Editorial

Herr Vanderborght macht Werbung

Luc Vanderborght hat das Werbeverbot für belgische Zahnärzte zerlegt. Kein einflussreicher Verband, keine politische Initiative brachte diese Beschränkung zum Kippen, nein: Vanderborght ist Zahnarzt. Schwerpunkt ästhetische Zahnheilkunde, niedergelassen in Opwijk, einem 14.000-Seelen-Ort in Flandern. Um auf sich aufmerksam zu machen, stellte er eine Stele auf: Auf drei bedruckten Seiten standen dort sein Name, seine Eigenschaft als Zahnarzt, die Adresse seiner Website und die Telefonnummer seiner Praxis. Im Internet informierte er seine Patienten über sein Behandlungsspektrum, in lokalen Tageszeitungen schaltete er zusätzlich Werbeanzeigen. Ganz solide PR in eigener Sache also, lange Zeit gut sichtbar für jedermann: Elf Jahre – von 2003 bis 2014 – stellte er die Vorzüge seiner Praxis öffentlich in dieser Form heraus.

Erst dann erhält er eine Beschwerde seines zahnärztlichen Berufsverbands, dem „Verbond der Vlaamse tandartsen“, woraufhin strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn eingeleitet werden. Denn, das muss man wissen, im Unterschied zu Deutschland untersagt das belgische Recht wirklich jedwede Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung. Alles verboten. Ausnahmslos. Erlaubt ist nur ein schlichtes Zahnarztpraxisschild – bei Juristen bekannt als „Ein-Schild-Regelung“.

Vor dem Hintergrund kann man Vanderborghts Marketing schon fast als keck bezeichnen. Konsequent ist er jedenfalls: Selbst als der Fall vor Gericht geht, lässt sich der Zahnarzt nicht beirren: Die fraglichen Regelungen in seinem Land verstießen gegen das EU-Recht, insbesondere gegen die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und die Dienstleistungsfreiheit, führt Vanderborght zu seiner Entlastung an. Die Nederlandstalige rechtbank van eerste aanleg te Brussel, strafzaken, das ist das niederländischsprachige Gericht erster Instanz für Strafsachen Brüssel, bei dem das Verfahren anhängig ist, reagiert – und ruft den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. Das Ergebnis kennen wir: Laut EuGH können Inhalt und Form der kommerziellen Kommunikation zwar durch berufsrechtliche Regelungen wirksam eingegrenzt werden, jedoch dürfen solche Regelungen kein allgemeines und ausnahmsloses Verbot jeder Form von (Online-)Werbung zur Förderung der Tätigkeit eines Zahnarztes beinhalten. Begründet wird dies von den Richtern so:

„Der Gerichtshof lässt die Ziele der in Rede stehenden Rechtsvorschriften, das heißt, den Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Würde des Zahnarztberufs, als zwingende Gründe des Allgemeininteresses gelten, die eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen können. Ein intensives Betreiben von Werbung oder die Wahl von Werbeaussagen, die aggressiv oder sogar geeignet sind, die Patienten hinsichtlich der angebotenen Versorgung irrezuführen, kann nämlich dem Schutz der Gesundheit schaden und der Würde des Zahnarztberufs abträglich sein, indem das Image des Zahnarztberufs beschädigt, das Verhältnis zwischen den Zahnärzten und ihren Patienten verändert und die Durchführung unangemessener oder unnötiger Behandlungen gefördert wird. Der Gerichtshof ist allerdings der Auffassung, dass ein allgemeines und absolutes Verbot jeglicher Werbung über das hinausgeht, was zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich ist. Diese könnten mit weniger einschneidenden Maßnahmen erreicht werden, die – gegebenenfalls stark – eingrenzen, welche Formen und Modalitäten die von Zahnärzten verwendeten Kommunikationsinstrumente annehmen dürfen.“

Für belgische Kollegen hat Vanderborght damit nicht nur Klarheit geschaffen, sondern generell den Weg frei gemacht für Werbemöglichkeiten jenseits des Praxisschilds. Aus deutscher Sicht wird mit dem Urteil vor allem geltendes Recht bestätigt. Keine Frage: Ohne berufsrechtliche Einschränkungen geht es nicht. Ablesen lässt sich anhand des Urteils aber auch, wie rasant sich die Kommunikationswege und -formen im Zuge der Digitalisierung ändern – und entsprechend ihre Plattformen, Werbemittel und -inhalte.

Mehr zum aktuellen EuGH-Urteil lesen Sie in dieser Ausgabe auf Seite 30, wie Zahnärzte werben dürfen, erfahren Sie auf den Seiten 86 bis 88.

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