Fortbildung: Toxikologie und Allergologie

Sind abrasiv-pulverhaltige Präparate schädlich?

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Petra Ratka-Krüger
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Zur mechanischen Desintegration des subgingivalen Biofilms kommen in der Parodontitistherapie seit einigen Jahren vermehrt Luft-Pulver-Wasserstrahlgeräte zum Einsatz. Doch wie risikoreich ist das Verfahren? Kann die Applikation von Druckluft und kleinsten Pulverpartikeln in den Sulkus das dentale Gewebe und die Restaurationen nachhaltig beschädigen?

Die Luft-Pulver-Wasserstrahl (LPW)-Technik in der dentalen Prophylaxe wurde erstmals in den späten 70ern in Texas vorgestellt (Prophy Jet Marck IV™, Dentron) [Graumann, Sensat, Stoltenberg, 2013]. Das Prinzip beruht auf kleinsten Pulverpartikeln (etwa 15 bis 250 µm), die in einer Druckkammer mit Luft vermischt werden und über ein Handstück zusammen mit Wasser auf die Zahn- und Wurzeloberfläche appliziert werden.

Dabei kann der Substanzabtrag durch verschiedenste Faktoren beeinflusst werden. Bei höherem Druck etwa erhöht sich auch der Substanzabtrag. Der Druck ist abhängig vom Aufbau sowie von der Einstellung des Geräts und dem Füllstand in der Pulverkammer. Auch die zugeführte Wassermenge führt zu höherer Beschleunigung der Pulverpartikel und zu größerer Abrasion. Auch Applikationswinkel, Dauer und die Entfernung des Handstücks zur Oberfläche können die auftretenden Kräfte beeinflussen [Petersilka, Bell, Mehl, Hickel Flemmig, 2003]. Den wohl entscheidendsten Faktor für den Substanzabtrag bilden aber Masse, Größe und Härte der Pulverpartikel [Petersilka, 2011].

Das sind die gängigsten Pulverarten und ihre Eigenschaften:

 Natriumhydrogenkarbonat:

Dieses Salz wird für den Einsatz in der supragingivalen Reinigung von Zahnoberflächen empfohlen. Oftmals wird zur Erhöhung der Gleiteigenschaften Siliziumdioxid oder Tricalciumphosphat in geringen Mengen zugesetzt. Die einzelnen Partikel sind je nach Hersteller mit bis zu 250 µm vergleichsweise groß und bedürfen einer nachfolgenden Politur, wenn sie mit Restaurationen, demineralisiertem Schmelz oder (Wurzel-)Dentin in Kontakt gekommen sind [Petersilka, 2011]. Um den salzigen Geschmack zu lindern, werden oftmals künstliche Geschmacksstoffe zugesetzt.

• Glycin:

Glycin ist eine Aminosäure und ebenfalls wasserlöslich. Aufgrund der geringeren mittleren Partikelgröße von 18 bis 60 µm (je nach Hersteller) wird dieses Pulver sowohl für die supra- als auch für die subgingivale Anwendung empfohlen. Eine nachfolgende Politur ist aufgrund der geringeren Abrasion und Rauigkeit nach Anwendung nicht notwendig [Petersilka, Bell, Häberlein et al., 2003]. Häufig wird auch hier Siliziumdioxid zugesetzt.

• Erythritol:

Hierbei handelt es sich um einen Zuckeralkohol, der durch Fermentation hergestellt wird und in der Lebensmittelindustrie Anwendung findet. Neben der industriellen Herstellung kommt er in geringen Mengen natürlicherweise in einigen Obstsorten vor. Außerdem konnte er in Wein und Bier nachgewiesen werden [Bernt, Borzelleca, Flamm Munro, 1996]. Aufgrund der herstellungsbedingt geringen mittleren Partikelgröße von etwa 14 µm wird Erythritol für den supra- und subgingivalen Einsatz empfohlen [Müller, Moëne, Cancela Mombelli, 2014b]. Erythritol ist nicht kariogen, gut wasserlöslich und beeinflusst nicht den Glukosespiegel. Derzeit wird es in Verbindung mit Chlorhexidin (0,3 Prozent) auf dem deutschen Markt vertrieben.

