Leitartikel

Was die EU damit kaputt machen wird

Peter Engel

Mit dem Dienstleistungspaket, das die EU-Kommission im Januar präsentiert hat, soll die Konjunktur des Europäischen Binnenmarkts belebt werden. Angekurbelt werden soll auch die Gesundheitswirtschaft mit ihren Leistungen. Ein Teil des geplanten Pakets ist die Prüfung der Verhältnismäßigkeit von neuen oder geänderten Berufsregeln. Aus zahnärztlicher Sicht ist dies der wichtigste Teil. Und der problematischste, was die Auswirkungen für die Gesundheitsberufe angeht: Die Kommission schlägt vor, dass die Mitgliedsstaaten detailliert (elf Prüfkriterien mit jeweils zehn Unterpunkten!) die Verhältnismäßigkeit von Berufsregeln darstellen, noch bevor diese erlassen werden. Sie will mit dieser Maßnahme vermeintlich überflüssige nationale Regulierungen verhindern, weil diese aus ihrer Sicht das Wirtschaftswachstum in Europa ausbremsen.

Wer jetzt als Zahnarzt denkt, das geht mich alles nichts an, liegt falsch. Denn betroffen sind Regeln zur Gefahrengeneigtheit einer beruflichen Tätigkeit, Ausbildungsanforderungen sowie Regelungen zur Fortbildungspflicht und Mitgliedschaften in Kammern und Verbänden. Ebenso tangiert sind das Satzungsrecht der Zahnärztekammern und das Berufsrecht.

Mit welchen Folgen rechnen wir? Nun, die EU-Pläne würden zu einer umfangreichen Begründungspflicht mit erheblichem Verwaltungsaufwand und Kosten führen – nicht nur für die Mitgliedsstaaten, sondern auch für die Berufsorganisationen. Selbst dann, wenn es nur um geringfügigen Anpassungen des Berufsrechts geht, wie es etwa bei Änderungen in der Fort- und Weiterbildung der Fall ist. Die wettbewerbliche Sicht auf den Gesundheitsbereich ist überdies grundfalsch. Und grundgefährlich, denn sie wird der besonderen Schutzwürdigkeit der Gesundheit und der Bevölkerung nicht gerecht. Schaltet man dem Erlass einer neuen Berufsregel dann noch einen Begründungsprozess vor, gerät die die Umsetzung in Stocken. Und für die Bevölkerung wäre es ganz klar negativ, wenn etwa patientenschützende Normen nur verzögert wirken. All das greift also ein in die Berufsausübung des einzelnen Zahnarztes.

Die BZÄK hatte den Vorstoß aus Brüssel sofort aufs Schärfste kritisiert, denn die Kommission stellt hier Berufsregeln unter den Generalverdacht, Wirtschaftsbremser zu sein. Abgesehen davon, dass das nicht stimmt, können und dürfen ökonomische Aspekte einfach nicht der alleinige Maßstab für nationales Berufsrecht sein. Schließlich schützen Berufsregeln die öffentliche Gesundheit und die der Patienten und sichern die Qualität der Versorgung. Die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen nimmt deshalb eine Sonderstellung ein, sie unterscheidet sich substanziell von der Erbringung anderer, wirtschaftlich orientierter Dienstleistungen.

Mit unserer Kritik stehen wir nicht allein. Bundestag und Bundesrat sehen das EU-Paket ebenfalls kritisch und haben bereits eine sogenannte Subsidiaritätsrüge gegen den Verhältnismäßigkeitstest erhoben. Ähnliche Reaktionen gibt es in Frankreich und Spanien.

Wir Zahnärzte arbeiten im engen Schulterschluss mit weiteren Verbündeten, um die Politik für die Fallstricke der EU-Pläne zu sensibilisieren. Die BZÄK hat vor Kurzem zusammen mit der BÄK, der KBV, der ABDA und der Bundespsychotherapeutenkammer einen Brief und eine Stellungnahme an alle Abgeordneten des EU-Parlaments verschickt. Die deutschen Heilberufe erachten das Vorhaben der Kommission als unverhältnismäßig. Die Mängel des Entwurfs treffen besonders uns – die Berufe nämlich, die die Verantwortung für die Gesundheit der Bevölkerung tragen.

Die deutschen Heilberufe fordern, dass die Kommission die Kompetenz der Mitgliedsstaaten für Berufsregulierung und deren Beurteilungsspielraum anerkennt. Wir fordern insgesamt, die Gesundheitsberufe aus dem Verhältnismäßigkeitstest herauszunehmen. Es sollte auch eine Kohärenz zur Dienstleistungs- und zur Verbraucherschutzrichtlinie geschaffen werden, denn dort wird man der besonderen Rolle der Gesundheitsberufe bereits gerecht.

Der Schulterschluss mit Verbündeten macht stark: Das hat sich immer wieder auch in der EU-Politik als positiv bewiesen. In diesem Sinne werden wir uns für die Kollegenschaft weiter engagiert einsetzen.

Dr. Peter Engel

Präsident der BZÄK
Bundeszahnärztekammer
Chausseestr. 13,
10115 Berlin

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