Insgesamt 414 Zahnärzte hatten sich zum ersten Online-Zahnärztetag in Hamburg angemeldet. Damit lagen die Teilnehmerzahlen auf dem Niveau der Präsenzveranstaltung – den Organisatoren war es aus dem Stand gelungen, mit einem gewählten Veranstaltungskonzept die pandemiebedingten Einschränkungen auszugleichen. Und auch die Veranstaltung selbst übertraf offensichtlich die Erwartungen und bekam viel Lob von den Teilnehmern.
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Hier einige Zuschriften aus dem Chat der Veranstaltung.
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Zur Eröffnung wünschte der Präsident der Zahnärztekammer Hamburg, Konstantin von Laffert, den Teilnehmenden ganz hanseatisch immer eine „Handvoll WLAN unterm Kiel“. Dann ließ er das Corona-Jahr 2020 Revue passieren: „Wir haben es recht gut gemeistert und sind mit zwei blauen Augen davongekommen“, resümierte er. Allerdings sehe man weiterhin schwierigen Zeiten entgegen. „Es gibt bedenkliche Lücken in vielen Terminbüchern“, berichtete er und ermunterte die Online-Zuschauerinnen und -Zuschauer, die Patienten direkt anzusprechen und ihnen zu verdeutlichen, dass die Behandlung in den Praxen sicher sei. Wenn dies alles nicht helfe, sollte nicht zu lange mit der Beantragung von Kurzarbeitergeld gewartet werden, empfahl von Laffert.
Beim Thema Corona-Impfungen sprach sich der Hamburger Zahnärztekammerpräsident für eine Aufnahme der Zahnärzteschaft in die Priorisierungsgruppe 1 aus. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Zahnärztinnen und Zahnärzte größtenteils in Gruppe 2 aufgeführt seien. Eine klare Absage erteilte er einer Impfpflicht für Personal im Gesundheitswesen. „Das würde Vertrauen beschädigen und wäre kontraproduktiv“, zeigte sich von Laffert überzeugt. Impfungen durch Zahnärzte wiederum seien derzeit für ihn kein Thema, weil der Impfstoff fehle und nicht das Personal.
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Die Karies stand von Anfang an im Fokus der Zahnmedizin. Trotz aller Erfolge bei der Bekämpfung der Karies sei man aber auch heute noch weit davon entfernt, das Thema ad acta legen zu können, erklärte der Fortbildungsreferent der Zahnärztekammer Hamburg, PD Dr. Oliver Ahlers, die Themenwahl des diesjährigen Zahnärztetages.
Ahlers führte als Moderator durch die Online-Veranstaltung und überbrückte so manches technische Problem mit informativen Lückenfüllern und einem charmanten Lächeln.
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Prof. Dr. Ulrich Schiffner, Hamburg, gab in seinem Vortrag einen Überblick zum aktuellen Wissensstand über frühkindliche Karies und die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation.
Die frühkindliche Karies bleibe ein ungelöstes Problem. In den vergangenen 20 Jahren seien keine Erfolge in der Prävention erzielt worden, stellte Schiffner mit Blick auf die vorliegenden Zahlen fest. Danach seien die Kariesrückgänge sehr gering und in fast der Hälfte der Bundesländer sei im Zeitraum von 2009 bis 2016 bei den 6- bis 7-jährigen Kindern keine Kariesreduktion, sondern teilweise sogar ein leichter Kariesanstieg zu verzeichnen gewesen.
Fluoridhaltige Zahnpasten haben bei Erwachsenen einen beispiellosen Kariesrückgang bewirkt. In der Anwendung von Fluoride gebe es eine gesicherte Dosis-Wirkungs-Beziehung. Ab einer Fluoridkonzentration von 1.000 ppm in Zahnpasten gebe es evidenzbasiert sichere Effekte. Deshalb habe man seitens der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde im Jahre 2018 die Empfehlungen für den Fluoridgehalt von Kinderzahnpasten von 500 auf 1.000 ppm angehoben.
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Die Ätiologie der MIH bleibt weitgehend ungeklärt. Aufgrund des Pathomechanismus kann der Entstehungszeitraum auf die Zeitspanne vom achten Schwangerschaftsmonat bis zum fünften Lebensjahr datiert werden. Als Ursachen kommen beispielsweise Probleme während der Schwangerschaft, Frühgeburt, Sauerstoffmangel während beziehungsweise nach der Geburt, Erkrankungen in früher Kindheit (Bronchitis, Asthma, Infektionserkrankungen) infrage.
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Prof. Dr. Christian Splieth, Greifswald, stellte wirksame kariestherapeutische Maßnahmen bei Kindern vor. Die erste Therapie sei dabei das Zähneputzen mit Fluoridzahnpasta. Die Bürsten sollten klein sein, damit Kinder möglichst viele Zahnflächen gut erreichen. Sehr hilfreich seien hier die neuen Früherkennungsuntersuchungen mit Putztraining und Unterweisungen für die Mundhygiene.
Wenn sich Karies entwickelt hat, sei die Inaktivierung der wichtigste Therapieansatz – die Kariesaktivität müsse gestoppt werden. Eine Möglichkeit sei der Einsatz von Silber(diamine)fluorid. Die Lösung ist stark antibakteriell und wirke selbst, wenn Kinder schlecht putzen. Das Procedere sei mit einem ein- bis zweiminütigen Einpinseln der Flüssigkeit auf die kariösen Läsionen denkbar kurz. Nachteilig: die dunkle Verfärbung.