• Trehalose:

Für die supra- und subgingivale Reinigung wurde kürzlich ein weiteres Süßungsmittel, die Trehalose, vorgestellt. Dieses gut wasserlösliche Disaccharid ist nicht kariogen und für Diabetiker geeignet [Neta, Takada Hirasawa, 2000; van Can, van Loon, Brouns Blaak, 2012]. Das Pulver hat laut Herstellerangaben eine niedrige mittlere Partikelgröße von etwa 30 µm und eine geringere Abrasionstiefe als Glycin. Ihm wird ebenfalls in geringen Mengen Siliziumdioxid zugesetzt [Kruse et al., 2016].

• Andere Pulverarten:

Auf dem Dentalmarkt sind außer den bereits genannten Pulversubstanzen auch Kalzium-Natrium-Phosphosilikat, Aluminiumtrihydroxid und Kalziumkarbonat erhältlich. Da diese jedoch nicht wasserlöslich und zum Teil abrasiver sind, werden sie nicht für den subgingivalen Einsatz empfohlen und daher im vorliegenden Text nicht weiter ausgeführt [Petersilka, 2011; Graumann et al., 2013].

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Effektivität

Derzeit gelten zur subgingivalen Biofilmentfernung während der anti-infektiösen Therapie Handinstrumente und (Ultra-) Schallgeräte als der Goldstandard. Die zeitintensivere Handinstrumentierung hinterlässt dabei möglicherweise eine glattere Oberfläche [Drisko et al., 2000; Schmidlin, Beuchat, Busslinger, Lehmann Lutz, 2001], während sich (Ultra-)Schallgeräte durch besseres Handling und Erreichbarkeit von Furkationseingängen und Einziehungen auszeichnen.

Häufig werden daher beide Verfahren in Kombination verwendet. Die LPW-Technik zeigt gegenüber der subgingivalen Biofilmentfernung mit Handinstrumenten und (Ultra-)Schall vergleichbare klinische Ergebnisse. So konnten bei der Behandlung mit Glycinpulver bei Sondierungstiefen von drei bis fünf Millimetern ähnliche Ergebnisse wie mit der Handinstrumentierung mit Gracey-Küretten erzielt werden [Petersilka, Tunkel, Barakos, et al., 2003].

In der parodontalen Erhaltungstherapie brachte der Vergleich zwischen Handinstrumentierung beziehungsweise (Ultra-)Schall und subgingivaler Anwendung von Glycinpulver, Erythritol und Trehalose ebenfalls gleichwertige klinische Ergebnisse [Müller, Moëne; Petersilka Faggion CMJ, 2008; Wennström, Dahlén Ramberg 2011; Cancela Mombelli, 2014a; Kruse et al., 2016].

Im Protokoll der Konsensus-Konferenz der EuroPerio 2007 wurde der subgingivale Einsatz von LPW lediglich für die parodontale Erhaltungstherapie empfohlen [Sculean et al., 2013]. Auch die Autoren verschiedener Anwendungsuntersuchungen unterstützen die Aussage, dass LPW nicht zur Entfernung von Zahnstein und Konkrementen geeignet ist [Petersilka, Steinmann, Häberlein, Heinecke Flemmig, 2003; Petersilka, Tunkel, Barakos et al., 2003; Moëne, Décaillet, Andersen Mombelli, 2010].

Die Effektivität zur Entfernung des Biofilms auf Implantatoberflächen scheint ebenfalls gleichwertig gegenüber konventionellen Methoden zu sein [Louropoulou, Slot Van der Weijden, 2014]. Auch aufgrund einer vergleichbaren Reduktion von  Entzündungszeichen (Blutung und Suppuration) sieht der Einsatz von LPW in der Periimplantitistherapie sehr vielversprechend aus [Schwarz, Becker Renvert, 2015].

