50 Jahre elektrische Zahnbürste

Julia Rommelfanger
Zahnmedizin
100 Jahre nach der ersten Nutzung des elektrischen Stroms surrten endlich die ersten elektrischen Zahnbürsten in deutschen Badezimmern. Heute rotieren oder vibrieren sie praktisch in aller Munde.

Die elektrische Zahnbürste ist also eine verhältnismäßig junge Erfindung. Obwohl der erste automatische Prototyp schon 1880 auf Antrag eines Dr. Scott patentiert wurde, dauerte es weitere 60 Jahre, bis die Hersteller Modelle entwickelten, die man tatsächlich benutzen konnte - sie versprachen Verbrauchern eine einfachere und gleichzeitig effektivere Mundhygiene.

Das erste automatische Modell, die „Broxodent”, entwickelte Dr. Philippe-Guy Woog 1954 in der Schweiz. Aber erst neun Jahre später brachte die Firma Oral B die erste kommerzielle Bürste, die „Mayadent“, auf den Markt, die aus einem länglichen Bürstenkopf mit drei Borstenreihen bestand. An die 40 weitere Modelle elektrischer Bürsten mit länglichem, seitwärts schwenkendem Bürstenkopf kamen vor 50 Jahren auf den Markt.

Eine Bürste für Grobmotoriker

Allerdings avancierte diese erste Generation der elektrischen Zahnbürsten, die die Bewegungen der Handzahnbürste mit nachahmten, kaum zum echten Kassenschlager. Eher wurde sie belächelt und konnte sich nur bedingt gegen ihr manuelles Vorbild durchsetzen, auch aufgrund der noch äußerst unhandlichen Stromkabel, die die manche der ersten Modelle mit sich führten.

Andere liefen mit Batteriebetrieb – doch kamen auch diese Modelle für heutige Verhältnisse klobig und unhandlich daher. Auch die Wissenschaft attestierte der ersten Generation keinen Vorteil gegenüber konventionellen Handzahnbürsten; Zahnärzte empfahlen sie lediglich Patienten mit eingeschränkter Feinmotorik.

Lange fristete die elektrische Zahnbürste ein Schattendasein, galt als unnützes „Zukunftsprodukt“ der 70er Jahre. Doch in den 1980er Jahren schafften die technisch verbesserten Geräte der zweiten Generation einen ersten Durchbruch: Dann nämlich sorgten die ersten rotierenden Bürstenköpfe für so viel Wirbel, wie ihn die menschliche Hand niemals erzeugen könnte. Die innovativen kurzkopfigen Reiniger entfernten Plaque mit komplexen Bürstenbewegungen - somit machten sie dem Putzen mit der Handzahnbürste echte Konkurrenz.

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Saubere Zähne, Zahnfleisch kaputt

Zu den Modellen dieser zweiten Generation zählten etwa die Interplak der US-Firma Bausch & Lomb mit gegenläufig oszillierenden Borsten oder die Braun D3 von Oral B. Diese ersten Modelle reinigten zwar effizient, jedoch mit unerwünschten Nebenwirkungen, genauer gesagt, Zahnfleischverletzungen.

Ende der 1980er und zu Beginn der 1990er Jahre entwickelte die elektrische Zahnbürste also ihre eigene Identität, durch ihre spezifisch elektrische Putztechnik, und war fortan aus dem Repertoire der Mundhygiene-Produkte nicht mehr wegzudenken. In den 1990er Jahren brachten die Hersteller zudem mehr batteriebetriebene Modelle auf den Markt, die das lästige Stromkabel nahezu überflüssig machten.

Da ihre kleinen, runden Bürstenköpfe den Instrumenten des Zahnarztes gleichen, machten sie bei Verbrauchern zudem einen professionellen Eindruck. Oszillierend-rotierend, das heißt, mit kleinen, schnellen Kreisbewegungen in beide Richtungen, wischten die Bürstenköpfe die Plaque vom Zahn.

