Volker Looman über das standesgemäße Leben im Ruhestand

Darum müssen die Schulden vom Tisch sein!

In den letzten Artikeln habe ich Ihnen geschildert, dass es vorteilhaft ist, die Schulden für Haus und Hof bis zum 50. Geburtstag getilgt zu haben. Milde und nachsichtig wie ich bin, habe ich den zögerlichen Medici unter Ihnen eine „Nachfrist“ von fünf Jahren eingeräumt. Mit 55 ist aber wirklich Schicht im Schacht – zu noch größeren Zugeständnissen bin ich nicht bereit. Darf ich Ihnen die Gründe für meine „harte“ Haltung an folgendem Beispiel erläutern?

In den letzten Artikeln habe ich Ihnen geschildert, dass es vorteilhaft ist, die Schulden für Haus und Hof bis zum 50. Geburtstag getilgt zu haben. Milde und nachsichtig wie ich bin, habe ich den zögerlichen Medici unter Ihnen eine „Nachfrist“ von fünf Jahren eingeräumt. Mit 55 ist aber wirklich Schicht im Schacht – zu noch größeren Zugeständnissen bin ich nicht bereit. Darf ich Ihnen die Gründe für meine „harte“ Haltung an folgendem Beispiel erläutern? 

Bitte stellen Sie sich vor, heute 67 Jahre alt zu sein. Das ist für Jungspunde, die erst 40 oder 45 Jahre auf dem Buckel haben, natürlich harter Tobak. Bitte probieren Sie es trotzdem, es kostet ja nur ein bisschen Fantasie und nicht viel Zeit.

Dabei gehe ich davon aus, dass Sie mit 67 Jahren keine Lust mehr verspüren, weiterhin den Bohrer zu schwingen oder Zähne zu ziehen. Eher werden Sie sich, wenn Sie ein normaler Zahnarzt sind, auf den Ruhestand freuen. Die monatliche Rente des Versorgungswerks soll 3.000 Euro betragen. Das sieht nach viel Geld aus, doch bei genauem Hinsehen können Sie die „milde Gabe“ schnell abhaken. Die Gründe können Sie an den Fingern einer Hand aufzählen. Knapp 600 Euro müssen Sie an den Fiskus abdrücken. Die Prämie für die Kranken‧versicherung wird um die 1.000 Euro betragen. Das schöne Haus, in dem Sie leben, wird ebenfalls einen Tausender verschlingen, wenn Sie alle Kosten zusammenzählen. Die restlichen 400 Euro werden für den alten Diesel draufgehen, mit dem Sie jede Woche zu Aldi fahren. Und nun kommt die Frage der Fragen: Wovon wollen Sie den Wocheneinkauf bezahlen?

Ich will ja nicht so gemein sein, Sie jetzt auch noch zu löchern, wie Sie die nächsten Wanderferien im Harz bezahlen wollen. Statt dessen erlaube ich mir, Sie ohne Umschweife fragen zu dürfen, wie viel Geld pro Monat nötig ist, um erstens standesgemäß und zweitens stressfrei 90 Jahre alt zu werden. Sind das 3.000 oder 4.000 oder 5.000 Euro? Bitte kommen Sie mir jetzt nicht mit dem Hinweis, im Alter brauche Mann oder Frau oder beide zusammen nicht mehr so viel Geld. Von wegen, würde Loriot sagen! Wenn ich mir die heutigen Senioren ansehe, würde ich auf mindestens 4.000 Euro tippen. Nun dürfen Sie mitrechnen: 90 minus 67 sind 23 Jahre. Das Jahr hat zwölf Monate, so dass Sie noch 276 Monate vor sich haben. 276 mal 4.000 Euro erfordern eine Summe von abgerundet 1.104.000 Euro!

Falls Ihnen die Freude am Rechnen nicht vergangen ist, würde ich gerne noch eine Schippe drauflegen. Wenn Sie heute 55 Jahre sind, haben Sie noch zwölf Jahre, um diese 1,1 Millionen Euro anzusparen. Das ist doch nachvollziehbar, oder nicht? 1.100.000 Euro geteilt durch 12 geteilt durch 12 führen zu einer Sparleistung von 7.639 Euro pro Monat. Das ist viel Holz, wenn ich das einmal so ausdrücken darf, weil der Betrag aus versteuertem Geld erbracht werden muss. Nun verstehen Sie vielleicht, nein, nicht vielleicht, sondern hoffentlich und endgültig, warum ich so vehement für die „Schuldenfreiheit mit 50“ plädiere. 67 minus 50 sind 17 Jahre, und 17 Jahre mal 12 Monate führen zu einer Laufzeit von 204 Monaten. Wenn das Sparziel weiterhin 1.100.000 Euro beträgt, müssen Sie monatlich 5.392 Euro auf den Tisch blättern. Das sind vor Steuern rund 10.000 Euro.

Ich will Ihnen mit diesen Zahlen keine Angst einjagen, sondern nur die Augen öffnen, dass das Leben in finanzieller Hinsicht kein Ponyhof ist. Ich habe bisher ohne Zinsen gerechnet, weil sichere Geldanlagen, da verrate ich Ihnen nun ja wirklich kein Geheimnis, keine Erträge mehr abwerfen. Selbst wenn die Zinsen für Staats- und Unternehmens‧anleihen wieder auf 3 Prozent pro Jahr steigen, werden Ihnen nach Abzug der Abgeltungsteuer und des Solidaritätszuschlags höchstens 2,2 Prozent bleiben. Bei diesem Satz müssten Sie monatlich 4.450 Euro sparen, um im Alter die gewünschten 4.000 Euro ausgeben zu können. Das ist und bleibt eine harte Nuss, doch ich „muss“ Ihnen die Dinge schildern, wie sie nun einmal sind. Wenn Ihnen das nicht schmeckt, müssen Sie die monatliche Wunschrente von 4.000 auf 3.000 Euro senken. Ergänzend können Sie das Restleben um zehn Jahre verkürzen. Oder Sie gehen zu Ihrer Hausbank oder zu Ihrem Vermittler. Dort wird Ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit bestätigt werden, der Looman habe einen an der Waffel, weil es genügend Geldanlagen mit jährlichen Renditen von 7 oder 8 Prozent gebe. Ich will Ihnen das Träumen ja nicht verbieten, doch muss das ausgerechnet beim Geld der Fall sein?

Renditen von 7 bis 8 Prozent pro Jahr sind nach meiner Beobachtung nur mithilfe von Aktien möglich, und Sie werden solche Verzinsungen nur erzielen, wenn Sie wie ein Oberschotte auf die Kosten achten. Das sind zwei Dinge, mit denen Zahnärzte auf Kriegsfuß stehen. Ich bitte Sie um Nachsicht für diese Worte, doch ich weiß, wovon ich rede. Die meisten von Ihnen nehmen lieber weitere Kredite auf und stecken das Geld in zusätzliche Immobilien, bevor sie sich an die Börse wagen, und wer doch den Mut hat, in Aktien zu investieren, holt sich Hellseher und Wahrsager an Bord, die pro Jahr zwischen 1 und 2 Prozent kosten. Bitte lassen Sie den Kopf nicht hängen. Es geht auch anders, wie Sie in den nächsten Kolumnen sehen werden. Voraussetzung ist freilich, dass die Schulden vom Tisch sind!

Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

Volker Looman

Der Autor ist freiberuflicher Finanzanalytiker in Stuttgart. Jede Woche veröffentlicht er in der FAZ einen Aufsatz über Geldanlagen. Außerdem unterstützt er Zahnärzte auf Honorarbasis bei der Gestaltung des Privatvermögens.

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