Auf Nähe und Distanz achten

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Praxis
Prof. Michael Krämer, Vizepräsident des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen, gibt im Interview Tipps für Zahnärzte, die sich speziell auf Migranten oder Menschen mit Behinderung einstellen wollen.

zm-online: Was kann ein Zahnarzt in seiner Praxis konkret zu einer besseren Integration und Inklusion beitragen?

Es gibt zunächst die sprachliche Komponente. Dadurch könnte man eine bessere Kommunikation in Gang bringen. Wenn eine Person aus einem anderen Kulturkreis kommt, muss man auf Nähe und Distanz achten. Es ist ein direkter Kontakt, der beim Zahnarzt stattfindet - da kann es zwischen den verschiedenen Geschlechtern schwierig werden, je nach Kulturkreis. Hier sollte man zumindest darauf achten, vorsichtig zu sein, nicht zu überrennen, sondern sich langsam zu nähern - einfach erklären, was passiert. Das ist meines Erachtens in der zahnärztlichen Praxis ganz wesentlich.

Was Zahnärzte sowieso beherrschen müssen, ist der Umgang mit Ängsten. Es gibt Zahnärzte, die intuitiv ein Gespür haben und mit Ängsten vor zum Beispiel Schmerzen umgehen können. Möglicherweise gibt es aber auch hier den Bedarf, sich vorher mit den Patienten auseinanderzusetzen, wenn es unterschiedliche Kulturkreise sind. 

Und was ist bei Menschen mit Behinderungen besonders zu beachten?

Das Spektrum der Behinderungen ist sehr breit - von der körperlichen bis zur geistigen Behinderung. Hier muss spezifiziert werden: Welche Behinderung liegt vor? Welche zusätzlichen Hemmschwellen entstehen dadurch? Wie kann speziell darauf eingegangen werden?

Wenn eine Person so weit eingeschränkt ist, dass sie besonderen Betreuungsbedarf hat, also gar nicht alleine in die Praxis kommen kann, wäre es schön, wenn der Zahnarzt vorher die Möglichkeit hätte, sich kurz mit dem Betreuer abzustimmen, um sich zu informieren, wo spezielle Hemmnisse oder Schwierigkeiten liegen.

Im Umgang mit Menschen mit Behinderung wird der Zeitbedarf höher sein. Und Zeit ist für Zahnärzte ein ganz wertvolles Gut. Wenn aber der Zahnarzt hier ein Gespür hat oder einen eigenen Zugang entwickelt, dürfte der erhöhte Zeitbedarf weniger zum Problem werden.

Was muss ein Zahnarzt bedenken, der sich speziell auf Menschen mit Behinderung und/oder Migrationshintergrund einstellen will?

Was ich empfehlen würde, wenn jemand diesen Weg geht: sich im Vorfeld mit Personen zusammenzusetzen, die auf diesem Feld arbeiten und die Erfahrungen auszutauschen. Über unseren Berufsverband gibt es die Chance, so einen Kontakt herzustellen. Man könnte auch mehrere interessierte Zahnärzte zusammenführen und eine Art Training oder eine Informationsveranstaltung machen. Aber auch individuelle Gespräche sind möglich. Dort kann ein Zahnarzt, der motiviert, aber noch unsicher ist, das Ganze besprechen, was für ihn sicher eine Hilfestellung ist.

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