Mit spezieller Putztechnik zur eigenen Identität

Zahlreiche Studien bescheinigten der Innovation effiziente und gleichzeitig schonende Reinigung, weshalb auch Zahnmediziner seither die elektrische Variante der händischen Reinigung vorziehen und diese den meisten ihrer Patienten empfehlen. Dabei säubert die Elektrische keineswegs schneller - das Zähneputzen geht jedoch leichter von der Hand, weil die elektrische Bürste komplexe Putzbewegungen automatisch ausführt.

Denn viele Patienten, die ihre Zähne mit einer herkömmlichen Zahnbürste reinigen, wenden leicht eine falsche Putztechnik wie horizontales Schrubben an oder bürsten nicht lange genug. Da die Putzzeit bei korrekter Technik mit der Plaque-Reduzierung einhergeht, ist ein integrierter Timer nicht nur ein nettes technisches Gadget, sondern ein echtes Hilfsmittel zum Einhalten der empfohlenen zweiminütigen Putzdauer. 

Eine weitere Technologie brachte die dritte Generation des elektrischen Putzgeräts hervor: Piezoelektrisch, das heißt, mittels gegenpoliger Magnetfelder erzeugte Borstenvibrationen mit einer Frequenz von 200 bis 300 Hertz entfernen Beläge praktisch ohne Druck auf Zähne und Zahnfleisch. Durch die Vibration an den Borstenenden sollen die Beläge zunächst „aufgerüttelt“ werden, um sie dann leichter entfernen zu können. Besonders Patienten mit Dreh- und Kippständen oder mit Zahnersatz profitieren daher von dieser Schalltechnologie. Die erste elektrische Schallzahnbürste mit länglichem Bürstenkopf brachte die Firma Philips 1992 in den USA auf den Markt.

###more### ###title### Elektrische Reinigung ist Trumpf ###title### ###more###

Elektrische Reinigung ist Trumpf

Inzwischen ist erwiesen, dass die elektrischen Bürsten die Haftkraft des Biofilms an der Zahnoberfläche besser überwinden als die manuelle Variante. Ob rund oder länglich, oszillierend oder vibrierend –  die Wissenschaft steht hinter der strombetriebenen Bürste und bescheinigt ihr effektive Plaqueentfernung und damit eine Vorbeugung von Karies, Parodontitis und Periimplantitis.

Dass die oszillierend-rotierenden Zahnbürsten sowohl Plaque besser entfernen als auch Gingivitis effektiver vorbeugen als die Handzahnbürste, zeigte schon eine erste Cochrane Meta-Analyse von 29 randomisierten klinischen Studien, die von 1964 bis 2002 durchgeführt wurden [1]. Dabei reinigen die elektrischen Putzer genauso schonend wie die Handzahnbürsten - auch das bestätigt der Cochrane Review.

Vor allem schallbetriebene Modelle glänzen durch gute Plaqueentfernung bei gleichzeitiger Schonung des Weichgewebes. Seit 1998 setzen Forscher auch eine Kombination aus Oszillationen und Pulsation ein. Der aktuellste Cochrane Review zur händischen versus automatischen Zahnreinigung von 2014 bestätigte das erste Ergebnis von 2002: Die elektrische Zahnbürste landete erneut vorne hinsichtlich Plaqueentfernung und Gingivitis-Verminderung [2].

In einer weiteren Meta-Analyse des Cochrane-Institits aus dem Jahr 2010 unterteilten Deacon et al. die elektrischen Zahnbürsten, die sich heute auf dem Markt befinden, in sieben unterschiedliche Gruppen [3]: Bürstenköpfe mit lateralen Bewegungen; mit Konter-Oszillation, bei denen benachbarte Borstenbüschel unabhängig voneinander in entgegengesetzter Richtung rotieren; Bürsten mit Rotation-Oszillation; Bürstenköpfe mit Kreisbewegungen in eine Richtung; Ultraschall-Zahnbürsten, die mit einer Frequenz von mehr als 20 kHz vibrieren; Zahnbürsten mit multidimensionalen Bürstenbewegungen und Bürsten mit ionischer Wirkung. Bei Letzteren, die in Japan und den USA sehr populär sind, werden mittels Titanoxid und Licht negativ geladene Ionen erzeugt, die wiederum die positiv geladenen Säurepartikel neutralisieren.

