Broschüre zur Bestechung in Zahnarztpraxen

Was ist erlaubt – und was ist kriminell?

Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) haben eine Online-Broschüre veröffentlicht, die juristische Aspekte zu dem Thema Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen und in Zahnarztpraxen erklärt. Hintergrund ist das seit dem 4. Juni geltende Anti-Korruptionsgesetz. Mittels Fallkonstellationen in der Broschüre sollen zahnärztliche Kollegen für Unrechtmäßigkeiten im Praxisgeschehen sensibilisiert werden.

Zum Hintergrund der Broschüre heißt es in einer Mitteilung von BZÄK und KZBV, dass die in der breiten Öffentlichkeit geführte Diskussion um Korruption im Gesundheitswesen für den Gesetzgeber Anlass gewesen sei, entsprechende neue Strafrechtsnormen zu beschließen, und zwar in Gestalt der §§ 299 a und 299 b des Strafgesetzbuchs, welche die Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen unter Strafe stellen. Zudem würden Transparenz und Compliance in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die strikte Einhaltung rechtlicher Vorgaben sei daher Ziel und Auftrag jedes einzelnen Zahnarztes sowie des zahnärztlichen Berufsstandes in seiner Gesamtheit.

Nicht zuletzt aus diesem Grund seien die Fragen „Was darf ich denn noch?“ und „Was ist verboten?“ inzwischen fester Bestandteil des Beratungsalltags von Zahnärztekammern und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen. Die Schriftenreihe „Rechtsgrundlagen für die Zahnarztpraxis“ möchte Antworten geben und helfen, Verunsicherungen abzubauen.

Die neuen Straftatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen hätten zum Ziel, materielle und immaterielle Vorteile zu unterbinden respektive zu bestrafen, die als „Gegenleistung” dafür gewährt werden, dass bei einer zahnärztlichen Entscheidungen wie etwa der Patientenzuführung oder dem Bezug zahntechnischer Leistungen für Patienten ein anderer – zum Beispiel ein anderer Leistungserbringer oder ein gewerbliches Zahntechniklabor – in unlauterer Weise bevorzugt wird. Auch solle der Patient davor geschützt werden, dass Zahnärzte ihre patientenbezogenen Entscheidungen nicht allein an medizinischen Aspekten mit Blick auf das Patientenwohl, sondern an wirtschaftlichen Eigeninteressen ausrichteten. „Korruption in diesem Sinne ist insoweit vereinfacht gesagt der missbräuchliche „Verkauf“ heilberuflicher Entscheidungen an Dritte beziehungsweise deren „Kauf“ durch Dritte, wobei als „Gegenleistung“ für deren Auswahl oder Bevorzugung ein Vorteil an den Heilberufler fließt oder fließen soll. Dies war bisher auch schon durch das Berufsrecht sowie das Sozialrecht untersagt, wird nunmehr aber zusätzlich auch Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung“, heißt es in der Broschüre.

Vorteilseignung reicht

Zahnärzte sollten sich klar vor Augen halten, dass für Heilberufler jedenfalls hinsichtlich patientenbezogener Unternehmensentscheidungen deutlich geringere Grenzen für die Erzielung von wirtschaftlichen (oder sonstigen) Vorteilen vonseiten Dritter gezogen sind als für andere Geschäftsinhaber. Was bei Letzteren noch unternehmerische Geschicklichkeit sein könne, könne für den Zahnarzt unter Umständen schon als korruptes Verhalten geahndet werden. Dies gelte umso mehr, als der zahnärztliche Beruf ein Vertrauensberuf sei und daher – nicht zuletzt aufgrund ärztlicher Korruptionsskandale der vergangenen Jahre – unter besonderer Beobachtung durch Öffentlichkeit, Medien und Politik stehe.

Es wird auch darauf verwiesen, dass es sich bei den neuen Straftatbeständen um sogenannte „abstrakte Gefährdungsdelikte“ handelt. Für diese reiche schon die bloße Eignung des Vorteils, eine heilberufliche Zuführungs-, Verordnungs- oder Bezugsentscheidung zu beeinflussen, er muss noch gar nicht vollzogen worden sein. Problematisch an den neuen Straftatbeständen ist zudem, dass sie abstrakt und äußerst unbestimmt formuliert sind. Daher bestünden weite Auslegungsspielräume, was gerade in Grenzbereichen zu erheblichen Verunsicherungen, welche Vorgehensweisen strafbar sind und welche nicht, führe, heißt es. In der Regel aber legten die Staatsanwaltschaften Straftatbestände eher streng aus. Die letztverbindliche Interpretation obliege dann den Strafgerichten.