Patientenakzeptanz

Die zahnärztliche Behandlung mit LPW wurde von Patienten in vielen Studien als angenehmer bewertet als konventionelle Verfahren. In einer aktuellen Übersichts- arbeit zu diesem Thema wurden Studien mit Natriumhydrogenkarbonat, Glycin und Erythritol berücksichtigt [Bühler, Amato, Weiger Walter, 2016b]. Dabei wurde die subgingivale Anwendung aller getesteten Pulverarten überwiegend als angenehmer oder mindestens gleichwertig zur Reinigung mit Handinstrumenten oder (Ultra-)Schall bewertet. Die Zeitersparnis durch eine kürzere Behandlungsdauer ist aus Patientensicht sicherlich ebenfalls als positiv zu bewerten.

Risiken, Hygiene und Kontraindikation

Bei der subgingivalen Anwendung von dentalen Instrumenten und Substanzen wird im Allgemeinen die Integrität der Mundhöhle verletzt. Die Durchdringung des epithelialen Attachments (wie mit der Parodontalsonde) stellt somit letztlich immer ein Eindringen in den menschlichen Organismus dar. Zum Parodont gehören neben den gingivalen Anteilen auch Wurzelzement und -dentin.

Doch welchen konkreten Einfluss hat LPW auf die einzelnen Gewebe und auf den Gesamtorganismus? Zu erwähnen ist erneut, dass Dauer, Winkel und Abstand bei der Behandlung starken Einfluss auf die Modifizierung der behandelten Oberfläche und umliegende Gewebe haben [Petersilka, 2011; Bühler, Amato, Weiger Walter 2016a].

Um unerwünschte Effekte zu reduzieren, sollten die Empfehlungen und Vorsichtsmaßnahmen des jeweiligen Herstellers des Handstücks und des Pulvers berücksichtigt werden. Eine regelmäßige Aktualisierung der Anamnese sowie adäquate Aufklärung des Patienten über die möglichen Risiken sind ebenfalls unerlässlich.

Asthma und schwere Atemwegserkrankungen gelten aufgrund der potenziell möglichen Reizung der Lunge durch aspirierte Pulverpartikel als Kontraindikation für die Behandlung mit LPW. Natriumhydrogenkarbonat greift zudem in den Elektrolythaushalt ein und sollte nicht bei Patienten mit Hypertonie, Nierenfunktionsstörungen, Morbus Addison, Morbus Cushing, der Einnahme von Antidiuretika und bei salzarmer Diät verwendet werden.

Da beim Vorliegen von Infektionskrankheiten das Aerosol einen zentralen Übertragungsweg darstellt, ist dies bei der Entscheidung für eine Behandlung mit LPW zu berücksichtigen („Infektionsprävention in der Zahnheilkunde – Anforderungen an die Hygiene – Mitteilung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut“, 2006). Die Verwendung einer Schutzbrille und eines lege artis angelegten Mund-Nasen-Schutzes sind obligat. Der Behandler muss zudem durch eine korrekte Aufbereitung der Düsen beziehungsweise Handstücke (Einstufung nach Kategorie kritisch B) eine potenzielle Infektionskette unterbinden. Eine Sterilisation der Übertragungsinstrumente nach jedem Patienten ist daher zwingend nötig.

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Dentin- und Wurzelschäden

Der Einsatz von Natriumhydrogenkarbonatpulver mit LPW führt nachweislich zur Schädigung von Dentin- und Wurzeloberflächen. Daher wird hier lediglich die Verwendung auf intakten Schmelzoberflächen empfohlen und von einer Anwendung in Bereichen von freiliegenden Zahnhälsen, beispielsweise bei Rezessionen oder keilförmigen Defekten abgeraten [Gerbo, Lacefield, Barnes Russell, 1993; Gutmann, 1998; Agger, Hörsted-Bindslev Hovgaard, 2001; Petersilka, Bell, Mehl et al., 2003; Graumann et al., 2013; Bühler et al., 2016a].

Die Anwendung von Natriumhydrogenkarbonatpulver auf initialkariösen Läsionen beziehungsweise White Spots ist definitiv nicht zu empfehlen, da hier in vitro ein Einbrechen vorgeschädigter Schmelzprismen beschrieben wurde [Schiffner, 1992]. Glycinpulver zeigte hingegen deutlich geringere Abrasionswerte auf Dentin- und Wurzeloberflächen [Petersilka, Bell, Häberlein et al., 2003, M. Pelka, Trautmann, Petschelt Lohbauer, 2010], Erythritol eine noch geringere Abrasivität [Müller et al., 2014b].

