Neue Studie aus Frankfurt und Mainz

Auswirkungen von Bisslage und UK-Beweglichkeit auf die Körperhaltung

Kerstin Albrecht
Zahnmedizin
Wissenschaftler aus Frankfurt und Mainz untersuchten die Zusammenhänge zwischen der Kontrolle der Körperhaltung bei Kieferbewegungseinschränkungen und verschiedenen Okklusionstypen. Sie fanden Korrelationen zwischen einzelnen zahnmedizinischen Befunden und der Körperhaltungskontrolle. Die Frage nach der Praxisrelevanz dieser Erkenntnisse drängt sich allerdings auf.

Die Wissenschaftler schlossen 100 gesunde Frauen zwischen 41 und 50 Jahren in ihre Studie ein, um von vornherein alters- oder geschlechtsspezifische Einflussfaktoren zu vereinheitlichen. Zum Beispiel haben in dieser Altersgruppe bei Frauen die Wechseljahre eher noch nicht eingesetzt und die weitreichenden hormonellen Veränderungen dieser Lebensphase haben noch nicht stattgefunden. Auf der anderen Seite gibt es aber schon erste Alterungsprozesse, die die Körperhaltung, die Gelenke und die Konstitution betreffen können.

Auch in puncto Körperkonstitution und Gewicht war das Studienkollektiv mit einem durchschnittlichen BMI von 25 ± 5 kg/m

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relativ einheitlich (normales Gewicht 18,5 bis 24,9; ab 25 Übergewicht, ab 30 adipös). Etwa die Hälfte aller Probandinnen machte regelmäßig Sport, die andere Hälfte nicht.

Ausgeschlossen: Frauen mit mandibulären Störungen

Zu Beginn der Studie wurden anamnestisch Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Tinnitus, Osteoporose und rheumatoide Arthritis erhoben. Weiterhin erfragten die Forscher Gelenk- und Kopfschmerzen, Migräne, Geräusche im Kiefergelenk, Operationen am Bewegungsapparat und Medikamenteneinnahme. Deutete eine kurze, klinische Untersuchung des Kiefergelenks auf eine temporo-mandibulären Störung hin, wurde die Probandin von der Studie ausgeschlossen.

Die Forscher stellten die Frauen auf eine Sensorplatte, um die Druckverteilung des Körpergewichts auf die Fußsohle zu ermitteln. Mit dem Kieferregistrierungssystem Jaw Motion Analyzer (Zebris Medical GmbH, Isny, Deutschland) führten sie eine Funktionsanalyse des Unterkiefers durch. Die Forscher unternahmen weiterhin eine komplette Modellanalyse, einschließlich der Okklusionsbeziehung von Oberkiefer zu Unterkiefer.

Eingeschränkter Unterkiefer löst offenbar Ungleichgewicht aus

Anamnestische Parameter:

Die Forscher fanden heraus, dass ein erhöhtes Gewicht und ein hoher BMI mit einer vermehrten Belastung des Vorderfußes verbunden waren. In Anlehnung an Rezaeipour [2018], der die Haltungsstabilität übergewichtiger Männer untersucht hat, verlagern übergewichtige Frauen ihren Schwerpunkt aufgrund des Bauch- und Brustgewichts nach vorn. Demgegenüber war die Belastung des hinteren Fußes reduziert.

Kieferbewegungen:

Das Ausmaß einer Laterotrusion nach rechts oder links korrelierte insgesamt nicht mit den Haltungsparametern. Verglichen die Forscher allerdings Untergruppen von Probandinnen, die zu hypo- oder hypermobilen Laterotrusionen in der Lage waren, mit der Gruppe, die durchschnittliche Bewegungsweiten nach rechts oder links vollziehen konnte, ergaben sich Unterschiede in Bezug auf die Belastungszonen der Fußsohlen. 

Zum Beispiel belasteten die Frauen, die den Unterkiefer nur eingeschränkt nach rechts bewegen konnten, den hinteren Fußanteil stärker als den vorderen. Waren sie bei der Laterotrusion nach links „hypermobil“, schwankten sie weniger auf dem Vorfuß, als diejenigen, die eine „normale“ Linksbewegung ausführen konnten.

Insgesamt korrelierte das Ausmaß der Abweichung von der normalen Unterkiefer-Mobilität signifikant mit einer verringerten Belastung des rechten Vorfußes. Eine eingeschränkte Bewegung des Unterkiefers löst offenbar ein Ungleichgewicht aus, das sich in der Haltungskontrolle widerspiegeln kann. Für Mittellinienverschiebungen, transversale Breitenunterschiede oder für Kreuz- und Kopfbisse ergaben sich keine signifikanten Korrelationen mit einer Ausgleichsbelastung der Füße.

Fazit

Es drängt sich die Frage auf, wozu diese Erkenntnisse gut sein sollen. Die Forscher räumen selbst ein, dass in weiteren Studien untersucht werden müsste, inwieweit die vorliegenden Ergebnisse für die tägliche klinische Praxis relevant sind. Sie schlagen vor, über eine Funktionsanalyse möglichen Einschränkungen bei lateralen Unterkieferbewegungen auf die Spur zu kommen, da sie unbehandelt auf die Haltungskontrolle durchschlagen können. Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung sind sicher bei Übergewicht generell sinnvoll, im Speziellen hat sich in dieser Studie gezeigt, dass ein erhöhtes Gewicht und ein erhöhter BMI sich ebenfalls negativ auf die Haltungskontrolle auswirken.

D. Ohlendorf , V. Fay, I. Avaniadi, C. Erbe, E.M. Wanke, D.A. Groneberg, "Association between constitution, axiography, analysis of dental casts, and postural control in women aged between 41 and 50 years." Clin Oral Investig. 2020 Sep 28.doi: 10.1007/s00784-020-03571-3

Literatur

Rezaeipour M (2018): Evaluation of postural stability in overweight and obese middle-aged men. Turk J Med Sci 48:1053–1057. https://journals.tubitak.gov.tr/medical/issues/sag-18-48-5/sag-48-5-24-1709-108.pdf

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