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Prof. Dr. Sebastian Paris, Berlin, stellte das aktuelle Verständnis der Karieserkrankung vor und gab einen Überblick über noninvasive Therapieoptionen: Die Ätiologie der Karies wird demzufolge heute mit der „Ökologischen Plaquehypothese“ erklärt. Im Mittelpunkt stehen danach nicht mehr einzelne auszumerzende „Kariesbakterien“, sondern die Zusammenhänge von Umweltbedingungen in der Mundhöhle (Ernährung, systemische Einflüsse, Stresslevel) und den ökologischen Veränderungen in Mundflora und Plaque. Verschlechtern sich die Umweltbedingungen, wie beispielsweise durch eine zuckerreiche Ernährung, sinke mit der Vermehrung von Lactobazillen der pH-Wert und es entsteht Karies als „ökologische Katastrophe“.
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Um therapeutische Entscheidungen fällen zu können, sei es wichtig zu wissen, ob eine Karies aktiv oder inaktiv ist.
An noninvasiven Maßnahmen stehen laut Paris die Beeinflussung der Ernährungsgewohnheiten und die Mundhygienemaßnahmen zur Verfügung (Zähneputzen, Zahnseide, Interdentalbürsten, Fluoridapplikationen). Weithin unterschätzt sei immer noch die Speichelstimulation mit Kaugummis – hierfür gibt es Paris zufolge umfangreiche Evidenz. Kaum klinische Evidenz gebe es dagegen für Zahnpasten mit Nano-Hydroxylapatit beziehungsweise Zinkcarbonat-Hydroxylapatit (Produkte: Karex, BioRepair, ApaCare, ReminPro).
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Prof. Dr. Stefan Zimmer, Witten, skizzierte aktuelle Strategien und Hilfsmittel für die häusliche Kariesprävention.
Die Bausteine einer erfolgreichen häuslichen Kariesprävention sind demnach die zweimal tägliche Nutzung einer Zahnbürste mit fluoridhaltiger Zahnpasta und die mindestens einmal tägliche Nutzung eines Hilfsmittels zur Interdentalraumreinigung.
Bei Zahnbürsten gelte: Eine gute elektrische Zahnbürste reinige besser als eine Handzahnbürste, aber der Unterschied könne durch längeres Putzen mit der Handzahnbürste ausgeglichen werden. Weiche Borsten einer Handzahnbürste haben Zimmer zufolge in Untersuchungen zu höherem Substanzabtrag am Schmelz geführt als harte Borsten. Die Ursache liege darin, dass weiche Borsten schneller umknicken und die Abrasivstoffe der Zahnpasten flächiger in Kontakt mit der Zahnoberfläche bringen.
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PD Dr. Tobias Tauböck, Zürich, sprach zum Thema „Therapie von Wurzelkaries und Zahnhalsläsionen – Herausforderungen und Lösungsansätze“.
Mit den demografischen Entwicklungen und dem guten Zahnerhalt bis ins hohe Alter hinein nehme die Problematik der Wurzelkaries zu, erläuterte Tauböck. Dabei hätten Restaurationen im Zahnhalsbereich signifikant höhere Verlustraten als Klasse I/II-Restaurationen. Die Ursachen müssten nicht im verwendeten Restaurationsmaterial liegen. Am Zahnhals wirkten teils hohe Kräfte auf den Zahn ein, wie eine Finite-Elemente-Analyse gezeigt hat. Zudem biete älteres Dentin geringere Haftkräfte als junges Dentin. Sklerosiertes Dentin mit obliterierten Dentintubuli und hypermineralisierter Oberfläche führte laut Tauböck zu um 20 bis 45 Prozent reduzierten Haftkräften. Adhäsivsysteme funktionierten hier schlechter. Die klinische Lösung bestehe im Anfrischen mit einem Diamantschleifer, um die Oberflächen minimal abzutragen.
Als zuverlässigste Adhäsivstrategien nannte Tauböck:
- 3-Schritt Etch & Rinse-Systeme
- Milde Self-Etch-Systeme (inkl. Universaladhäsive)
- Glasionomere
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Prof Dr. Diana Wolff, Tübingen, stellte die Kastenelevation als präprothetische Maßnahme zur Versorgung tief subgingivaler Zahnhartsubstanzdefekte vor. Die zweizeitige Technik – zunächst mit einer ersten Restauration die Defekttiefe auf supragingivales Niveau anzuheben und in einem zweiten Schritt die Zahnkrone direkt oder indirekt zu rekonstruieren – sei seit der ersten Erwähnung 1896 durch W. D. Miller weiterentwickelt worden und heute unter verschiedenen Bezeichnungen anzutreffen: „Sandwich Technique“, „Proximal Box Elevation“, Supragingival Relocation of Subgingival Margins“, „Margin Elevation Technique“, „R2-Technik“. Wolff stellte das klinische Vorgehen anhand von behandelten Patientenfällen vor und gab Tipps und Tricks für den Praxisalltag.
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Die Impressionen aus der Dentalausstellung fallen im Onlineformat etwas statisch aus im Vergleich zum ansonsten quirligen Treiben bei Präsenzveranstaltungen. Dennoch konnten die Veranstalter anhand der Zugriffsstatistiken sehen, dass die Stände der Aussteller durchaus gut besucht waren.
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