Daher sind diese beiden niedrig-abrasiven Pulver für die subgingivale Anwendung und auf freiliegenden Dentinoberflächen empfehlenswert. Die Anwendung der niedrig-abrasiven Pulver auf initialkariösen Stellen ist derzeit noch nicht ausreichend untersucht und daher auch kritisch zu sehen [Masouleh, 2015].

Prinzipiell aber scheint der Einsatz von LPW durch Verringerung des Substanzabtrags [Petersilka et al., 2008] und der hinterlassenen geringen Rauigkeit [Lavigne, Nauman, Munley Suzuki, 1988; Hürzeler et al., 1998] dem konventionellen Scaling mit Hand- oder (Ultra-)Schallinstrumenten während der Erhaltungstherapie überlegen zu sein. Werden niedrig-abrasive Pulver verwendet, ist eine nachfolgende Politur mit Paste und Kelch möglich, aber nicht zwingend erforderlich.

Schädigung der Ginigiva:

Bei Untersuchungen der gingivalen Strukturen nach Behandlung durch LPW mit Natriumhydrogenkarbonat konnten gegenüber Anwendungen mit Glycinpulver deutliche Erosionen der Gingiva festgestellt werden [Kontturi-Närhi, Markkanen Markkanen, 1989; Petersilka, Bell, Häberlein et al., 2003; Kozlovsky, Artzi, Nemcovsky Hirshberg, 2005]. Dies scheint nicht zuletzt an Partikelform und -größe zu liegen [Petersilka, 2011]. Die gingivalen Verletzungen sind jedoch offenbar wie auch nach der Handinstrumentierung innerhalb von bis zu 14 Tagen reversibel [Petersilka et al., 2008; Petersilka, 2011].

Da jede Touchierung von Weichgewebe mit Natriumhydrogenkarbonat zu einer Verletzung führen kann, sollte der Pulver-Wasserstrahl nur auf Zahnhartsubstanz appliziert werden. Um nicht zuletzt auch Rezessionen vorzubeugen, wird grundsätzlich von der Anwendung von Natriumhydrogenkarbonat in gingivalen Bereichen abgeraten [Petersilka, 2011].

Schädigung von dentalen Restaurationen:

Während für Natriumhydrogenkarbonat das Risiko besteht, dentale Restaurationsmaterialien wie Komposit, Adhäsive und Keramikoberflächen oder aber kieferorthopädische Versiegeler und Brackets zu schädigen, wird diese Gefahr durch Glycinpulver als minimal angegeben [Engel, Jost-Brinkmann, Spors, Mohammadian Müller-Hartwich, 2009; M. A. Pelka, Altmaier, Petschelt Lohbauer, 2010; Giacomelli et al., 2011; Petersilka, 2011; Graumann et al., 2013]. Für Erythritol und Trehalose werden geringere Abrasionswerte als für Glycin von den Herstellern angegeben.

Aufgrund der zuvor genannten wissenschaftlichen Erkenntnisse ist daher ein Einsatz von niedrig-abrasiven Pulverarten auch bei dentalen Restaurationen oder kieferorthopädischen Apparaturen ohne größere unerwünschte Effekte möglich. Eine Politur aufgrund der Behandlung mit LPW und niedrig-abrasiven Pulvern scheint verzichtbar zu sein.

Schädigung von Implantatoberflächen:

Die Behandlung mit Natriumhydrogenkarbonat führt zu einer erhöhten Rauigkeit auf Implantatoberflächen [Cochis et al., 2013]. Bei der Verwendung von niedrig-abrasiven Pulvern, wie Glycin, konnten jedoch mehrere In-vitro-Untersuchungen zeigen, dass selbst spezielle Implantatoberflächen (Titan-Plasma-Sprayed (TPS) oder sand-blasted and acid-etched (SLA)) in ihren Oberflächen- eigenschaften wie Rauigkeit und Beschichtung nicht ausschlaggebend verändert werden [Barnes, Fleming Mueninghoff, 1991; Mengel, Buns, Mengel Flores-de-Jacoby, 1998; Schwarz, Ferrari, Popovski, Hartig Becker, 2009; Louropoulou et al., 2014].

