlende Pausenzeiten nicht wehren, wird längst betriebswirtschaftlich einkalkuliert. Erst wenn es für das Gesundheitssystem unrentabel wird, mit Ärztinnen und Ärzten so zu verfahren, werden die Arbeitsbedingungen ihren gesundheitsgefährdenden Charakter verlieren. Doch hierzu müssen wir zunächst selbst erkennen, dass wir mit jeder unbezahlten Überstunde und jeder verpassten Pause nicht nur uns, sondern auch unseren Kolleginnen und Kollegen schaden, auch wenn Patientenmitgefühl und letztlich auch ein gewisser ärztlicher Stolz uns immer so weitermachen lassen wie bisher.“

Nach wie vor seien zudem Infektionsgefährdungen und ergonomisch ungünstig gestaltete Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen Realität, betonten die Delegierten. Auch würden die Chancen des technologischen Fortschritts für eine Entlastung nicht genutzt, im Rahmen von Digitalisierungsprojekten kommt es sogar oft zu einer Mehrbelastung. Hinzu komme, dass viele junge Ärzte bereits von einer Erschöpfungssymptomatik berichten.

Verweis Genfer Gelöbnis

In den Debatten auf dem Ärztetag wurde auch auf diesen Passus im Genfer Gelöbnis verwiesen: „Ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlergehen und meine Fähigkeiten achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können.“

Psychische Gesundheit und Resilienz war ein weiterer Themenblock, der vom Ärzteparlament intensiv diskutiert wurde. Stressbewältigung sollte als Teil der ärztlichen Ausbildung in das Curriculum aufgenommen werden, forderten die Delegierten.

Ärzte müssen Selbstfürsorge und die eigene Achtsamkeit verbessern

Ärzte seien bereits vom Studium an in ihrem Arbeitsalltag immensen psychischen und körperlichen Belastungen und einem hohen Stresslevel ausgesetzt, erklärten sie dazu. Der Prävention von Stress werde innerhalb der Ärzteschaft aber eine zu geringe Bedeutung beigemessen. Ärzte müssten ihre Selbstfürsorge und die eigene Achtsamkeit verbessern und auch Kollegen darin bestärken. Die Landesärztekammern wurden aufgefordert, die Themen Resilienz und Stressbewältigung verstärkt in ihrem Angebot zu berücksichtigen.

Ein großer Belastungsfaktor für Ärzte sei auch die oft mangelhalte Führungskultur in ärztlichen Einrichtungen, wie die Delegierten herausstellten. Sie forderten, dass ärztliche Führungskräfte die notwendigen Kompetenzen erwerben, um Mitarbeiter wertschätzend und damit gesund und motivationserhaltend führen zu können sowie Feedback-Praktiken und Selbstreflexion zu vertiefen. Dazu gehöre auch eine wertschätzende und zielführende Kommunikation.

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