MdB Dr. Mathias Höschel zur Bundestagswahl

Die freie Vereinbarung muss in der GOZ erhalten bleiben!

„Wer Zahnmedizin studiert, wird selten Politiker“, sagt der CDU-Abgeordnete Dr. Mathias Höschel. Damit hat er recht: Derzeit ist er der einzige praktizierende (Zahn-)Arzt im Deutschen Bundestag. Welche gesundheitspolitischen Themen bei der Bundestagswahl wirklich wichtig sind, erläutert er hier – aus Sicht des Praxischefs.

Herr Dr. Höschel, Sie sind als Kieferorthopäde selbst betroffen. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Baustellen im Gesundheitswesen? 

Dr. Mathias Höschel: An erster Stelle stehen für mich nach wie vor die Entwicklung der Krankenhauslandschaft und ihre Finanzierung. Die Absicht, in Honorierungsprozesse Qualitätsaspekte einfließen zu lassen – auch hinsichtlich der Existenzfrage von Krankenhäusern – ist gut, die Umsetzung allerdings extrem schwierig. Weil es kein leichtes Unterfangen ist, Ergebnisqualitäten zu definieren und zu messen.

Aber auch der medizinische Notdienst ist in dem Zusammenhang zu nennen: Patienten suchen in zunehmenden Maße die Notfall- ambulanzen der Krankenhäuser auf, anstatt den ambulanten Notdienst in Anspruch zu nehmen – nicht nur am Wochenende und nach 18 Uhr. Die Zahlen der KV Nordrhein zeigen exemplarisch, dass die Einweisungen ins Krankenhaus über die dortigen Notfall-ambulanzen in erheblichem Maße steigen, während die Einweisungen durch niedergelassene Ärzte zurückgehen. Die Notfallambulanzen am Krankenhaus müssen deshalb in Kooperation mit den niedergelassenen Ärzten organisiert werden. 

Eine weitere Baustelle ist natürlich die Digitalisierung mit all ihren Facetten, wobei wir keinen unsinnigen und kostspieligen IT-Wahn wollen. Nein, es geht darum, dass die digitalen Möglichkeiten den Patienten und Behandlern auch etwas bringen. Nehmen wir die Notfalldaten und den Medikationsplan – sie haben für Patienten wirklich einen großen Nutzen. 

Aus Ärztesicht ein Problem: Wenn der Versand eines OPGs per E-Mail wegen der Datenschutzerfordernisse aufwendiger ist als mit Briefmarke per Post, dann befördert das keinen digitalen Datenaustausch. In Sachen Abrechnung sind wir dagegen im ambulanten Bereich schon sehr weit, was den Informationsaustausch mit den KZVen bzw. den Dienstleistern anbelangt. Da läuft nahezu alles digital. Da die Portale der KZVen und KVen immer besser werden, erfolgt die Datenübermittlung einfach und zuverlässig. 

„Wenn der Versand eines OPGs per E-Mail wegen der Datenschutzerfordernisse aufwendiger ist als mit Briefmarke, dann befördert das keinen digitalen Datenaustausch."

Was die Telemedizin betrifft: Sie wird in der Zahnheilkunde nur sehr begrenzt Einzug halten. Auch der Weg zur digitalen Patienten‧akte ist noch weit und voller Hürden. Noch ein Satz zum Thema Gesundheitsinformationen: Es ist sicherlich ein großes Vorhaben, zuverlässige Patienteninformationen ins Netz zu stellen – bei der Sicherstellung der inhaltlichen Qualität sind hier allerdings auch die Körperschaften gefordert.

Ein richtig großes Thema wird für uns die neue GOÄ und ihre Auswirkungen auch auf unsere Gebührenordnung. Hier gilt: Die freie Vereinbarung muss erhalten bleiben, denn eine Begrenzung der Steigerungsmöglichkeit auf einen festen Indikationskatalog würde die therapeutischen Möglichkeiten ungemein einengen.

Obendrein kann bei entsprechender Parlamentszusammensetzung die Baustelle Bürgerversicherung noch hinzukommen. In der laufenden Legislatur ist ja eine rot-rot-grüne Mehrheit im Bundestag vorhanden. Das ist zwar nach aktuellen Umfragen nach der Bundestagswahl eher unwahrscheinlich; aber wie wir wissen, bilden Umfragen die Wahlwirklichkeit in der letzten Zeit immer ungenauer ab.

Was ist für Sie persönlich als Praxischef wichtig?