Allergien und Unverträglichkeiten

Im Zusammenhang mit dem subgingivalen Einsatz von Natriumhydrogenkarbonat, Glycin, Erythritol und Trehalose sind bisher nach Wissen der Autoren keine allergischen Reaktionen beschrieben worden. Prinzipiell sind jedoch Allergien, auch auf Zusatzstoffe der einzelnen Pulverarten, nicht auszuschließen. Lediglich in Einzelfällen wurden für Erythritol als Süßungsmittel in Lebensmitteln allergische Reaktionen beobachtet [Hino, Kasai, Hattori Kenjo, 2000; Yunginger et al., 2001]. In seltenen Fällen geben Patienten ein brennendes Gefühl an der Gesichtshaut nach Pulverstrahltherapie mit Glycinpulver an.

Toxizität:

Natriumhydrogenkarbonat, Glycin, Erythritol und Trehalose sind als Lebensmittelzusatzstoffe zugelassen und entsprechen toxikologischen Richtlinien zum Einsatz in der Mundhöhle als Medizinprodukt. In einzelnen wissenschaftlichen Untersuchungen wurden geringfügige gastro-intestinale Nebeneffekte wie Übelkeit, Blähungen oder Durchfall beschrieben [European Food Safety Authority, 2015; Bühler et al., 2016b;]. Den Autoren ist keine Studie bezüglich kanzerogener Effekte im Zusammenhang mit den genannten Substanzen bei oraler Anwendung bekannt.

Bakteriämie:

Wie bei jeder subgingivalen Anwendung dentaler Instrumente ist auch beim Einsatz von LPW mit einer Bakteriämie zu rechnen [Daly et al., 2001; Kinane et al., 2005]. In einem direkten Vergleich wurde keine erhöhte Bakteriämie verglichen mit einer Politur mittels Polierkelch und Paste festgestellt [Hunter et al., 1989]. Daten zum Vergleich der subgingivalen Anwendung mit LPW und alternativen Verfahren in Bezug auf Bakteriämien sind den Autoren nicht bekannt. Die Indikation für eine Endokarditisprophylaxe ist also nach derzeitigem Stand nach denselben Maßstäben wie bei anderen subgingivalen Behandlungen zu stellen [Wilson et al., 2007].

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Emphyseme

Eine sehr seltene Komplikation stellt die Entwicklung eines Luftemphysems im Zusammenhang mit LPW dar. Als Symptom dafür zeigt sich in der Regel innerhalb kürzester Zeit nach Lufteintritt in das Gewebe eine Raumforderung mit klassischen Krepitationsgeräuschen beim Abtasten. Hierbei kann die raumfordernde Schwellung sowohl intra- als auch extraoral lokalisiert sein und sich bis in die Hals-Nackenregion erstrecken.

Von 1977 bis 2001 wurden neun Fälle von Luftemphysemen und drei Fälle von Embolien dokumentiert [Flemmig et al., 2007]. Bis 2013 beschrieben nur sechs weitere Artikel ähnliche Vorkommnisse [Graumann et al., 2013]. Der Einsatz anderer zahnärztlicher Geräte wie Turbinen und Luft-/Wasserspritzen, vor allem im Zuge von Zahnextraktionen, führte jedoch in der Vergangenheit wesentlich häufiger zu vergleichbaren Komplikationen [Petersilka, 2011].

Das Risiko von Luftemphysemen scheint insbesondere in Bereichen fehlender keratinisierter Gingiva sowie stark entzündeter Bereiche gegeben zu sein. Weiterhin erhöht jede Verletzung der Integrität der Schleimhaut das Emphysemrisiko. Hier ist besondere Vorsicht geboten. Weiterhin wird empfohlen, das Handstück bei jeglichem Einsatz von LPW in ständiger Bewegung zu halten [Petersilka, Panitz, Weresch, Eichinger Kern, 2010]. Alle bisher in der Literatur beschriebenen Fälle zeigten einen unproblematischen Verlauf bis zur Ausheilung bei adäquater Behandlung. Dabei wurde beobachtet, dass die in das Gewebe eingebrachte Luft sich ohne weitere Therapie innerhalb von 24 bis 28 Stunden selbsttätig zurück- resorbiert.