So nennt die Broschüre konkrete Fallkonstellationen und weist auf typische Korruptionskonstellationen hin. Diese sind zum Beispiel:

• die Vereinbarung einer Geldprämie zwischen einem Zahnarzt und einem MKG-Chirurgen für die Überweisung von Patienten und

• der Bezug von zahntechnischen Leistungen von einem Dentallabor, das hierfür dem Zahnarzt eine Rückvergütung (Kick-back) gewährt, die dieser nicht an den Patienten respektive Kostenträger weitergibt („auskehrt“), sondern als Vorteil für sich behält.

Vorsorglich weisen BZÄK und KZBV darauf hin, dass die Broschüre wegen der Vielgestaltigkeit denkbarer Handlungsformen und Details des jeweiligen Einzelfalles keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben könne. Vielmehr erfasse sie vor allem solche Fallkonstellationen, bei denen die Rechtsunsicherheit besonders groß ist und/oder die nach Einschätzung von KZBV und BZÄK ein besonderes Gefahrenpotenzial in sich bergen würden, künftig strafbar zu sein.

Exemplarisch für strafbares Verhalten sollen hier folgende Fallkonstellationen aus der Broschüre dargestellt sein:

Die Zuweisung von Patienten

Die Vereinbarung von Vorteilen als Gegenleistung für die Zuführung von Patienten ist strafbar. Wenn ein Zahnarzt einem Patienten – zumal auf dessen Nachfrage – Empfehlungen gibt, welcher ärztliche oder zahnärztliche Kollege als Nach- oder Mitbehandler geeignet erscheint, ist dies strafrechtlich nicht zu beanstanden. Erhält der Zahnarzt hierfür von dem Kollegen jedoch eine Vergütung, ist das berufs- und nunmehr auch strafrechtlich bedenklich. Das auch dann, wenn der Zahnarzt von seiner Empfehlung überzeugt ist und diese auch ohne den finanziellen Vorteil gegeben hätte. Beispiel: Vereinbarung einer Geldprämie oder einer anderen Form einer Zuwendung zwischen einem Zahnarzt und einem MKG-Chirurgen für die Überweisung von Patienten durch den Zahnarzt an den MKG-Chirurgen.

Zuwendungen von gewerblichen Laboren

Zahnersatz und zahntechnische Leistungen sind Medizinprodukte, die zur unmittelbaren Anwendung am Patienten bestimmt sind. Beauftragt ein Zahnarzt ein gewerbliches Dentallabor mit der Herstellung von Zahnersatz, dann fallen daher direkte Rückvergütungen als Kick-backs in den Anwendungsbereich des Gesetzes, soweit die erzielten Vorteile nicht an den Patienten beziehungsweise Kostenträger weitergeleitet („ausgekehrt“) werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Rückvergütung in Form von Bargeld, Zahngold oder in Form einer Beteiligung am Laborumsatz erfolgt. Die Unzulässigkeit wird auch nicht dadurch beseitigt, dass diese einen anderen Namen erhält oder durch ein anderes Geschäft verschleiert wird.

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Fallkonstellationen

Beispiel: Rückvergütung/Kick-Back

Ein Vertragszahnarzt unterhält eine Geschäftsbeziehung mit einem inländischen Dentallabor, das im Ausland Zahnersatz fertigen lässt. Dieser wird dem Zahnarzt zu BEL-II-Preisen in Rechnung gestellt und von ihm so abgerechnet. Vereinbarungsgemäß erhält der Zahnarzt regelmäßig von dem Dentallabor einen bestimmten Geldbetrag für den bezogenen Zahnersatz „zurückerstattet“, den er als „sonstige Erlöse“ verbucht und nicht auskehrt. Dies ist eine unzulässige Rückvergütung.