1. Fremdkapital darf nicht bestimmend sein! Bestimmte Bereiche der ambulanten Medizin sind schon heute in der Hand ausländischer Finanzinvestoren. Zum Beispiel beherrscht die Sonic-Group, ein Konzern aus Australien, einen großen Teil der medizinischen Laborbetriebe.
2. Die Trennung ambulant – stationär darf nicht aufgeweicht werden, denn sie bedeutet aus meiner Sicht gegenseitige Kontrolle. Der niedergelassene Arzt kann über eine Einweisung entscheiden und das für seinen Patienten ideale Krankenhaus wählen. Das schafft Wettbewerb um gute Versorgung.
3. Die Rolle der Körperschaften: Diese müssen sich mehr als Dienstleister für die Niedergelassenen verstehen: Sich dafür einsetzen, dass Hygieneanforderungen auch honoriert werden. Dafür kämpfen, dass Bürokratie abgebaut wird. Ich bekomme oft zu hören „Mach doch mal, tu doch mal“, aber es wurde schon so vieles durch den Normenkontrollrat angestoßen! Gerade bei dem Thema Bürokratieabbau können die Körperschaften ihren Gestaltungsspielraum im Sinne ihrer Mitglieder nutzen und die Vorschläge des Normenkontrollrates – etwa bei der Vereinfachung des Strahlenschutznachweises – umsetzen.
4. Die Nachwuchs- und Mitarbeitergewinnung: Wir stehen als Ausbilder und Arbeitgeber nicht nur im Wettbewerb mit den vielen anderen Gesundheits- und Sozialberufen. Es ändern sich auch die Bewerberanzahl und das Bewerberprofil durch die zunehmende Anzahl der Abiturienten.

Die Attraktivität von Ausbildung und Arbeitsplatz ist für die Zukunft unserer freiberuflichen Praxis entscheidend. Wichtig sind hier nicht nur finanzielle Anreize, sondern beispielweise auch flexible Arbeitszeitmodelle. Das macht die Praxisführung allerdings nicht einfacher.

Welche Forderungen der Zahnärzte sind in der nächsten Legislatur denn realisierbar?

Festzuhalten ist: Die Zahnärzte haben eine Menge erreicht in dieser Legislaturperiode – und das meine ich ernst – von der Versorgung pflegebedürftiger Menschen bis hin zur neuen Approbationsordnung, die gerade vom Kabinett beschlossen wurde. Möglich geworden sind diese Erfolge vor allem durch die Erfahrung und die Beharrlichkeit der beteiligten Personen: Dr. Eßer und Dr. Engel. Und durch einen Gesundheitsminister, der guten Argumenten zugänglich ist.

Der Erfolg der Zahnärzteschaft in der Politik ist meiner Meinung nach im Wesentlichen darin begründet, dass sie ein sehr geschlossenes Bild nach Außen trägt. Das wird als sehr professionell wahrgenommen.

Ganz oben auf der Agenda wird in der kommenden Legislaturperiode das Thema Parodontaltherapie stehen. Grundlegend ist hier, dass ein gesundes Verhältnis zwischen solidarisch finanzierten Leistungen und der Eigenverantwortung der Patienten geschaffen wird.

Welche zahnärztlichen Themen sind für Politiker ohne Zahnmedizinstudium schwer nachzuvollziehen?

Na, wer Zahnmedizin studiert hat, wird selten Politiker. Wir Zahnärzte sind es ja gewohnt, zusammen mit dem Patienten möglichst zügig Erfolge zu erzielen. In der Politik dagegen sind viele Instanzen beim Meinungsbildungsprozess und anschließenden Entscheidungsprozess beteiligt. Was die langen Wege erklärt. Ich glaube, beide können voneinander lernen: Zahnärzte Geduld und Politiker Entschlussfreude.

Politik, Beruf und Familie

Alles im Dreiklang

Dr. Mathias Höschel schloss 1991 sein Zahnmedizinstudium in Aachen ab. Nach der Ausbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie in Frankfurt und einem Studienaufenthalt in den USA ließ er sich 1999 in eigener Praxis nieder. Mit seiner Frau Jana führt er eine kieferorthopädische Praxis in Düsseldorf.

Höschel ist Sprecher des Bundesvorstands der kieferorthopädischen Interessengemeinschaft (KFO-IG), Mitglied im Vorstand des Berufsverbands der Deutschen Kieferorthopäden (BDK) in Nordrhein, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO), im Arbeitskreis Funktionsdiagnostik der DGZMK sowie Vorsitzender der PVS Rhein-Ruhr. Außerdem ist er Reserveoffizier der Bundeswehr.

Ende 2016 trat der Kieferorthopäde für die CDU im Bundestag die Nachfolge von Bundestagsvizepräsident Peter Hintze an, der überraschend gestorben war. Er arbeitet unter anderem in den Bundestagsausschüssen „Verteidigung“ und „Tourismus“ sowie im Bundesfachausschuss „Gesundheit und Pflege“. Höschel lebt mit seiner Frau und seinen vier Kindern in Meerbusch, NRW.

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