Beim Auftreten eines Emphysems sollte der Patient über das unerwünschte Ereignis aufgeklärt werden und er sollte bei unerwarteten potenziell problematischen Verläufen die Möglichkeit haben, sofort Kontakt zu seinem Behandler aufzunehmen. Potenziell problematische Verläufe sind kardiopulmonale Symptomatiken beim Eintritt von Luft über cervicofaciale Faszien sowie Visusprobleme beim Eindringen von Luft in den Orbitabereich. Weiterhin soll der Patient einen intraoralen Luftdruckaufbau wie zum Beispiel durch Niesen mit zugehaltenem Mund oder Nase, Valsalva- Manöver oder Tätigkeiten wie das Spielen von Blasinstrumenten unterlassen, um ein erneutes Emphysem zu vermeiden.

Die prophylaktische Gabe eines Antibiotikums wird kontrovers diskutiert und ist eventuell bei immunologisch kompromittierten Patienten (wie Diabetes Mellitus oder onkologischer Therapie) denkbar [Bassetti, Bassetti, Sculean Salvi, 2014]. Bei fehlender Erfahrung sollte man bei Verdacht auf ein Luftemphysem die Überweisung an eine chirurgische Praxis oder Klinik zur weiteren Diagnostik und Therapie erwägen.

Technische Probleme

Es gibt Erfahrungsberichte über technische Probleme aufgrund unsachgemäßer Bedienung von Handstücken und LPW-Geräten, bei denen es zu Verletzungen von Behandler und/oder Patienten kam. Hierzu liegen jedoch bisher keine wissenschaftlichen Daten vor. In diesem Zusammenhang scheint es umso wichtiger, bei der Behandlung die Augen des Patienten zu schützen (durch Schutzbrillen oder Schließen der Augen) und auf Behandlerseite auch auf korrekten Arbeitsschutz zu achten sowie die Geräte nur bei entsprechender Sachkunde und unter regelmäßiger Wartung zu verwenden.

Jedes unerwünschte Ereignis unter Verwendung von LPW-Technik sollte, unabhängig vom verwendeten Gerätetyp oder Strahlmittel, an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gemeldet werden, um allen Anwendern ein risikoarmes Arbeiten zu erleichtern. Die Meldung kann online unter erfolgen, das Formular ist auch auf zm-online.de zum Download erhältlich.

Fazit

Die Anwendung von LPW ist in der modernen zahnärztlichen Praxis nicht mehr wegzudenken. Zeitersparnis und Patientenakzeptanz machen dieses Verfahren attraktiv für den täglichen Einsatz. Insbesondere in der parodontalen Erhaltungstherapie bietet LPW in Verbindung mit niedrig- abrasiven Pulvern gegenüber der subgingivalen Reinigung mit (Ultra-)Schall und Handinstrumenten viele Vorteile sowohl für den Behandler als auch den Patienten bei gleicher Effektivität.

Dennoch sollten Kontraindikationen und Risiken bei jedem Einsatz berücksichtigt und mit dem Patient besprochen werden. Bei korrekter Anwendung kann der subgingivale Einsatz von LPW grundsätzlich als sicher erachtet werden. Jedoch sind Überempfindlichkeitsreaktionen auf einzelne Substanzen beim Einsatz in der Mundhöhle oder seltene Fälle einer Emphysembildung niemals gänzlich auszuschließen.

Abschließend weisen die Autoren darauf hin, dass Studienergebnisse in der Regel auf den Durchführungen erfahrener Behandler beruhen. Die korrekte Handhabung, die Kenntnis der Theorie sowie eine gewisse Routine sind daher grundsätzliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung.

Dr. Anne Kruse, Dr. Stefanie Schienle, Prof. Dr. Petra Ratka-KrügerKlinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie,Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Universitätsklinikum FreiburgHugstetter Str. 55, 79106 Freiburg

PD Dr. Gregor Petersilka. Fachzahnarztpraxis Würzburg und Abteilung für Parodontologie Universität Marburg

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