Falsch gekündigt

„Inzwischen bist Du pensionsberechtigt“

Beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gilt die Beweislastregel: Eine nicht beabsichtigte Diskriminierung gilt als Verstoß, und auch ein nur vermuteter Verstoß hat Folgen. Was das konkret bedeutet, erfuhren die Inhaber einer Praxis, als sie einer älteren Mitarbeiterin kündigten.

„Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“ – dieses Ziel verfolgt das Gesetz, wie man in § 1 nachlesen kann. Das BAG hat nun einen Fall entschieden, bei dem es um eine Entlassung ging (Az.: 6 AZR 457/14).

In einer urologischen Praxis mit fünf Angestellten musste eine Umstrukturierung vorgenommen werden, weil aufgrund einer Rechtsänderung bestimmte Laborleistungen nicht mehr in der Praxis erbracht werden durften. Deshalb kündigten die Inhaber einer 63 Jahre alten Mitarbeiterin, die als medizinisch-technische Assistentin (MTA) vor allem mit Laborarbeiten beschäftigt war. Eine solche Kündigung ist an sich durchaus nachvollziehbar, da ein Unternehmer die Entscheidung treffen kann, bestimmte Leistungen nicht mehr zu erbringen und deshalb die mit diesen Arbeiten beschäftigte Mitarbeiterin zu entlassen.

Das Kündigungsschreiben lautete auszugsweise wie folgt: „… seit über 20 Jahren gehen wir nun beruflich gemeinsame Wege. Wir haben in dieser Zeit viel erlebt, auch manche Veränderung. Inzwischen bist Du pensionsberechtigt und auch für uns beginnt ein neuer Lebensabschnitt in der Praxis. Im kommenden Jahr kommen große Veränderungen im Laborbereich auf uns zu. Das erfordert eine Umstrukturierung unserer Praxis.“

An sich beschreibt der Text recht gut den zulässigen Kündigungsgrund und aus ihm spricht auch eine erhebliche Sympathie. Die Praxischefs erklärten auch, dass der Hinweis auf die Pensionsberechtigung die unvermeidliche Kündigung „freundlich und verbindlich“ machen sollte. Das BAG sah in der Kündigung dennoch einen Verstoß gegen das AGG und entschied, dass die Kündigung unwirksam war und das Arbeitsverhältnis fortbesteht.

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Das Alter ist hier ein Grund

Zwar sei es durchaus denkbar, dass es den Praxisinhabern auch darum ging, freundlich und verbindlich zu sein. Jedoch reiche es für einen Verstoß gegen das AGG, wenn das Alter der Mitarbeiterin auch ein Grund für die Kündigung respektive die Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiterin war. Es muss gar nicht der alleinige Grund sein. Für eine Mitverursachung sah das BAG deutliche Anhaltspunkte: Zunächst hätte es für eine freundliche Formulierung ausgereicht, die Leistungen der Mitarbeiterin zu würdigen. Der Hinweis auf die Pensionsberechtigung und damit auf die soziale Absicherung deute darauf hin, dass dieser Gesichtspunkt eine Rolle gespielt habe. Die Pensionsberechtigung sei aber untrennbar mit dem Alter verbunden.

Erschwerend kam aus Sicht des BAG hinzu, dass die Praxisinhaber kurz danach eine 35-jährige Krankenschwester einstellten. An sich passt die Ersetzung einer Laborkraft durch eine Mitarbeiterin, die für die eigentliche Krankenversorgung besser geeignet ist, gut zu der geplanten und notwendigen Umstrukturierung. Allerdings war diese Mitarbeiterin deutlich jünger. Maßgeblich stützt das BAG die Entscheidung auf die Beweislastregel des § 22 AGG: Danach reicht es aus, wenn ein Verstoß gegen die Ziele des AGG zu vermuten ist. Das AGG hat also zwei harte Konsequenzen: Es reicht für einen Verstoß, wenn eine Diskriminierung nur mitursächlich war, und es reicht bereits, wenn ein solcher Verstoß zu vermuten ist.

Da das AGG auch in Kleinbetrieben angewandt werden muss, bei denen das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt, sollten Zahnärzte diese Rechtslage beachten und jeden Anschein einer Diskriminierung vermeiden. Gerade bei Kündigungen empfiehlt es sich, eine einvernehmliche Lösung anzustreben. Das ist günstiger, als nach einem mehrjährigen Rechtsstreit zu erfahren, dass die Kündigung unwirksam war und für diese Zeit rückwirkend Lohn zu bezahlen ist.

Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg

Fachanwalt für Medizinrecht

22081 Hamburg

post@wieland-schinnenburg.de

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