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Von 8.000 Rotationen bis 1,6 Millionen Schwingungen

Bei uns konkurrieren vor allem rotierend-oszillierende Systeme mit etwa 8.000 Rotationen pro Minute mit Schallzahnbürsten, die bis zu mehr als 40.000 Schwingungen pro Minute erzielen, sowie mit Ultraschallzahnbürsten, die es sogar auf 1,6 Millionen Schwingungen in der Minute bringen und keinen direkten Kontakt zur Zahnoberfläche haben. Letztere könnten jedoch nicht nur dem Geldbeutel, sondern auch den Ohren wehtun - so unangenehm sind zum Teil die Geräusche - und sind weniger verbreitet als die Schallzahnbürsten.

Neben Timern, die die Putzzeit optisch und akustisch anzeigen, haben elektrische Bürsten heute aufwendige technische Features wie verschiedene Putzeinstellungen, etwa für sensible Zähne, und moderne Raffinessen wie Uhr, LED-Anzeige oder eine Aufladestation in Form eines Zahnbechers.

Wer solche Gadgets wünscht, muss allerdings für eine Zahnbürste tief in die Tasche greifen - die teuersten Modelle mit umfangreichem Zubehör, etwa die Phillips Sonicare Diamond Clean und die Panasonic EW-DL4, kosten rund 160 Euro.

Mit einigen Modellen kann der Nutzer sogar direkt kommunizieren - per SmartGuide bei Modellen von Oral-B etwa, einem externen Display, das durch Feedback hilft, die Putzgewohnheiten zu verbessern. Das zeigt etwa an, wo und wie lange geputzt werden sollte und ob zu fest aufgedrückt wird.

Auch Biene Maja putzt

Heute steht in etwa 30 Prozent der deutschen Badezimmer eine elektrische Zahnbürste. Schon die Kleinsten können ihre Milchzähne bequem und automatisch reinigen. Und siehe da: Durch das Brummen der Biene Maja-Zahnbürste oder einem Musik-Timer, den die Mickey Mouse-Zahnbürste mitbringt, findet der ein oder andere putzfaule Fünfjährige plötzlich Spaß an der Zahnreinigung. Dr. Johann Rauch, Zahnarzt in Weiden in der Oberpfalz, empfiehlt sie sogar schon Zweijährigen: „Da Kinder meistens noch nicht so intensiv putzen, kann die elektrische Bürste diese Defizite ausgleichen“, sagt er.

Generell empfiehlt er seinen Patienten elektrisch zu putzen: „Nach unserer Erfahrung in der Praxis verbessert sich die Mundhygiene unserer Patienten deutlich, wenn sie auf eine elektrische Zahnbürste umsteigen.“ Viele Zahnärzte sind seiner Meinung - vor allem, weil die elektrische Bürste durch ihre mehrere Tausend Bürstenkopfbewegungen in der Minute innerhalb der gleichen Zeit intensiver reinigt als die Handzahnbürste, und von sich aus die richtigen Putzbewegungen ausübt.

[1] Sicilia A et al: J Clin Periodontol. 2002;29 Suppl 3:39-54; discussion 90-1[2] Yaacob M et al: Cochrane Database Syst Rev. 2014 Jun 17[3] Deacon SA et al: Cochrane Database Syst Rev. 2010 Dec 8

Julia RommelfangerRedakteurin, Diplom-Sportwissenschaftlerin41462 Neuss

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