Ein strafrechtlich relevanter Vorteil kann auch dann vorliegen, wenn

• das Dentallabor dem Zahnarzt kostenfrei oder unter dem üblichen Mietpreis zum Beispiel einen PKW zur Verfügung stellt oder dessen Leasinggebühren übernimmt,

• dem Zahnarzt Geräte oder Materialien unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden,

• das gewerbliche Dentallabor die Factoring-Gebühren des Zahnarztes unmittelbar oder zumindest „mittelbar“ übernimmt,

• das Dentallabor kostenlos Patiententransporte zur Praxis eines Zahnarztes übernimmt oder

• wenn Labore gegenüber Zahnärzten die Kosten für Veranstaltungen (etwa Events, gegebenenfalls auch Fortbildungen) übernehmen.

Aber nicht alle „Zahlungen“ sind so eindeutig dem strafrechtlich bedeutsamen Kickback zuordenbar. So sind Barzahlungsrabatte bis drei Prozent („Skonto“) verkehrsüblich und damit dem Anwendungsbereich der neuen Strafrechtsnorm entzogen; sie müssen insoweit nicht an den Patienten oder Kostenträger „ausgekehrt“ werden, um eine Strafbarkeit zu vermeiden. Ab welcher Höhe darüber hinausgehende Rabatte strafrechtlich relevant werden, ist bislang nicht geklärt. Die Nichtweitergabe von Rabatten, die keine verkehrsüblichen Barzahlungsrabatte sind (zum Beispiel auch Mengenrabatte), kann daher nunmehr eine Strafbarkeit nicht nur wegen Betruges begründen, sondern bei Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung gegebenenfalls auch nach dem neuen Gesetz. Auch die Gewährung von Zahlungszielen schafft dem Zahnarzt einen wirtschaftlichen (Zins-)Vorteil. In gewissem Umfang sind diese verkehrsüblich. Allzu großzügigen Zahlungszielen sollte jedoch mit Vorsicht begegnet werden.

Partnerfactoring

Das Abrechnungsmodell des Partnerfactorings ist juristisch im Hinblick auf eine mögliche Strafbarkeit aus § 299a, 299b StGB umstritten und daher mit hohen strafrechtlichen Risiken verbunden. Wegen der unterschiedlichen vertraglichen Ausgestaltungen der zugrunde liegenden Factoringverträge ist eine allgemeingültige Aussage zudem schwierig. Beim Partnerfactoring verkauft der Zahnarzt in Abrede mit dem Zahntechniker regelmäßig die Gesamtforderung, die auch das enthaltene Laborhonorar enthält, an einen externen Dienstleister.

Dabei ist das Partnerfactoring zwischen Zahnarzt, Labor und Abrechnungsgesellschaft häufig so vereinbart, dass die Auszahlung der in der Gesamtrechnung enthaltenen Laborkosten direkt an das Labor erfolgt. Der Zahnarzt erhält lediglich den auf ihn entfallenen Honoraranteil. Die Gebühren werden regelmäßig von Zahnarzt und Labor dergestalt geteilt, dass der Zahnarzt nur die Factoring-Gebühren für den Honoraranteil seiner Gesamtforderung zahlt. Da hier mittelbar das Dentallabor die Factoring-Gebühren des Zahnarztes für den zahntechnischen Anteil seiner gegenüber dem Patienten bestehenden Forderung „übernimmt“, wird hier mitunter von einer Strafbarkeit ausgegangen.

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Andere fachliche Stellungnahmen votieren für eine Straflosigkeit, da die durch das Partnerfactoring bewirkte Reduzierung der Factoring-Gebühren des Zahnarztes um den Forderungsanteil für die Laborleistungen nur daraus resultiere, dass die gegengerechneten Factoring-Gebühren des Labors in dessen eigenem wirtschaftlichen Sicherungsinteresse liegen und daher sachgemäßer Weise von diesem (dem Labor) und nicht vom Zahnarzt zu tragen seien. Klärung wird hier erst durch einschlägige Gerichtsentscheidungen erfolgen können. Es ist daher zu empfehlen, mit den Anbietern des Factorings und gegebenenfalls mit Rechtsberatern in Kontakt zu treten, um das vorhandene Risiko zu eruieren. Dies kann auch bedeuten, von einem vorhandenen Partnerfactoring Abstand zu nehmen.

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