Wie die AOK eine Ärzteschwemme herbeiredet

pr/pm
Dem neuen WidO-Ärzteatlas 2016 zufolge gibt es zu viele Ärzte: International stehe Deutschland mit 4,1 praktizierenden Ärzten je 1.000 Einwohner auf einem der Spitzenplätze. Jedoch: ein Großteil ist über 60.

Die Zahl der Ärzte sei schlecht verteilt, rechnet  das Wissenschaftliche Institut der AOK (WidO) vor. Die genauen Zahlen laut Ärzteatlas: Im Jahr 2015 wurden mit 456 berufstätigen Ärzten je 100.000 Einwohner deutschlandweit fast 50 Prozent mehr Mediziner gezählt als noch im Jahr 1991 mit 304 Ärzten. Dabei verzeichneten alle Bundesländer deutliche Zuwächse. Seit 1980 hat sich die Arztdichte in Deutschland sogar mehr als verdoppelt. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei der Arztdichte auf Platz 5 von insgesamt 34 Staaten. 

WidO: Das Plansoll ist um ein Drittel übertroffen

Nach der aktuellen Bedarfsplanung für die ambulante vertragsärztliche Versorgung liegt in Deutschland insgesamt kein Ärztemangel vor, heißt es in der Untersuchung weiter. Vielmehr wird das Plansoll über alle Arztgruppen hinweg bundesweit um fast ein Drittel übertroffen.

Der Gesamtversorgungsgrad liegt demnach bei sämtlichen ärztlichen Fachrichtungen deutlich über dem Soll. Auch im hausärztlichen Bereich ergibt sich 2015 bundesweit ein Gesamtversorgungsgrad von 109,6 Prozent. Bezogen auf die Ebene der KVen gibt es demzufolge nirgendwo eine Unterdeckung. Insgesamt sind laut WidO 44 Prozent aller Planungsbereiche bei Hausärzten rechnerisch überversorgt. 

De facto eine Unterdeckung: Ein Drittel der Hausärzte ist über 60

Jedoch, so räumt das WidO weiter ein, gibt es vor allem im hausärztlichen Bereich eine große Zahl an älteren Ärzten, die vermutlich auf absehbare Zeit Praxisnachfolger suchen wird oder dies bereits tun. Bundesweit ist nämlich ein Drittel der Hausärzte 60 Jahre oder älter.

Zwar müsse, insbesondere in den überversorgten Städten und Kreisen, nicht jeder frei werdende Arztsitz wieder besetzt werden. Kritischer stelle sich die Lage allerdings dort dar, wo ungünstige Faktoren zusammenkommen: niedriger Versorgungsgrad, hoher Altersanteil bei den Ärzten und Schwierigkeiten mit der Wiederbesetzung. 

Ärztlicher Nachwuchs wird in den kommenden Jahren vor allem im hausärztlichen Bereich benötigt, so das WidO. Der Überalterung der Mediziner in der sogenannten Basisversorgung steht eine unzulängliche Zahl an Nachwuchs gegenüber, zitiert das WidO aus diversen Quellen (Ärzteatlas 2016, Seite 257). Es sei durchaus fraglich, ob die nachwachsende Medizinergeneration sich in ausreichender Zahl mit dem Berufsfeld der Allgemeinmedizin identifiziert.

KBV sieht Tendenz zur Teilzeit nicht berücksichtigt

Kritik kam von Seiten der KBV. Presseberichten zufolge führt die KBV an, dass der Ärzteatlas wichtige Aspekte der Versorgung nicht berücksichtige. Dazu gehöre die Tendenz zur Teilzeit und die steigende Zahl angestellter Ärzte in der ambulanten Versorgung. Die Zahl der tatsächlich geleisteten Arztstunden sei sehr viel weniger gestiegen als die Ärztezahlen das auf den ersten Blick nahelegen: Aus der KBV-Statistik geht demnach hervor, dass im Jahr 2015 insgesamt 167.316 Ärzte und Psychotherapeuten an der vertragsärztlichen Versorgung teilnahmen. Davon waren 144.769 Ärzte und 22.547 psychologische Psychotherapeuten. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich die Gesamtzahl um 2.369 erhöht (1,4 Prozent). Wegen des anhaltenden Trends zu Anstellung und Teilzeit stieg die Zahl der Arztstunden laut KBV-Statistik jedoch lediglich um 0,2 Prozent. Außerdem gibt es laut KBV einen Mangel an grundversorgenden Ärzten.

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